Präambel:
0. Gutes Leben für alle
Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, die kaum noch zu verhindernde Klimakatastrophe und die zunehmenden Ressourcenkonflikte, die weltweit anschwellende Flüchtlingsströme nach sich ziehen, haben gezeigt, dass das Prinzip des „Immer schneller, immer weiter, immer mehr“ gescheitert ist. Noch immer herrscht ein Fortschrittsglaube, auch wenn ethische und ökologische Grenzen längst überschritten sind. Immer mehr müssen wir erkennen, dass wir uns in einer Wachstumsfalle befinden. Menschen und Natur lassen sich auf dem begrenzten Planeten Erde nicht endlos ausbeuten. Ökologische, soziale und wirtschaftliche Krisen bedrohen gleichermaßen die Existenzgrundlagen der Menschen. Unsere Gesellschaft lebt von der Substanz und drängt die Probleme immer noch in die Zukunft ab. Da sich viele Ressourcen - wie Rohstoffe, aber auch die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der nachwachsenden Generation - nicht beliebig erneuern und vermehren lassen, muss sich eine Politik, die über die nächste Legislaturperiode hinausblickt, auf das Wesentliche konzentrieren. Wir brauchen eine effiziente Kreislaufwirtschaft, die neue und sinnvolle Arbeitsplätze schafft. Wir müssen dem verschwenderischen, lebensfeindlichen Wirtschaften der heutigen Generation eine Absage erteilen. Ausgehend von den Menschenrechten auf Arbeit, freie Berufswahl, soziale Sicherheit, Wohlfahrt, Bildung, Teilhabe am kulturellen Leben sowie auf Erholung und Freizeit fordern wir für alle Menschen, die nicht erwerbstätig sein können, ein ausreichendes Grundeinkommen. Globalisierung, Digitalisierung und Beschleunigung der Arbeitsprozesse führen zu immer größeren Belastungen aller Menschen. Wir brauchen eine gerechte und nachhaltige Gesellschaftspolitik, die die rasant angewachsene und weiter wachsende Kluft zwischen wenigen sehr reichen und immer mehr armen Menschen, verbunden mit zunehmenden Abstiegsängsten der noch vorhandenen Mittelschicht, wieder verringert - auch im Interesse der Demokratieentwicklung und der Verpflichtung zu einer konsequent ökologischen Politik. Dies betrifft auch die immer mehr zutagetretende Verletzung des Generationenvertrages gegenüber der jungen Generation und zu Lasten der Familien. Wir brauchen eine neue Balance zwischen dem „Ich“ und dem „Wir“. Dies bedeutet für uns Ökologische Demokraten, sowohl Rechte zu haben als auch Verantwortung und Pflichten zu übernehmen. Wir brauchen den Mut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen und die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Wir brauchen eine weitschauende Politik, die offen darüber spricht, dass ein Weniger an materiellem Überfluss ein Mehr für den Erhalt unserer Gesellschaft und der natürlichen Lebensgrundlagen bedeutet. Wir brauchen vordringlich für Personen, die über kein eigenes Einkommen verfügen können, ein ausreichendes Grundeinkommen. Dazu zählen für uns u.a. Kinder, Rentnerinnen / Rentner und Erwerbsunfähige. Solange das Erziehungs- und Pflegegehalt nicht verwirklicht ist, gehören auch Erziehende und Pflegende dazu. Entscheiden auch Sie sich für ein neues Politikverständnis und gegen die Prinzipien der Wegwerf- und Verschwendungsgesellschaft. Entscheiden Sie sich mit der ÖDP für eine lebensfreundliche und weitblickende Politik. Entscheiden auch Sie sich, mit uns für ein gutes Leben für alle zu kämpfen.
1. Schöpfung bewahren
Die natürliche Umwelt des Menschen ist seine Lebensgrundlage. Ihr Schutz muss daher im Interesse der zukünftigen Generationen oberstes Leitbild allen staatlichen und wirtschaftlichen Handelns sein. Darüber hinaus sind Tiere und Pflanzen als Lebewesen mit eigenem Wert auch um ihrer selbst willen zu schützen.
1.1 Klimapolitik - Es geht um alles!
Die Veränderung des globalen Ökosystems durch den menschengemachten Klimawandel geschieht in einem Tempo, wie es in der gesamten Erdgeschichte noch nie dagewesen ist. Das bedeutet unerträglich hohe Risiken für die Menschheit und die gesamte Biosphäre. Da die Zeit drängt, sind unverzüglich sehr weitgehende Maßnahmen zu ergreifen, um die Verschleppung vergangener Jahre aufzuholen. Das weltweite Klimaabkommen von Paris (Dezember 2015) bekennt sich zur Notwendigkeit, den weltweiten Temperaturanstieg deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Es fehlen aber zwingende Mechanismen und konkrete Maßnahmen, um dieses Ziel noch zu erreichen. Die internationalen Klimaschutzbemühungen müssen deutlich über das Klimaabkommen von Paris hinausgehen und eine globale Energiewende einleiten. Deutschlands eigene Klimaschutzbemühungen sind deutlich zu forcieren. Allerdings ist Klimaschutz eine globale Aufgabe, die ein Land allein niemals bewältigen kann. Deshalb muss Deutschland auch auf die weltweite Klimaschutz-Wirkung seiner gesamten Politik achten und aktiv Einfluss nehmen. Deutschland muss auf eine Reduktion materiellen Konsums und auf eine Dekarbonisierung global gehandelter Produkte und Prozesse hinwirken. Internationaler Klimaschutz wird dadurch erschwert, dass Länder unterschiedlich strenge Klimaschutzpolitik verfolgen und oft dem Wettbewerbsdruck nach lascheren Klimaschutzbedingungen nachgeben. Einer solchen Abwärtsspirale kann am besten mit einem Emissionshandelssystem begegnet werden, dem sich einzelne Länder nicht einfach entziehen können. Richtig umgesetzt ermöglicht es eine hohe internationale Verbindlichkeit, die andere Klimaschutzversprechen nicht halten können. Weil das CO2-Emissionshandelssystem, richtig umgesetzt, ökonomisch effizient ist und weil es gleiche Klimaschutzbedingungen in allen beteiligten Ländern herstellt, ist dafür international am leichtesten Akzeptanz zu gewinnen. Das europäische Emissionshandelssystem hat wegen seiner unzureichenden Ausgestaltung in seiner Anreizwirkung bisher versagt und ist deshalb grundlegend zu reformieren. Die deutschen Klimaschutzbemühungen sind stark auf den Stromsektor ausgerichtet. Aber wegen des Emissionshandels tragen die im Stromsektor in Deutschland vermiedenen CO2-Emissionen gar nicht zur weltweiten Emissionsminderung bei. Denn CO2-Zertifikate, die in der deutschen Stromerzeugung nicht gebraucht werden, werden an andere Bereiche und Länder des Emissionshandels verkauft und dort eingelöst. Dadurch wird in den vom Emissionshandel erfassten Bereichen weder die EU-weite Menge an Zertifikaten noch die Menge an freigesetzten Emissionen reduziert. Solange die Menge der gehandelten Zertifikate nicht entsprechend dem jeweils erreichten europäischen Ausbau an erneuerbaren Energien reduziert wird, ist es deshalb weitgehend wirkungslos, nationale Klimaschutzziele vorwiegend im Stromsektor erfüllen zu wollen. Damit lenkt die Bundesregierung von den wirklichen nationalen Klimaschutzaufgaben ab. Der Flugverkehr bildet eine Ausnahme im Klimaschutz, weil seine Emissionen in Luftschichten ausgestoßen werden, in denen ihre Klimawirksamkeit ein Vielfaches höher ist, als bei allen bodennahen CO2-Emissionen. Laut Umweltbundesamt erzeugen CO2-Emissionen aus Flugzeugen ca. 2 bis 5 mal mehr Klimaschaden als bodennahe CO2-Emissionen. Der weltweite Flugverkehr und eine Klimaschädlichkeit steigen massiv an, obwohl ein Großteil der Menschheit noch nie geflogen ist. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Bundesregierung darauf hinwirkt, die Einbeziehung des europäischen Flugverkehrs in den Emissionshandel zu verhindern.
Das ÖDP-Konzept:
1. Internationaler Klimaschutz:
l Klimaschädliches Wirtschaften darf nicht einfach ins Ausland verlagert werden. Ein Import von klimaschädlichen Produkten ist zu vermeiden. Über dazu geeignete Handels- Beschränkungen oder CO2-Zölle ist nachzudenken.
l Klimapolitik ist ins Zentrum aller außenpolitischen Bemühungen zu rücken, um internationale Kooperationen zu erzielen. Einerseits ist Druck auf unkooperative Länder auszuüben und andererseits uneigennützige Unterstützung für kooperative Länder anzubieten.
2. Emissionshandel und CO2-Steuern:
l Noch in der 3. Handelsperiode muss die Anzahl der Zertifikate um insgesamt mindestens 2 Mrd. t CO2 reduziert werden.
l Die Menge der Zertifikate ist entsprechend dem jeweils erreichten europäischen Ausbau erneuerbarer Energien zu reduzieren.
l Um langfristige und verlässliche Preissignale und damit entsprechendes klimafreundliches Investitionsverhalten zu generieren, ist ein Preiskorridor einzurichten, mit einer planbaren schrittweisen Erhöhung eines Mindestpreises.
l Alle 3 Jahre sind die sogenannten "carbon leakage"-Unternehmensbranchen, momentan noch zwecks ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit Zertifikate kostenlos erhalten, zu überprüfen. Die carbon leakage Kriterien müssen dafür viel strenger und realitätsnäher festgelegt werden.
l Wirtschaftssektoren, die sich schlecht in einen Emissionshandel einbinden lassen und die wenig auf andere Länder ausweichen können, (z.B. der nicht-industrielle Wärmesektor) sind im nationalen Alleingang schrittweise mit CO2-Steuern auf fossile Brennstoffe in Höhe von deren Klimaschädlichkeit zu belegen.
l Eine Einbindung des Straßenverkehrs in den Emissionshandel wird wegen seiner sehr geringen CO2-Preiselastizität abgelehnt, sofern dies die Innovationsbemühungen der Automobilindustrie zur Reduzierung von Flottenverbrauch und CO2-Emissionen bremsen könnte.
l CO2-Steuern sollten einen langsam ansteigenden Mindestsatz beinhalten und flexibel auf Energiepreisschwankungen reagieren um einen recht verlässlichen Energiepreisanstieg vorzugeben, auf den sich die Akteure einstellen können. Die Höhe der CO2-Steuer sollte sich im Idealfall an den CO2-Preisen eines funktionierenden Emissionshandelssystems anlehnen. Durch eine CO2-Steuer erlangen emissionsarme und ressourcenschonende Technologien bessere Marktbedingungen.
l Neben einer CO2-Steuer sollte möglichst auch die Einführung von CO2-Zöllen auf Warenimporte angestrebt werden.
3. Nationale Klimaschutzziele:
l Deutschland darf sein eigenes Treibhausgas-Reduktionsziel nur auf solche Bereiche konzentrieren, die nicht dem Emissionshandel unterliegen (z.B. Verkehr und Wärme), weil darauf eigenständig Einfluss genommen werden kann.
l Ein solches Reduktionsziel muss ehrgeizig definiert und verfolgt werden. In jedem Falle muss es deutlich über die bisher seit 1990 durchschnittlich erreichte jährliche Treibhausgasreduktion hinaus gehen.
4. Flugverkehr:
l Solange der Flugverkehr weltweit nicht in einen Emissionshandel eingebunden wird, sind wegen seiner höheren Klimaschädlichkeit die Rechte auf die Inanspruchnahme von Flugkilometern zu begrenzen und schrittweise zu reduzieren. Flugbenzin ist zu besteuern.
1.2 Energiepolitik - Die Lebensgrundlagen sichern
Der grundlegende Fehler der bisherigen Energiepolitik besteht darin, im energiewirtschaftlichen
„Zieldreieck“ aus Wirtschaftlichkeit, sozialer Gerechtigkeit und Ökologie ständig Kompromisse zu Lasten der Ökologie einzugehen. Mit dieser Politik mag die ständig fortschreitende Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und des ökologischen Gleichgewichts etwas verlangsamt werden, wird aber trotzdem nicht aufgehalten. Ohne die Bewahrung der Lebensgrundlagen sind kein soziales Zusammenleben und keine Ökonomie dauerhaft überlebensfähig. Die Ökologie hat daher grundsätzlich Vorrang. Jedes Energieversorgungssystem hat die ökologischen Möglichkeiten und Grenzen zu respektieren. Ökologische Folgeschäden sind auf ein Maß zu reduzieren, das dauerhaft verkraftet werden kann. Nur unter Einhaltung dieser ökologischen Erfordernisse ist ein möglichst sozial gerechtes und wirtschaftlich effizientes Energiesystem zu gestalten. Im Sinne einer nachhaltigen, gerechten und am Gemeinwohl orientierten Entwicklung hat die Energiepolitik folgende übergeordnete Ziele:
l schnellstmögliche Vermeidung von klimaschädigenden Emissionen, insbesondere von CO2- Emissionen, zur Begrenzung des Klimawandels;
l Vermeidung und Minimierung des von der Kernenergie ausgehenden Sicherheits- und Gesundheitsrisikos einschließlich radioaktiver Abfälle, die jetzige und künftige Generationen belasten;
l Vermeidung umweltschädigender Emissionen und Abfälle zur Schonung von Mensch und Natur;
l Schonung aller verfügbaren endlichen Energieressourcen für nachfolgende Generationen und für energiebedürftige Länder zur Verhinderung von Konflikten um Energieressourcen;
l Gestaltung eines nachhaltigen Energiesystems, in dem auch finanzschwache Bevölkerungsgruppen Anteil an der Energieerzeugung und günstigen Zugang zu Energie erhalten. Dazu ist die Beteiligung von Bürgern an der Energieversorgung, wie z.B. durch Genossenschaften, zu erleichtern.
Ein an diesen Zielen orientiertes Energiesystem hat den Energieverbrauch zu verringern sowie auf emissionsarme und erneuerbare Energien zu setzen. Um Versorgungssicherheit zu gewährleisten, muss erreicht werden, dass flexibel auf den fluktuierenden Einsatz erneuerbarer Energien reagiert werden kann. Das ist weniger eine technische Herausforderung; effiziente Marktmechanismen zur umfassenden Erschließung von Flexibilitäten bei der Erzeugung, dem Verbrauch und der Speicherung von Energie sind vielmehr einzurichten. Deutschland gilt als Vorbild für eine globale Energiewende. Daraus resultiert eine besondere Verantwortung. Die momentan geplante Gestaltung des Strommarktes birgt große Risiken für die mittel- bis längerfristige Versorgungssicherheit. Das seit 2012 eingeleitete gezielte Ausbremsen der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien, welches bereits zu einer Insolvenzwelle innovativer Firmen im Bereich der Erneuerbaren Energien in Deutschland geführt hat und ein Scheitern der deutschen Energiewende in Kauf nimmt, ist ein fatales Signal für den Rest der Welt. Deshalb ist eine zügig fortgeführte und umfassende Energiewende notwendig. Es ist ein Marktdesign für den Strommarkt zu entwickeln, das Anreize für die beteiligten Marktakteure, Erzeuger wie Verbraucher schafft, sich so zu verhalten, dass insgesamt die Nutzung Erneuerbarer Energien optimiert und die Kosten von deren Nutzung minimiert werden. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist die in Deutschland bereits deklarierte Energiewende im Stromsektor weit davon entfernt, auf gutem Wege zu sein. Aber noch stärker sind in den Bereichen Wärme, Verkehr und allgemein hinsichtlich des Energiesparens ausreichend wirksame Maßnahmen weiter nicht in Sicht. Selbst EU-weite Vorgaben, wie z.B. die Energieeffizienzrichtlinie, wurden bisher national nur zögerlich umgesetzt. Im Verkehrsbereich hat Deutschland bisher nahezu im Alleingang wirksame CO2-Grenzwerte auf EU-Ebene verhindert. Ernsthafte Strategien zur Verkehrsvermeidung und -verlagerung sind gar nicht erst vorhanden. Deutschland hat 2014 einen „Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz“ (NAPE) beschlossen, um das Ziel 20% Energieeinsparung bis 2020 zu erreichen. Jedoch tragen die bisher umgesetzten NAPE- Maßnahmen etwa erst ein Zehntel zur erforderlichen Energieeinsparung bei. Im Vergleich zu anderen europäischen Mitgliedsstaaten liegt Deutschland im Schlussfeld bei der Umsetzung der EU- Energieeffizienzrichtlinie. Der Schwerpunkt des NAPE liegt vor allem auf Information und Förderung, ein Ansatz der bereits in der Vergangenheit nicht funktioniert hat. Die Umstellung der Energieversorgung auf Erneuerbare Energien verursacht in der Übergangsphase Investitionskosten. Mittel- und langfristig ist eine nachhaltige Energieversorgung jedoch günstiger als die heutige, da die Betriebskosten sehr gering sind. Dies gilt mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar dann, wenn externe Kosten nicht berücksichtigt werden. Der Übergang zur nachhaltigen Energieversorgung ist so zu gestalten, dass die Kosten gerecht verteilt, und die Chancen einer nachhaltigen Energieversorgung, vor allem eine höhere Selbstbestimmung, Selbstversorgung und regionale Kreisläufe, optimal genutzt werden.
Das ÖDP-Konzept:
1. Energiewende
l Die Energiewende bedeutet für die Marktbeteiligten eine Übergangsphase mit großen Unsicherheiten, in der insgesamt große Investitionen notwendig sind. Deshalb braucht die Energiewende verlässliche Rahmenbedingungen durch die Politik. Um diese Verlässlichkeit zu gewährleisten, ist eine robuste und zu Ende gedachte Ausgestaltung des Marktdesign der Energiewende notwendig, so dass die erforderlichen Investitionen sich lohnen und Risiken verringert werden, insbesondere für kleinteilige und regionale Bürgerenergieprojekte.
l Deutschland braucht einen Plan für einen baldigst-möglichen sozial abgefederten Ausstieg aus dem Braunkohleabbau und der Kohleverstromung. Die Fördersubventionen für den Braunkohletagebau müssen zügig abgebaut werden. Es dürfen keine neuen Zerstörungen von Siedlungen für den Braunkohletagebau vorgenommen werden.
2. Gestaltung des Strommarktes (Strommarktdesign)
l Die gegenwärtige Gestaltung des Strommarktes (Strommarktdesign, sog. „Energy-only- Markt“) drängt alle Anbieter von gesicherter Versorgungskapazität in die Rolle von Spekulanten und raubt ihnen die Geschäftsgrundlage und jegliche Investitionssicherheit. Sie untergräbt mittelfristig die Realisierbarkeit eines auf erneuerbaren Energien beruhenden Strommarkts. Im jetzigen Strommarktdesign gibt es keine ausreichenden finanziellen Anreize, um rechtzeitig die Nachfrage nach Versorgungssicherheit zu befriedigen. Ein Strommarktdesign hat die Versorgungssicherheit auf möglichst marktwirtschaftlich effiziente Weise zu entlohnen.
l Damit sich Flexibilität rechnet, müssen Preisausschläge an der Strombörse auch bei den Verbrauchern ankommen. Dazu muss die Höhe der zu zahlenden EEG-Umlage flexibilisiert werden.
3. EEG-Umlage
l Die nun eingeleitete Umstellung des EEG-Systems auf Ausschreibungen ist auf ihre Effizienz hin zu hinterfragen und kleinen Marktakteuren sind reale Chancen der Teilhabe einzuräumen. Die Verdrängung kleinerer Marktakteure ist zu verhindern, indem die von der EU vorgesehenen Ausnahmen (De-Minimis-Regelung) großzügig angewendet werden. Die Nutzung erneuerbarer Energien in regionalen Wirtschaftskreisläufen (Mieterstrom etc.) ist zu fördern.
l Industrieausnahmen von der EEG-Umlage sind ausschließlich auf diejenigen Branchen zu beschränken, deren internationale Wettbewerbsfähigkeit durcheine erhöhte Belastung nachweislich gefährdet ist. Die Strompreiskompensationsliste von 15 Branchen, die laut EU- Kommission im internationalen Wettbewerb stehen, soll als Grundlage für die Auswahl von Unternehmen dienen.
l Es sind Instrumente zu prüfen, welche die internationale Wettbewerbsfähigkeit von energieintensiven Unternehmen garantieren, ohne Stromkosten zu reduzieren und dabei Effizienzanreize zu verringern, z. B. der Grenzsteuerausgleich oder eine Rückerstattung von höheren Energiekosten nach Produktionsleistung oder Arbeitsplätzen, um die Industrie preisunabhängig zu entlasten. Kompensationszahlungen dieser Art werden in den Beihilferichtlinien der EU Kommission explizit begrüßt.
4. Energiepreise
l Ökologische und wirtschaftliche Schäden, die der Allgemeinheit durch die Erzeugung bzw.
den Verbrauch von Energie entstehen („Externalitäten“), müssen über Steuern-/Abgaben-
/Entgeltsysteme in die Energiepreise eingepreist werden.
l Die Erhebung der Netzentgelte ist zu reformieren und muss auf effiziente und sozial ausgewogene Weise die tatsächliche Netzbelastung durch Verbraucher und Erzeuger widerspiegeln.
l Damit Klimaschutz die entscheidende Rolle bei den Wärmekonzepten spielen kann, müssen Energiepreise CO2-Steuern beinhalten.
5. Technologieförderung
l Die Kraft-Wärme-Kopplungstechnologie (KWK) ist zu fördern, sofern sie als Bindeglied beim Übergang zu einem vollständig erneuerbaren Energiesystem dient. Dazu müssen folgende Kriterien erfüllt sein: (1) Nutzung von gasförmigen Brennstoffen, die zunehmend aus erneuerbaren Quellen stammen, oder flüssigen Brennstoffen, die vollständig erneuerbar sind;
(2) nachhaltige Gewinnung im Fall biogener Brennstoffe; (3) vollständige und sinnvolle Nutzung der erzeugten Wärme, im Fall stromgeführter KWK mit Hilfe hinreichend dimensionierter Wärmespeicher; (4) Nicht-Verfügbarkeit einer rein erneuerbaren und an Wärmenetze gebundenen Wärmeversorgung. Unter Fördern werden hier alle Formen der bevorzugten Behandlung verstanden, nicht nur finanzielle Zuwendungen.
l Stromspeicher sind als eigene Kategorie im Energiewirtschaftsgesetz zu verankern und von ungerechtfertigten Doppelabgaben für Erzeuger und Verbraucher zu entlasten.
l Energietechnologien, die künftigen Generationen mehr schaden, als sich dies in den Kosten und Preisen widerspiegelt, sind zu verbieten. Dazu gehört insbesondere ein Verbot des Neubaus von Ölheizungen, wie es in Dänemark bereits in Kraft ist.
l Die Biomassenutzung darf nur unter Einhaltung aller Nachhaltigkeitsaspekte ausgebaut werden, wozu unter anderem die Feinstaubimmissionen von bestehenden und neuen Holzheizungen drastisch reduziert werden müssen.
l Die Förderung von unkonventionellen Energieressourcen, die nur unter großen ökologischen Schäden oder mit Risiken gewonnen werden können - wie bei der Fracking-Technologie - ist zu unterlassen.
l Die fortschreitende Digitalisierung der Energiewende darf nicht zu einer Erhöhung der Mobilfunk-Strahlenbelastung führen und ist weitestgehend auf kabelgebundene Datenübertragung aufzubauen.
6. Energieeinsparung
l Die Sanierungsrate im Gebäudebestand verharrt seit Jahren auf niedrigem Niveau und muss dringend verdoppelt werden. Auch die ursprünglichen Ausbauziele der effizienten Kraft-Wärme-Kopplung wurden mittlerweile wieder reduziert. Die Bundesregierung hat nicht die Kraft, für Energieeffizienzmaßnahmen die nötigen Marktanreize zu setzen und diese wenn nötig auch durch Mengenbeschränkungen im Energieverbrauch zu ergänzen, statt von der jeweiligen Haushaltslage abhängige und damit unberechenbare Förder- und Marktbedingungen zu schaffen.
l Die Umsetzung des Gebäudeenergieausweises ist wirksam zu kontrollieren. Verstöße sind zu sanktionieren.
l Wärmenetze und Wärmekonzepte sind lokal und kommunal zu planen und umzusetzen. Wärmeplanung muss zu den Planungsaufgaben jeder Kommune gehören wie andere Planungsaufgaben (Siedlungsplanung, Verkehrsplanung, etc.) auch.
7. Sozialverträglichkeit
l Sozialtransfers und Hilfsprogramme sind an steigende Energiepreise anzupassen, ohne den Energieverbrauch durch preisbasierte Subventionierungen zu fördern.
l Falls im Rahmen einer sozialen Hilfemaßnahme Wohnungen mit Elektrogeräten ausgestattet werden, ist aus einer der 2 besten am Markt verfügbaren Leistungsklassen die Auswahl zu treffen. Dabei ist auf Energieeffizienz und die voraussichtlichen Gesamtbetriebskosten in der Lebensdauer des Gerätes bei der Auswahl vorrangig zu achten.
l Gezielte Energiesparprogramme und Energieberatungen können dazu beitragen, trotz steigender Energiepreise den Anstieg der Energierechnung zu verringern.
l Einerseits sollte für einkommensschwache Bürger eine existenziell notwendige Grundausstattung mit Energie möglichst preiswert gehalten werden. Andererseits sollte ein möglichst hoher Anreiz zur Einsparung von darüber hinausgehendem Energieverbrauch gegeben sein. Um diese beiden Ziele zu erreichen, bietet es sich an, einen geringen Satz eines Pro-Kopf-Energieverbrauchs von der Steuer zu entlasten und darüber hinausgehenden Energieverbrauch mit überdurchschnittlichen Sätzen zu belegen. Ein derartiges Abgabenmodell wird zum Beispiel in Basel-Stadt bereits erfolgreich praktiziert („Basler Lenkungsabgabe“).
1.3 Unverzüglicher, weltweiter Ausstieg aus der Kernenergie
Die Atomenergie ist die gefährlichste und unwirtschaftlichste Energieform. Aus Sicherheitsgründen liegen Atomkraftwerke abseits von Ballungsräumen. Die reichlich anfallende Abwärme (etwa 70%) heizt Flüsse und Atmosphäre auf, statt zum Heizen von Wohnungen oder zu anderem genutzt zu werden. Dadurch besitzt die Stromversorgung mit Atomkraft mit gut 30% den niedrigsten Wirkungsgrad in der Stromversorgung. Wären die Kraftwerksbetreiber verpflichtet, eine ausreichende Betriebshaftpflichtversicherung zu unterhalten, und hätten sie niemals staatliche Subventionen erhalten, so müsste die Kilowattstunde Atomstrom den Stromkunden fast 0,40 € pro kWh kosten, wobei die Kosten für Stilllegung, Rückbau und Entsorgung noch nicht berücksichtigt sind (Studie „Was Strom wirklich kostet“, erstellt vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V., Januar 2015). So aber wurden und werden aus Steuermitteln Milliarden an die Monopolwirtschaft gezahlt und die Bevölkerung hat Risiken zu tragen, die noch unsere Kinder und Kindeskinder bedrohen werden. Das in Reaktoren anfallende Plutonium 239 hat beispielsweise eine Halbwertszeit von rund 25.000 Jahren, Plutonium 242 sogar Jahre. Diese Kosten und Risiken dürfen keinesfalls auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Im atomaren Brennstoffzyklus werden ständig radioaktive Substanzen erzeugt und teilweise auch freigesetzt. Das beginnt bei der Uranerzförderung, die ganze Landschaften zerstört, setzt sich bei der Aufbereitung fort, bei der Wiederaufarbeitung, bei Atommülltransporten, während der Zwischenlagerung und im so genannten Endlager - einen Störfall oder gar einen Reaktorunfall überhaupt noch nicht berücksichtigt. Als Folge der radioaktiven Belastung nehmen Erbgutschäden, Krebs und andere Strahlenkrankheiten bei allen Lebewesen zu.
Das ÖDP-Konzept:
l Unverzüglicher, weltweiter Ausstieg aus der Atomenergie.
l Streichung der Subventionen, ohne die die AKWs nicht wirtschaftlich betrieben werden können. Weil kein Rechtsanspruch auf Subventionen besteht, muss kein einziger Euro an Entschädigungen bezahlt werden. Die durch den Abbau der Subventionen frei werdenden Gelder werden für den klimafreundlichen Umbau der Stromerzeugung aufgewendet.
l Sofortiger Ausstieg aus dem Euratomvertrag, wie im Manifest für die Kündigung des Euratomvertrags gefordert, um der Forderung nach einem europaweiten und schließlich weltweiten Ausstieg aus der Kernenergie Nachdruck zu verleihen.
l Kündigung bzw. Auslaufen-Lassen der Bezugsverträge für Atomstrom aus anderen Ländern durch deutsche Stromkonzerne.
l Verbot der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente aus deutschen Atomkraftwerken in Frankreich und England.
l Ende des Exports von AKW-Anlagen, statt dessen
l weltweite Unterstützung anderer Länder beim Ausstieg aus der Kernenergie und bei der Umstellung auf erneuerbare Energien.
l Hochradioaktiver und hochgiftiger Atommüll muss für einen unfassbar langen Zeitraum von rund 1 Million Jahren sicher von der Biosphäre abgeschlossen bleiben. Die ÖDP begrüßt den begonnenen Prozess der ergebnisoffenen wissenschaftlichen Suche nach einem bestmöglichen Standort für die Endlagerung hochradioaktiven Atommülls. Die Standortauswahl darf sich ausschließlich nach wissenschaftlichen Kriterien richten. Die bisherige Praxis des „überall, nur nicht bei mir“ muss beendet werden. Gründlichkeit bei der Erforschung muss vor Schnelligkeit bei der Einlagerung gehen. Ziel muss es sein, den bestmöglich geeigneten Standort auszuwählen, um kommende Generationen vor der ungeheuren Gefahr, die vom Atommüll ausgeht, zu schützen. Angesichts der Gefahren der Atomenergie fordern wir ein umgehendes Abschalten aller Reaktoren in Deutschland. Aufgrund der Überkapazität an Kraftwerksleistung ist dies problemlos möglich.
l Strikte Kontrolle der Atommülltransporte auf Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte.
l Baustopp für die Pilot-Konditionierungsanlagen (PKA) in Gorleben.
l Die bisherigen sog. Standortzwischenlager, die keinerlei Schutzfunktion haben, sind umgehend durch wenige sog. Hochsicherheits-Zwischenlager zu ersetzen. Diese Hochsicherheits-Zwischenlager müssen höchsten Sicherheitsstandards genügen und zwingend auch gegen Terrorangriffe und Flugzeugabstürze gesichert sein. Ein Standort in AKW-Nähe ist nicht erforderlich, da die Zwischenlager noch in Betrieb sein werden, wenn die Atomkraftwerke schon längst abgerissen sind. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Endlager in den nächsten Jahrzehnten nicht zur Verfügung steht, ist die derzeitige Lagerung in ungesicherten Hallen inakzeptabel und möglichst schnell zu beenden.
l Umgehende Überführung der bisherigen Rückstellungen der Kernkraftwerksbetreiber in einen Fonds und weitere Erhöhung durch laufende Einzahlungen. Der Fond soll ausreichen, um die Finanzierung des gefahrlosen Rückbaus ohne zusätzliche Steuermittel zu realisieren.
l Die Kernfusion ist eine anerkanntermaßen teure Technologie, die ebenfalls radioaktive Abfälle produziert. Die Energiewende brauchen wir jetzt, nicht in 50 oder 100 Jahren, wenn frühestens mit Stromgewinnung aus Kernfusion zu rechnen ist. Energie aus. Kernfusion ist deshalb keine sinnvolle Alternative.
1.4Den Mobilfunk gesundheitsverträglich gestalten – Elektrosmog verringern
Eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien aus aller Welt belegen die erheblichen Gesundheitsgefahren der heutigen Mobilfunktechnik für Menschen und Tiere, z.B. EEG- Veränderungen, Öffnung der Blut-Hirn-Schranke, Schädigung der DNS, Erhöhung des Cortisolspiegels usw. Insbesondere die gepulste elektromagnetische Strahlung von Handys, Basisstationen, WLAN-Routern und Hot Spots stellt für die gesamte Biosphäre auf lange Sicht ein unkalkulierbares Risiko dar. Aus diesem Grund muss dringend dem gesundheitlichen Vorsorgegedanken Vorrang vor jedem kommerziellen Interesse eingeräumt werden. Trotz aller gegenteiligen Versicherungen der Betreiber zeigen auch die neuen Forschungsergebnisse deutlich die Notwendigkeit einer Verringerung der Strahlenbelastung der Bevölkerung. Die in Deutschland geltenden Grenzwerte der 26. Bundes-Immissionsschutz- Verordnung (26. BImSchV) sind dafür völlig unzureichend und müssen gesenkt werden, von momentan 4.500.000-10.000.000 µW/m² auf 100 µW/m²oder noch besser auf 10 µW/m² (bei 0,005 µW/m² ist eine optimale Funktion eines D- oder E-Netz-Handys gewährleistet).
Das ÖDP-Konzept:
l Als erster Schritt ist der Grenzwert für die Strahlenbelastung auf 100 µW/m² zu senken. Die durch die Mobilfunktechnologien (D-Netz, E-Netz, UMTS, TETRA, LTE, WLAN usw.) erzeugte Strahlenbelastung wird regelmäßig flächendeckend gemessen und zeitnah veröffentlicht.
l Reine Wohngebiete und Aufenthaltsorte von Kindern und Jugendlichen (z.B. Kindergärten und Schulen) und Krankenhäuser müssen in der Netzplanung der Betreibergesellschaften durch einen strengeren Grenzwert von 10 µW/m² Leistungsflussdichte geschützt werden. Der Aufbau von Antennen-Basisstationen ist deshalb generell genehmigungspflichtig zu machen. Die Öffentlichkeit wird in das Genehmigungsverfahren einbezogen. An Gebäuden muss auf eine möglichst strahlungsarme Übertragung durch Verwendung von Außenantennen und Repeatern im Gebäude geachtet werden.
l Die Forschung über die Folgen der zunehmenden Elektrosmog-Belastung ist auf allen Gebieten voranzutreiben und muss unabhängig von Industrie und Politik erfolgen.
l Geräte, die elektromagnetische Wellen abstrahlen, sind, vergleichbar der Kennzeichnung des Energieverbrauchs, zu klassifizieren.
1.5 Verkehrswende
Ausmaß und Struktur des heutigen Verkehrs sind beispielhafte Symptome staatlicher Misswirtschaft, Menschen- und Umweltverachtung. Verkehrssysteme werden hoch subventioniert. Die höchste Kostendeckung wird ausgerechnet vom umweltverträglichsten und sichersten System, der Eisenbahn, verlangt. Riesige volkswirtschaftliche Schäden durch Straßenverkehr und Flugverkehr werden dagegen allgemein akzeptiert:
l Der Straßenverkehr wird hoch subventioniert, insbesondere durch Gewerbe, die Steuererleichterung (Dieselkraftstoff und KFZ-Steuer) genießen und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen (Werkverträge) Vorschub leisten.
l Die Kostendeckung der Binnenschifffahrt liegt unter 10 %. Der Bau neuer Wasserstraßen ist wegen der damit verbundenen ökologischen Schäden abzulehnen. Der Ausbau bestehender Wasserstraßen darf nur so erfolgen, dass dauerhafte Schäden an Natur und Umwelt ausgeschlossen sind. Vorrangig sind die Schiffe den Flüssen und nicht die Flüsse den Schiffen anzupassen.
l Der besonders umweltbelastende Flugverkehr wird über die Befreiung von der Mineralölsteuer und weitere Subventionen bei der Betankung der Flugzeuge auf den Flughäfen und durch die Beteiligung der Kommunen, Länder und des Bundes am Bau der Flugplätze gefördert.
Ungeniert wird weiteres Verkehrswachstum prognostiziert und herbeigeredet, obwohl die Bevölkerung in Europa seit Jahrzehnten nicht zugenommen hat. Aufgabe der Verkehrspolitik ist es, nach einem erträglichen Gleichgewicht zwischen den berechtigten Bedürfnissen nach Mobilität des Einzelnen und den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Allgemeinheit zu suchen. Vor allem aber müssen wir lernen, Verkehr zu vermeiden, der letztlich niemandem dient: Bier und Butter gewinnen nicht an Nährwert, wenn wir sie über Hunderte von Kilometern zu den Verbrauchern transportieren, und niemand gewinnt, wenn er auf immer längeren Wegen zum Arbeitsplatz Nerven und Arbeitskraft einbüßt. Gleichzeitig ist das Aufkommen an Freizeitverkehr kontinuierlich gestiegen. Die damit verbundenen Staus, der Lärm und die Unruhe ebenso wie die Hektik des Freizeitverhaltens führen bisher nicht zu einer signifikanten Verhaltensänderung. Steuergeschenke für Transportunternehmen gaukeln eine Wirtschaftlichkeit vor, die zu Lasten der gesamten Umwelt und auf Kosten der Allgemeinheit hinsichtlich Gesundheit und Finanzierung geht. Das Betreiben von Lohndumping wird dadurch ebenfalls gefördert, weil es sich „lohnt“, Produktions- bzw. Bearbeitungsschritte von Gütern am jeweils günstigsten Standort durchführen zu lassen. Der Preis, den wir alle für die Verkehrslawine zahlen, ist hoch: jährlich tausende Unfalltote und hunderttausende Verletzte, Atemwegserkrankungen, Stress, Lärm und Feinstaubbelastung vor allem in Städten und Ballungsräumen, Flächenverbrauch, Treibhauseffekt, Waldsterben, zerstörte Landschaften, aussterbende Tier- und Pflanzenarten.
Das ÖDP-Konzept:
Künftige Maßnahmen aufgrund der veränderten Bedürfnisse der Menschen nach Mobilität. Die gerechte steuerliche Belastung für den Verbrauch von Primärenergie und Rohstoffen sowie für die Verursachung von Umweltschäden verteuert Transport und Verkehr und begünstigt Verkehrsvermeidung. Dies wird im Einzelnen:
l die angewandte Forschung und Entwicklung von sparsameren, umweltverträglicheren Fahrzeugen und Verkehrssystemen fördern,
l Güterverkehr von der Straße auf die Schiene oder Wasserwege verlagern, die mit einem geringeren Energieverbrauch verbunden sind,
l im Personennahverkehr die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, des Fahrrads oder der eigenen Füße begünstigen.
Weitere notwendige Maßnahmen für eine gelingende Verkehrswende:
l Elektromobilität in jeder Form, einschließlich des ÖPNV und der Fortbewegung auf zwei Rädern, ist intensiv zu fördern. Dazu gehören die Förderung von Forschung und Nutzung von Elektrofahrzeugen, auch im kommunalen Bereich und auch im Bereich des Car-Sharing. Ladestationen müssen in genügender Dichte verfügbar sein. Das Radwege-Netz ist auszubauen und an den Kontaktstellen mit dem ÖPNV sind ausreichend Stellflächen einzurichten.
l Die Mehrwertsteuer für Bahn- und Busfahrkarten wird, möglichst EU-weit, abgeschafft.
l Benzin und Diesel sind in gleichem Maße zu besteuern. Die KFZ-Steuer ist weiter als Steuerungsmöglichkeit bei Einführung neuer, umweltschonender Technologien zu nutzen (temporär, wie bisher).
l Der Anbau von Pflanzen zur Treibstoffgewinnung darf die für die Weltbevölkerung erforderliche Nahrungsmittelproduktion nicht gefährden oder verteuern, darf auch nicht zu Abholzungen von (Regen-)Wäldern führen, was derzeit aber passiert. Deshalb ist ein Importverbot von Pflanzentreibstoffen und ein Verbot der Beimischung von pflanzlichen Treibstoffen erforderlich. Beim jetzigen EU-Recht werden Millionen Tonnen Agrosprit dem Super- und Dieselkraftstoff für den Straßenverkehr beigemischt und verschlingen durch den Anbau der Agrospritpflanzen riesige Landflächen auf Kosten der Regenwälder in tropischen Ländern. Die gute Nahrungsmittelversorgung in den Anbauländern hat Vorrang gegenüber der Nutzung von Autos in den Industrieländern.
l Die Abschreibung von Betriebsfahrzeugen ist auf die Kosten von Referenzfahrzeugen zu beschränken, die zur Erfüllung des jeweiligen Betriebszwecks erforderlich sind. Die Besteuerung des geldwerten Vorteils für die Privatnutzung von Firmenfahrzeugen ist von 1% auf 2% des Neuwagenpreises pro Monat zu erhöhen.
l Kerosin für den Flugverkehr ist im selben Umfang zu besteuern wie Benzin oder Diesel. Gleichzeitig sind alle Subventionen für Flugverkehr und Flughäfen zu streichen.
l Kein weiterer Aus-, Um- und Neubau von Großflughäfen. Aufgrund der Auswüchse beim Bau von Regionalflughäfen sollte die Zuständigkeit dafür dem Bund übertragen werden.
Eine völlige Neuorientierung brauchen wir im Bereich des Schienenverkehrs. Das Schienennetz ist - vergleichbar mit der Verwaltung der Bundes-, Landes- und Staatsstraßen - in staatliche Verwaltung zurückzuführen, zumindest aber in einer von der DB AG unabhängigen AG zu organisieren, die im Eigentum des Bundes verbleiben muss. Nur so lassen sich Benachteiligungen der Wettbewerber der DB AG vermeiden und die Investitionen in das Schienennetz verbleiben in der Verantwortung der öffentlichen Hand. Zum Schienennetz gehört auch die Verantwortung für Bahnhöfe und Haltestellen und für deren barrierefreien Ausbau. Eine Rückkehr zu einer „Bahnhofskultur“ mit Läden, Imbiss, Restaurants und Kleinkunstbühne würde die Attraktivität der Bahn ebenfalls stärken. Der Wettbewerb zum Bahnhof des Jahres (2014: Hünfeld) ist bereits eine hilfreiche Maßnahme. Der Neubau von Hochgeschwindigkeitsstrecken bindet finanzielle Mittel und verbraucht Landschaft; er sollte nur noch in Ausnahmefällen erfolgen. Höhere Geschwindigkeiten und höheren Komfort erreichen wir auch mit verhältnismäßig geringen Investitionen
l durch die Beschleunigung vorhandener Strecken und geeignete Züge (z.B. mängelfreie Gleisanlagen),
l durch besser koordinierte Fahrpläne,
l durch Städteverbindungen auf den kürzesten Wegen.
Vom Verkehr ausgehende Gefahren und Belästigungen sowie die Beseitigung der Folgen einer jahrzehntelang gegen das Gemeinwohl gerichteten Verkehrspolitik erfordern auch hoheitliche Maßnahmen:
l Abschaffung von „Beschleunigungs- und Maßnahmegesetzen“, die Umweltverträglichkeitsprüfungen und Bürgerbeteiligung aushebeln.
l Verschärfung der Lkw-Kontrollen , insbesondere im Hinblick auf Ruhe- und Lenkzeiten der Fahrer, Ladung und Geschwindigkeitsüberschreitungen.
l Ausschließlich ökologisch verträglicher Ausbau der Schifffahrtswege als Konkurrenz zum Lkw.
l Rechtsanspruch auf angemessene ÖPNV-Anbindung.
l Erhöhung der Mittel für Projekte zur Verbesserung des Nutzungsgrades nach dem Gemeindeverkehrs-Finanzierungsgesetz(GVFG).
l Tempolimits auf allen Straßen (120 km/h auf den Autobahnen, 80 außerorts, 40 innerörtlich mit Ausnahme einiger Hauptstraßen mit Tempo 50-60).
l Anpassung der Gebote und Verbote in der Straßenverkehrsordnung an die speziellen Bedürfnisse von Radfahrern, Fußgängern, Omnibussen und Eisenbahnen, z.B. Vorschrift von Vorrangschaltungen für diese Verkehrsmittel an Ampeln.
l Verbot des Ferntransports von Gefahrgütern und Vieh auf der Straße.
l Effektive Kontrolle der Tempo- und Lärmgrenzwerte.
l Trotz des schon laufenden Großversuchs bis 2017: Keine Zulassung von Gigatrucks (Lkw bis 60t) - aus Gründen der Verkehrssicherheit und der Belastung der Infrastruktur.
l Verschärfung der Fahrverbote bei drohender oder bestehender Ozon-, Feinstaub- und Smogbelastung.
l generelle Nachtstart- und Landeverbote für Flugzeuge zwischen 22 und 6 Uhr .
l Lärmschutz auch dann, wenn keine sonstigen baulichen Veränderungen vorgenommen werden.
l VorrangderVerkehrsvermeidungbeiderLandesentwicklungsplanung,derRegional- planung und dem Städtebau.
l Stopp des Neubaus weiterer Bundesstraßen, überdimensionierter Ortsumfahrungen und Bundesautobahnen, wie im neuen Bundesverkehrswegeplan angedacht, und Verwendung der Gelder für die Instandhaltung der bestehenden Infrastruktur und den Ausbau alternativer Verkehrswege, insbesondere im Bereich Schienenverkehr.
l Behandlung der Fuß- und Radwege als eigenständiges Verkehrsnetz.
1.6 Siedlungsstrukturen menschen- und umweltgerecht gestalten
Durch die Automobilisierung verlor die räumliche Nähe an Bedeutung. Die Entfernungen zwischen Wohnung, Arbeitsplatz, Versorgungs- und Freizeiteinrichtungen konnten immer größer werden, weil sie sich bequem und schnell mit dem Auto zurücklegen lassen. Gleichzeitig konzentriert sich die wirtschaftliche Entwicklung auf wenige Ballungsräume und hinterlässt entleerte Randregionen. Der ländliche Raum im Umfeld von Wirtschaftszentren wurde hingegen zunehmend zersiedelt, weil die individuellen Vorteile für Hausbesitzer, Unternehmen, Einkaufs- und Freizeitzentren größer sind als die individuellen Nachteile: Die Grundstücke und Immobilien sind billiger als im Stadtgebiet und können entsprechend großzügiger ausfallen; die höheren Fahrkosten sind aufgrund des geringen Benzinpreises und der Pendlerpauschale akzeptabel. Das ist jedoch aus ökologischer und sozialer Sicht eine Fehlentwicklung, denn der Flächenverbrauch ist mit bundesweit über 70 ha/Tag weiterhin dramatisch hoch und der Verkehr ist heute für rund 30 Prozent des Energieverbrauchs und CO2-Ausstoßes verantwortlich. Statt den zunehmenden Autoverkehr durch neue und immer breitere Straßen zu bewältigen, sollten seine Ursachen minimiert werden. Das lässt sich durch die Förderung von dezentralen Wirtschaftsstrukturen, mit sinnvollen Bebauungsdichten und einer intelligenten Begrenzung des Neu- Flächen-Verbrauchs erreichen. Den Verbrauch von fruchtbaren Böden und ökologisch wertvollen Flächen wollen wir in unserem bereits dicht besiedelten Land mittelfristig auf Null senken. Nahversorgungszentren für die täglichen Bedürfnisse müssen fußläufig erreichbar sein. Sonstige Versorgungseinrichtungen, Arbeitsplätze, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen müssen sich mit dem ÖPNV erreichen lassen – zeitlich und preislich konkurrenzfähig zu Fahrten mit dem Auto. Die Stadt- und Regionalplanung muss eng mit der ÖPNV-Planung verknüpft sein.
1.6.1 Politische und administrative Maßnahmen
Im Bereich der Siedlungstätigkeit und des Städtebaus reichen rein marktwirtschaftliche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation nicht aus. Vielmehr spielen bei allen Bau- und Siedlungsvorhaben auch politische Ziele, Vorgaben in Raumordnungs- und Entwicklungsplänen sowie Genehmigungsverfahren eine wichtige Rolle.
Das ÖDP-Konzept:
l Die Einführung von bundesweit handelbaren Flächenzertifikaten (ähnlich der Idee eines Emissionsrechtehandels) soll den Rückbau ungenutzter Siedlungs- und Verkehrsflächen fördern und einen finanziellen Ausgleich für momentan stark von Absiedlung betroffene Kommunen schaffen. Die Überplanung von landwirtschaftlich genutzten Flächen für zusätzliche Baugebiete und Verkehrsprojekte wird durch die Kosten für die Flächenzertifikate gebremst.
l Notwendiger Wohnraum wird durch Schließen von Baulücken, Nutzung von ehemaligen militärischen Liegenschaften, Sanierung von leer stehendem Wohnraum, Altbausanierung und Dachgeschossausbauten gewonnen.
l Die Sanierung von Altlastenflächen ist verstärkt zu fördern. Der Bund hat auf seinen Liegenschaften mit gutem Beispiel voranzugehen.
l Die Verpflichtungen zu Ausgleichsmaßnahmen müssen streng kontrolliert werden. Die Ausgleichsflächen müssen in räumlichem Zusammenhang zu den Bauvorhaben stehen.
l Mittelfristig wollen wir Wohn-, Arbeits- und Erholungsräume im Rahmen von Entwicklungsplänen zum ökologischen Städteumbau enger miteinander verzahnen, sodass Verkehr, Energieverbrauch und Umweltverschmutzung vermieden werden. Davon werden nicht zuletzt Kinder sowie ältere und behinderte Menschen profitieren, deren Bedürfnisse wir verstärkt berücksichtigen wollen.
l Bevor Neubaugebiete ausgewiesen werden, sind bestehende Siedlungsgebiete zu sanieren und nachzuverdichten. Dabei sind Maßnahmen zur energetischen Modernisierung durchzuführen, die es ermöglichen, den künftigen Heizenergiebedarf komplett mit regenerativen Energien wie Sonnenenergie und Erdwärme zu decken.
l Die Ausweisung neuer Baugebiete in den Raumordnungs- und Bauleitplänen wollen wir beschränken, um weitere Zersiedelung der Landschaft zu verhindern.
l Kommunale und staatliche Neubauten sowie städteplanerische Sanierungsgebiete wollen wir von Anfang an als Ökosiedlungen mit Niedrigenergiehäusern unter Verwendung gesunder Bau- und Dämmstoffe konzipieren und planen. Wo möglich und sinnvoll sollen zudem die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen und die Regenwassernutzung integriert werden.
l Kompakte Gebäudegruppen sollen nahe liegende, zusammenhängende Grünzonen, Begegnungsorte, Spielflächen für Kinder, Gaststätten und Läden für den täglichen Bedarf statt vieler kleiner Grünflächen bekommen.
l Das Baugesetzbuch (BauGB) wollen wir so gestalten, dass die Kommunen verpflichtet werden, Vorrangflächen für Windenergie, dezentrale Energieversorgung mit Wärme-Kraft-Kopplung und Regenwassernutzung auszuweisen.
l Wir fordern und fördern Intensive Aufklärung über gesunde Baustoffe und „Wohngifte“.
l Der Bau und die Modernisierung von Wohnungen brauchen die staatliche Förderung. Zu fördern ist auch der Erwerb von Wohnungseigentum durch Familien. Die Förderung muss aber an die Erfüllung hoher ökologischer und sozialer Standards geknüpft sein. Das Bauen mit Baumaterialien aus nachwachsenden und CO2-bindenden Rohstoffen ist dabei besonders zu fördern, da (1) es im Vergleich zum Bauen mit Stahl, Beton und Ziegeln mit sehr wenig Energieaufwand verknüpft ist, (2) nachwachsende und CO2-bindende Rohstoffe regional erzeugt werden können und damit die regionalen Wirtschaftsstrukturen stärken, (3) in nachwachsenden Rohstoffen große Mengen CO2 gespeichert sind, die ansonsten kurz- und mittelfristig wieder freigesetzt würden.
l Eine fußläufige Erreichbarkeit von möglichst vielen Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Läden, Sportstätten und Erholungsflächen ist anzustreben. Die nicht fußläufig erreichbaren Einrichtungen sind so anzusiedeln, dass sie sich bequem mit dem ÖPNV erreichen lassen. Dafür müssen die Siedlungsentwicklung und die ÖPNV-Planung eng aufeinander abgestimmt sein.
l Gewerbegebiete, Einkaufszentren und landwirtschaftliche Neubauten mitten in der grünen Landschaft lehnen wir ab. Die Belange des gewachsenen Einzelhandels und die wohnortnahe Versorgung haben Vorrang.
1.6.2 Förderung des Denkmalschutzes
Bei den vielfältigen Veränderungen in Stadt und Land wollen wir den Belangen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege Rechnung tragen. Die Aufgabe des Bewahrens gilt nicht nur der Umwelt und Natur, sondern auch den Bau- und Bodendenkmälern als den Zeugnissen unserer Geschichte und Kultur. Die chronische personelle und finanzielle Unterversorgung führt sehr oft zur ungenügenden Erfassung und Sicherung von Denkmälern im Zusammenhang mit Um- und Neubauten. Die Baumaßnahmen werden dadurch vermeidbar verzögert und verteuert oder aber die Denkmäler unwiederbringlich zerstört.
Das ÖDP-Konzept:
l Im Rahmen der Bauleitplanung wollen wir verstärkt die Belange des Denkmalschutzes beachtet sehen.
l Der Unterversorgung der Denkmalschutzbehörden ist seitens des Bundes durch neue Förderprogramme zu begegnen.
1.7 Landwirtschaft für Mensch und Natur
Die Ernährung der Menschen und die Art und Weise, wie wir zukünftig Landwirtschaft betreiben werden, ist weltweit ein zentrales Thema auf der politischen Agenda. Im September 2015 haben die Vereinten Nationen im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der Erde (Sustainable Development Goals – SDGs) bis 2030 beschlossen, die gleichermaßen für alle Länder gelten. Die Bekämpfung der Armut und des Hungers sind die beiden ersten der insgesamt 17 SDGs: Weltweite Beendigung der Armut in allen ihren Formen.
Beendigung von Hunger, Erreichung von Ernährungssicherheit und verbesserter Ernährung und Förderung nachhaltiger Landwirtschaft. Deutschland gehört zu den Mitunterzeichnern. Die ÖDP fordert eine kohärente, d.h. in allen Politikbereichen auf diese Ziele ausgerichtete, widerspruchsfreie Politik. Bei der Landwirtschaftspolitik sind daher grundsätzliche Änderungen erforderlich. Die Landwirtschaft hat – zusammen mit dem Gartenbau und der Forstwirtschaft - eine Sonderrolle in unserem Wirtschaftssystem, da sie unmittelbar an und mit den Lebensgrundlagen Boden, Wasser und Luft arbeitet. Dieser Teil unseres Wirtschaftssystems ist daher als einziger in der Lage, diese Lebensgrundlagen bei entsprechender Sorgfalt zu verbessern. Alle anderen Beteiligten des Wirtschaftssystems sind darauf angewiesen, diese Lebensgrundlagen mehr oder weniger stark in Anspruch nehmen zu können. Erforderlich ist eine verantwortungsvolle Wirtschaftsweise, die unsere Lebensgrundlagen erhält bzw. dort regeneriert und verbessert, wo durch eine falsche Bewirtschaftung Schäden entstanden sind. Daher ist die Agrarpolitik verstärkt daran auszurichten, dass die Landwirte die Aufgabe der Erhaltung und Verbesserung unserer Lebensgrundlagen erfüllen und dabei wirtschaftlich überleben können. Die bisherige Landwirtschaftspolitik und die Logik des EU-Subventionssystems haben zu Überschüssen und Preisverfall bei landwirtschaftlichen Produkten sowie einem fortschreitenden Höfesterben geführt. Die Landwirtschaftsbetriebe in Europa werden immer mehr in eine Abhängigkeit von Saatgut-, Futter- und Düngemittelkonzernen getrieben. Es wird immer deutlicher, dass der eingeschlagene Weg ein Irrweg ist, der schleunigst verlassen werden muss. Bei dem so ausgelösten Konkurrenzkampf bleiben vor allem kleinere traditionell wirtschaftende bäuerliche Familienbetriebe auf der Strecke. Sie sind Opfer einer Landwirtschaftspolitik, die auf „Wachsen oder Weichen“ ausgerichtet ist, weil die heutige Agrarordnung große, intensiv wirtschaftende und hochspezialisierte, weiter expandierende Betriebe begünstigt, ja geradezu fordert. Dadurch hält das Höfesterben seit Jahrzehnten ungebremst an. Die Größe der Betriebe allein ist jedoch kein Maßstab für die ökologische Ausrichtung. Beispielsweise haben einige ostdeutsche Großbetriebe vollständig oder teilweise auf ökologischen Anbau umgestellt. Die Abhängigkeit der Landwirtschaft von der chemischen Industrie, von Banken, von Öl- und Futtermitteleinfuhren steigt stetig. Der gesamte Bereich Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und Vermarktung wird zunehmend zum Geschäft von wenigen global wirtschaftenden Großkonzernen, wobei die Einführung gentechnisch veränderter Nutzpflanzen und -tiere diese Entwicklung weiter vorantreibt. Der Boden ist die Grundlage für die Landwirtschaft und damit für die Ernährung der Menschen – weltweit. Er ist inzwischen in vielfacher Weise durch Einträge aus der Landwirtschaft (z.B. Pestizide, Gülle, Kunstdünger), Auswaschungen aus der Atmosphäre (z.B. saurer Regen) und giftigen Klärschlamm belastet. Die Bodenfruchtbarkeit ist durch einseitige Bewirtschaftungsweisen gefährdet, die den Boden auslaugen, sodass das Bodenleben verarmt. Die Landwirtschaft kann einen entscheidenden Beitrag leisten, um den Klimawandel zu bremsen. Dazu muss die Landwirtschaft hin zu regenerativen Systemen umgebaut werden („Regenerative Landwirtschaft“). Nur wenn es gelingt, schädliche Treibhausgase aus der Atmosphäre zu entfernen und in der Humusschicht der Böden zu speichern, können die angestrebten Klimaziele erreicht und lebenswichtige Ressourcen erhalten bleiben. Die Instrumente der Politik müssen gezielt regenerative Bewirtschaftungsmethoden unterstützen. Das betrifft vor allem Forschung und Ausbildung aber auch den Einsatz von Agrarfördermitteln. Falsche Bewirtschaftung wie z.B. Überdüngung und massenhafter Einsatz von Pestiziden gefährden die natürliche Fruchtbarkeit der Böden, erodieren den Mutterboden und wirken sich vor allem über die Belastung mit Nitrat verheerend auf Grund- und Oberflächenwasser aus. Jährlich Zehntausende von Tonnen ausgebrachte „Pflanzenschutzmittel“ töten Mikroorganismen in der Ackerkrume und reichern Giftstoffe in den Nahrungsketten, im Grundwasser und in der Atmosphäre an. Rückstände von Pestiziden und Medikamenten finden sich im Trinkwasser und in Lebensmitteln wieder. Entwässerung von Feuchtgebieten, Begradigung von Bachläufen und Rodung von Hecken zerstören natürliche Lebensgemeinschaften und Landschaften. Die Tier- und Pflanzenwelt verarmt. Das bestehende Agrarsystem mit seiner Ausrichtung auf den Weltmarkt ist ein ökonomisches und ökologisches Desaster. Es öffnet der Lebensmittelspekulation Tür und Tor. Statt dem energievergeudenden Import von sogenannten "Superfoods" ist der Anbau von Nutzhanf zu ermöglichen und die Nutzung zu erleichtern und auszuweiten. Dieser Hanf weist die Vorteile einer ökologisch hochwertigen und vielseitig verwendbaren Nutzpflanze auf, insbesondere auch zu medizinischen Zwecken. Die betriebsgrößengebundene Anbauerlaubnis muss nach Abschnitt 217 ff. auf eine generelle Anbauerlaubnis des Nutz-Hanfes ausgeweitet werden. Gezielte, staatliche Förderung der Forschung soll das mögliche Einsatzspektrum für die Zukunft klären. Langfristiges Ziel der ÖDP ist eine nachhaltige Landwirtschaft. die weit über die heutigen Vorgaben einer „ordnungsgemäßen Landwirtschaft“ hinausgeht. Sie erfordert eine ressourcenschonendere Bewirtschaftungsweise, die nicht ausschließlich auf eine vermeintlich „effiziente“ Nutzung von Boden und Tieren gerichtet ist. Der ökologische Landbau ist die nachhaltigste Form bäuerlicher Landwirtschaft, da diese Bewirtschaftungsweise mit der Natur und nicht gegen sie arbeitet. Diese bewährte Anbaumethode ist daher besonders förderungswürdig. Sie ist im Sinne einer „agrarökologischen Intensivierung“ weiter zu entwickeln. Entsprechende agrarökologische Konzepte gründen dabei auf traditionellem und lokalem Wissen und seinen Kulturen und verbinden es mit Erkenntnissen und Methoden moderner Wissenschaft. Ihre Stärke liegt in der Verbindung von Ökologie, Biologie und Agrarwissenschaften, aber auch von Ernährungskunde, Medizin und Sozialwissenschaften. Agrarökologie setzt auf die Einbeziehung des Wissens aller Beteiligten. Zu einer ökologischen Landwirtschaft gehören eine nachhaltige Bodenbearbeitung, maßvolle organische Düngung, Verzicht auf Kunstdünger und synthetische Biozide sowie zahlreiche weitere Maßnahmen wie Auswahl der Pflanzenarten und -sorten (nach Standort), Untersaaten, Zwischenfrüchte und angepasste Fruchtfolgen. Wesentliches Merkmal einer ökologischen Landwirtschaft sind die geschlossenen Produktionskreisläufe, die bewirken, dass kein Abfall entsteht, sondern alles, was im Betrieb erzeugt wird, auch wieder im Betrieb verwertet wird. Lebensmittel sollen dezentral erzeugt wie auch vermarktet werden, damit feste regionale Wirtschaftskreisläufe entstehen können und die Abhängigkeit von Großkonzernen abnimmt. Das Höfesterben muss auch deshalb gestoppt werden, weil kleine und mittlere bäuerliche Familienbetriebe am ehesten in der Lage sind, ökologische und regionale Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Der Staat hat die Aufgabe, die ökologische Ausrichtung von Landwirtschaftsschulen sowie der agrarwissenschaftlichen Fakultäten der Fachhochschulen und Universitäten und die Beratung zur ökologischen Lebensmittelproduktion zu fördern und zu unterstützen. Wir achten die Landwirte nicht nur als Lebensmittelproduzenten, sondern auch und vor allem als Kulturträger und Landschaftspfleger. Darüber hinaus erkennen wir die Rolle der Landwirte als Energieproduzenten an, solange dies Ökosysteme nicht auf unnachhaltige Weise beeinträchtigt und dies weltweite Nahrungsmittelknappheiten und die wirtschaftliche Situation der Landwirtschaft in anderen Ländern weder direkt noch indirekt verschlimmert.
Das ÖDP-Konzept:
l Auf- und Ausbau von Lehrstühlen für den ökologischen Landbau.
l Ausreichende Bereitstellung von staatlichen Mitteln zur weiteren Erforschungen der Klimarelevanz der Landwirtschaft (z.B. Lachgasemission bei Stickstoffdüngung, Bindung von Kohlenstoff durch Humusanreicherung im Boden), zur Erforschung der Phosphatproblematik (Endlichkeit der Phosphatlagerstätten, Überdüngung der Meere, Phosphatmangel bei langjährigem ökologischen Anbau)
l Handelsklassen haben nur einen geringen Informationsgehalt für den Verbraucher. Sie diskriminieren zudem den naturgemäßen Landbau. Sie müssen durch ökologische Qualitätssiegel ergänzt oder ersetzt werden.
l Bei Lebensmitteln sind klar ablesbare Herkunftsangaben sowohl zur Erzeuger- als auch zur Verarbeiterregion, sowie zur Anbau- bzw. Haltungsmethode erforderlich. Ebenso müssen Nährwert und Inhaltsstoffe klar ablesbar sein.
l Einführung einer Steuer auf Pflanzenschutzmittel mit dem Ziel, deren Einsatzmengen zu minimieren. Einbeziehung dieser Steuer in die Steuerreform für Arbeit und Umwelt.
l Verbot von Pflanzenschutzmitteln, die als Wirkstoff oder Metabolit im menschlichen Organismus oder im Grundwasser wiederholt nachweisbar waren (z.B. Glyphosat).
l Verbot von sog. „Beizmitteln“, die Zuchtbienen, Wildbienen und andere (bestäubende)
Insekten gefährden.
l Reform der intensiven Landwirtschaft zum Abbau der Bodenvergiftung, der Bodenverdichtung, der Bodenerosion und Überdüngung. Ziel ist der Aufbau von gesundem, nährendem, lebendigem Boden.
l Regelmäßige Überwachung des Bodens und des Grundwassers auf Gifte und Radioaktivität, insbesondere in der Nähe von Mülldeponien und potentiellen Altlasten. Mülldeponien sind so abzusichern, dass es nicht zu einer Umweltgefährdung durch Sickerwasser kommen kann.
1.7.1 Tragfähiges Modell zur Förderung der Landwirtschaft – ein Existenzsicherungsprogramm
Grundsätzlich begrüßt die ÖDP die Produktionsrichtlinien der ökologischen Anbauverbände. Wir wollen jedoch auch bisher konventionell wirtschaftenden Bäuerinnen und Bauern den schrittweisen Einstieg in eine ressourcenschonende, umweltverträgliche Bewirtschaftung ermöglichen. Dazu sind Teilumstellungen, wie z.B. die Grünlandbewirtschaftung ohne Kunstdünger, der Getreideanbau ohne synthetische Pflanzenschutzmittel oder die Milchviehhaltung mit Weidegang, zu fördern. Die Landwirtschaft, als Inbegriff einer ökologischen Kreislaufwirtschaft, funktioniert nicht nach den Gesetzen industrieller Produktion. In der Landwirtschaft haben wir es mit Lebewesen zu tun, die natürlichen Gesetzmäßigkeiten und Grenzen unterliegen. Die Natur lehrt uns, dass es kein unendliches Wachstum gibt. Die jetzige Agrarpolitik orientiert sich aber nicht an den Leitlinien einer umweltverträglichen bäuerlichen Landwirtschaft, sondern an den Forderungen einer ausschließlich auf quantitatives Wachstum fixierten Wirtschaftspolitik. Bisher profitieren von den staatlichen Beihilfen vor allem große Betriebe. Dem setzen wir ein Förderungssystem mit Flächenprämien entgegen, die zwar ebenfalls von den erzeugten Nahrungsmitteln unabhängig sind. In unserem Modell sind die Förderungsprämien jedoch abhängig von der Größe der Betriebe, der Zahl der dort beschäftigten Arbeitskräfte und der Art der Tierhaltung. Die geringere Förderung für größere Flächen und die Höchstgrenzen der Förderung begünstigen kleine und mittlere bäuerliche Familienbetriebe.
Das ÖDP-Konzept:
Im Sinne einer nachhaltigen Landwirtschaft sind folgende Forderungen umzusetzen:
l Begrenzung des Viehbesatzes auf 2,0 Großvieheinheiten pro Hektar. Dadurch wird auch die Nitratbelastung der Böden und des Trinkwassers reduziert.
l Es muss verstärkt auf vielfältigen Fruchtwechsel und extensiven Landbau hingearbeitet werden. Außerdem ist auf eine ausgeglichene Mischung von Viehzucht und Ackerbau zu achten. In Regionen, in denen die (Intensiv-)Tierhaltung aktuell dominiert, ist gezielt auf eine ausgeglichene Mischung hinzuarbeiten.
l Verzicht auf gentechnische Methoden und genmanipulierte Futtermittel. Kein Einsatz genmanipulierter Nutztiere, Pflanzen oder Organismen. Vollständiges Verbot der Hormonbehandlung bei Nutztieren.
l Wirksame Durchsetzung des bestehenden Verbotes, dass Antibiotika im Futter nicht als Leistungsförderer in der Tiermast eingesetzt werden dürfen.
l Die Höhe der Flächenprämie ist nach ökologischen und sozial-gesellschaftlichen Wertkriterien zu ermitteln. Beim Anbau von (nicht gentechnisch veränderten) Eiweißpflanzen ist eine spezielle Förderung anzubieten.
l Für standortbedingt benachteiligte Betriebe (z.B. hoher Anteil schwer zu bewirtschaftender Hanglagen mit entsprechenden Erosionsschutzauflagen) sind separate Ausgleichszahlungen der EU erforderlich. Das bestehende Vergleichszahlensystem ist zu überarbeiten.
1.7.2 Naturnahe Landwirtschaft durch Steuerreform für Arbeit und Umwelt – Landwirte als Energie- und Rohstoffproduzenten
Die von der ÖDP vorgeschlagene Steuerreform für Arbeit und Umwelt hat positive Auswirkungen für eine naturnahe und ökologische Landwirtschaft. Höhere Energiepreise verteuern den Einkauf chemischer Dünge-, Schädlingsbekämpfungs- und Unkrautvernichtungsmittel sowie die energieaufwändige intensive Landwirtschaft. Kleinere landwirtschaftliche Betriebe und dezentrale Vermarktungsstrukturen werden wieder rentabler, weil menschliche Arbeit durch Senkung der Lohnnebenkosten billiger wird. Die ÖDP setzt sich für eine naturverträgliche Biomassenutzung im Rahmen einer nachhaltigen Landwirtschaft ein. Insbesondere die Biogaserzeugung mit gezielt dafür angebautem Mais hat jedoch auch negative Auswirkungen auf Landschaftsbild und Biodiversität. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und in der „Guten Fachlichen Praxis“ der Landwirtschaft müssen verbindliche Fruchtfolgeabstände vorgegeben werden, so dass Mais höchstens alle drei Jahre auf derselben Fläche angebaut und so der „Vermaisung“ der Landschaft Einhalt geboten wird. Der Bonus beim Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen (Nawaro-Bonus) muss abgesenkt werden und soll nur bei einer Fruchtfolge von mindestens vier verschiedenen Feldfrüchten gewährt werden, um die Verwertung von Reststoffen zu erhöhen. Gleichzeitig muss Biogas-Großprojekten, die auf Anbaubiomasse statt auf Reststoffen basieren, ein Riegel vorgeschoben werden. Die Nutzung von Reststoffen muss stärker über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) belohnt werden. Dies gilt auch für den Einsatz von Gülle aus bäuerlichen Betrieben. Gülle aus Massentierhaltungsanlagen muss von der Förderung ausgeschlossen sein. Blockheizkraftwerke für Biomasse und Biogas auf der Basis von nachwachsenden Rohstoffen und Reststoffen sowie Hackschnitzel- und Schwachholzfeuerungen werden aufgrund ihrer Ökobilanz im Vergleich zu fossilen Energieträgern wirtschaftlich. Regional angepasste Blühmischungen und alternative Energiepflanzen wie Schilfgräser oder Durchwachsene Silphie und andere innovative Entwicklungen verdienen besondere Aufmerksamkeit, speziell in züchterischer Bearbeitung und im Saatgutwesen. Dies eröffnet Landwirten zusätzliche Absatzmöglichkeiten im regenerativen Energiebereich. Es fördert zudem Biodiversität (auch in der Begleitflora und im Schutz der heimischen Fauna) und generell die ökologische Stabilität in möglichst naturnah bewirtschafteten Landschaften.
1.7.3 Forstwirtschaft für den Schutz unserer Wälder
Die Helsinki-Resolution von 1993 definiert die nachhaltige Waldwirtschaft umfassend als „die Behandlung und Nutzung von Wäldern auf eine Weise und in einem Ausmaß, das deren biologische Vielfalt, Produktivität, Verjüngungsfähigkeit, Vitalität sowie deren Fähigkeit, die relevanten ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Funktionen gegenwärtig und in der Zukunft auf lokaler, nationaler und globaler Ebene zu erfüllen, gewährleistet, ohne anderen Ökosystemen Schaden zuzufügen.“ Wälder besitzen darüber hinaus ein wichtiges Speicherungspotenzial von Kohlendioxid, sodass auf einen wirksamen Schutz des Klimas ohne Schutz von Wäldern in nationalem wie internationalem Umfang nicht verzichtet werden kann.
Das ÖDP Konzept:
Die Bewirtschaftung und Gestaltung der Wälder ist entsprechend der Definition der Helsinki- Resolution vorzunehmen. Dies umfasst u.a.
l den Verzicht auf Altersklassenwälder, die Anwendung des Dauerwaldprinzips, Einrichtung von Naturwaldzellen.
l Erhalt und Wiederaufforstung von Bergwäldern.
l Ausweitung der naturnahen Waldwirtschaft, u.a. durch Anlegen standortgerechter Mischwälder, ggf. durch entsprechenden Waldumbau.
l Bei der Jagdausübung ist der Grundsatz „Wald vor Wild“ anzuwenden. Das heißt: insbesondere der Schalenwildbestand ist so zu bejagen, dass naturverjüngter Mischwald ohne weitere Schutzmaßnahmen gegen Verbiss aufwachsen kann.
l Keine Personalkürzungen im Forstbereich seitens des Bundes und der Länder.
1.8 Von der Abfallwirtschaft zur Kreislaufwirtschaft
1.8.1 Die Natur kennt keinen Abfall
In der Natur dient alles als Nährstoff für neues Leben. Sie bildet einen Kreislauf, in dem keine Ressourcen verloren gehen. Die Orientierung der wirtschaftlichen Betätigung an dieser Vorgabe ist in den letzten Generationen weitgehend verloren gegangen. Stattdessen wurde das Wachstum des BIP mehr und mehr Ziel aller Wirtschaftspolitik. In einer ehrlichen Gesamtrechnung muss aber die ökologische Stabilität und das soziale Gemeinwohl bewertet werden. Der Erfolg einer Volkswirtschaft muss künftig daran gemessen werden, ob sie sich mit den natürlichen Kreisläufen im Einklang befindet und ob sie sich am sozialen Gemeinwohl ausrichtet. Ein ständiges Wachstum der Mengen und Verbräuche ist weder erstrebenswert noch möglich. Dieser Weg muss schon beim Produktdesign berücksichtigt werden. Das führt zu einer umfassenden Produktqualität und ermöglicht eine nahezu hundertprozentige Rückgewinnung aller Rohstoffe.
Das ÖDP-Konzept:
Auch bei unseren Produkten und Dienstleistungen müssen wir in Kreisläufen denken. Anders als in der Natur brauchen wir aber zwei Kreisläufe, einen biologischen und einen technischen. Denn nicht alles kann kompostiert werden. Deshalb muss alles, was wir gebrauchen (z.B. Autos, Gebäude, Elektrogeräte, Fertigungsanlagen) als technischer Nährstoff in Form von recycelten Rohstoffen wieder zur Verfügung stehen. Alles, was wir verbrauchen (wie Waschmittel, Verpackungsmaterial, Abrieb von Reifen), muss biologisch abbaubar sein - also geeignet für den biologischen Kreislauf. Alles, was wir bislang verbrennen oder deponieren – seien es nun ungiftige oder toxische Substanzen -, muss wieder in die Materialkreisläufe zurückfließen. Das verändert völlig das bisherige Abfall- und Recycling-Konzept.
1.8.2 Abfallverwertung in der Kreislaufwirtschaft
Die Kehrseite der Energie und Rohstoffverschwendung in unserer „Wegwerfgesellschaft“ ist das damit verbundene zunehmende Abfallaufkommen. Noch immer ist es meist billiger, neues Material einzusetzen, als altes wieder zu verwerten, denn die ökologischen Folgekosten dieses „Verbrauchs“ tauchen weiterhin nicht in den Produktkalkulationen und Preisen auf. Wertvolle, in Jahrmillionen entstandene Rohstoff- und Energiereserven werden von wenigen Generationen aufgebraucht. Die dabei entstehenden Schadstoffe verseuchen Wasser, Luft und Boden. Abfallvermeidung und der Einsatz einer konsequent ökologischen Abfallwirtschaft könnten viele Arbeitsplätze schaffen. Trotzdem setzt die Politik weiter auf oftmals ökologisch zweifelhafte Verwertungspraktiken und auf die Müllverbrennung. Ein zu lasches Kreislaufwirtschaftsgesetz lässt dem produzierenden Gewerbe zu viele Freiheiten, seine Abfälle - als Wertstoffe deklariert – zu geringeren ökologischen Standards zu entsorgen oder ins Ausland zu exportieren. Die mit der Müllverbrennung verbundenen Emissionen von Kohlendioxid (CO2) und insbesondere von Ultragiften wie Dioxine und Furane, auch die Entsorgung der verbleibenden giftigen Schlacken und Filterstäube sind nach wie vorproblematisch. Wir streben eine selektive Abfallwirtschaft nach folgenden Grundsätzen an:
l Abfallvermeidung und Wiederverwendung,
l Abfallentgiftung,
l Recycling und sonstige, vorranging stoffliche Abfallverwertung,
l sichere Beseitigung der verbleibenden Restabfälle.
Die konsequente Anwendung dieses Konzepts ermöglicht eine signifikante weitere Verminderung des Restmülls und eine Bevorzugung ökologisch sinnvoller Verwertungsmaßnahmen.
Das ÖDP-Konzept:
l Ausweitung des Mehrweg-Gedankens von den Getränkeflaschen auf andere Bereiche durch Einführung einheitlicher Mehrwegbehältersätze auch für andere Artikel des täglichen Bedarfs.
l Generelle Pfandpflicht für mehrwegfähige Verpackungsarten im Handel.
l Erhöhung der Produktverantwortung durch Ausweitung der Rücknahme- bzw. Pfandpflicht für alle nicht mehrwegfähigen Behälter und für weitere Gebrauchsgegenstände. Rückgabe über Rücknahmesysteme und Geschäfte an Hersteller oder Importeure, die für eine stoffliche Wiederverwertung (keine Verbrennung und kein Export) zu sorgen haben.
l Generelle Kennzeichnungspflicht für alle Materialien zur Verbesserung der Wiederverwertbarkeit. Die Art und Weise der Kennzeichnung ist für komplexe Produkte, die aus mehreren Materialien bestehen und bei Verbundwerkstoffen gesondert festzulegen. Das Trennen der Materialien und Komponenten muss durch konstruktive Maßnahmen erleichtert werden.
l Mehrweggebot für alle mehrwegfähigen Verpackungsarten unter Vorrang von Systemen mit hoher Umlaufzahl. Verpflichtung aller Einkaufsmärkte zum Angebot von Mehrwegsystemen.
l Verbot besonders umweltschädlicher Substanzen, z.B. PVC. Umstellung oder Verbot von Produktionsverfahren, die unverwertbaren Giftmüll erzeugen.
l Ausrichtung der Abfallgesetzgebung nach ökologischen Kriterien.
l „Kalte Behandlung“ des Restmülls in Biologisch-Mechanischen Anlagen (BMA). Diese sind praktisch einsatzreif und haben deutliche wirtschaftliche wie ökologische Vorteile gegenüber der Müllverbrennung und den neueren Schwelbrennanlagen.
l Förderung der Entwicklung und Erprobung von innovativen Methoden in der Abfallwirtschaft, wie z.B. das Kryorecycling (Verfahren zur Stofftrennung mittels Tiefgefrieren) oder die Niedertemperaturverölung (Erzeugung von Dieselkraftstoff aus organischen Reststoffen der Abfallwirtschaft).
l Kein weiterer Bau von Müllverbrennungsanlagen. Die bestehenden Müllverbrennungsanlagen sind laufend mit der besten Filtertechnik entsprechend dem Stand der Technik auszustatten und zu betreiben. Eine hocheffiziente Energienutzung unter Einbeziehung der Kraft-Wärme-Kopplung ist nachhaltig sicherzustellen.
l Keine Mitverbrennung von Abfällen in Industrieöfen, z.B. in Zementwerken, wenn diese nicht mindestens den Umweltstandards von Müllverbrennungsanlagen entsprechen.
l Abfallüberwachung und -kartierung auf deutscher und europäischer Ebene. Verbot von Müllexporten, insbesondere in Entwicklungsländer. Klarere und strengere Abgrenzung der Begrifflichkeiten (Verwertung, Beseitigung) zur Verhinderung der „Billigentsorgung“ durch die Verschiebung von als Wirtschaftsgut getarntem Müll, wie dies z.B. bei Kunststoffen und bei Elektronikschrott der Fall ist.
l Initiative der Bundesregierung zur Überarbeitung der EU-Verpackungsrichtlinie mit dem Ziel, regionale und umweltverträgliche Vermarktung zu fördern.
l Eine rohstoffsparende Abfallwirtschaft wird besonders durch die Steuerreform für Arbeit und Umwelt ermöglicht, weil die steuerliche Belastung für den Verbrauch von Primärenergie und Rohstoffen sowie für die Verursachung von Schadstoffemissionen weitreichende Auswirkungen im Abfallbereich hat.
l Die Wiederverwendung und -verwertung von Materialien wird wirtschaftlicher als ihre Neuanfertigung aus neuen Rohstoffen mit zusätzlichem Energieaufwand. Mehrwegprodukte und -verpackungen werden im Vergleich billiger.
l Technische und wirtschaftliche Innovationen unter ökologischem Vorzeichen werden vorangetrieben (z.B. Kryorecycling, Niedertemperaturverölung).
l Produkte werden wegen ihres höheren Preises eher repariert als weggeworfen; sie werden vom Hersteller entsprechend langlebiger und leichter reparierbar produziert. Dem Vorrang der Wiederverwendung wird damit entsprechend der abfallrechtlichen Hierarchiefolge Geltung verschafft.
l Verpackungsmaterialien werden vom Hersteller vereinheitlicht, gekennzeichnet und auf Wiederverwendung, zumindest aber auf Wiederverwertung ausgelegt.
l Lange Transportwege werden unwirtschaftlich, was zu Änderungen der Wirtschaftsstruktur und damit z.B. auch zur Vermeidung von Transportverpackungsmüll führt.
l Der Verkauf von Gebrauchtwaren und Teilen davon wird interessanter und die bei einer Reihe von Kommunen bereits eingeführten Gebrauchtwarenmärkte weiten sich aus.
1.8.3 Erdölfrei wirtschaften
Die Transformation unserer ganzen Wirtschaftsweise von einem fossilen auf ein postfossiles System ist die menschheitsgeschichtlich einzigartige Herausforderung der gegenwärtigen Zeit. Wir sehen das und machen die Augen nicht zu und geben uns auch nicht der Verdrängung hin. Eine Musterlösung haben wir nicht, aber wir sind mit sehr vielen Menschen und Nichtregierungsorganisation auf der Suche nach gangbaren Wegen. Mehr dazu unter 1.1 und 1.2.
1.9 Tiere sind unsere Mitgeschöpfe
Tiere sind Mitgeschöpfe und keine seelenlosen Waren; daher gibt es keine ethische Rechtfertigung, Tiere einfach zu „verbrauchen“, zu „produzieren“, gentechnisch zu verändern oder zu misshandeln. Der Mensch hat kein Recht, die Arg- und Wehrlosigkeit seiner Mitgeschöpfe auszunutzen.
Das ÖDP-Konzept:
l Tiere haben einen eigenen Rechtsstatus als Lebewesen. Als Konsequenz daraus sind Tierquälerei und Tierdiebstahl als Straftatbestände neu zu fassen und schärfer als bisher zu bestrafen.
l Verbot aller physisch oder psychisch quälerischen und leidvollen Experimente an und mit Tieren.
l Verbot der quälerischen Massentierhaltung. Flächengebundene Nutztierhaltung unter artgemäßen und verhaltensgerechten Bedingungen, d.h. ohne gentechnische Manipulationen zur Steigerung der Leistung oder Veränderung der Arten.
l Wesentlich wirksamere Kontrolle von Tierhaltung, Tierzucht und Tierhandel. Verbot von Qualzüchtungen, der Pelztierzucht, des Handels mit Tieren, die physisch oder psychisch quälerischen und leidvollen Experimenten unterzogen wurden oder werden sollen, sowie artwidriger und qualvoller Veranstaltungen mit Tieren. Verbot der Haltung von Wildtieren im Zirkus.
l Einfuhr- und Handelsverbot für Pelze und Reptilleder sowie für Produkte von Tieren, die unter das „Washingtoner Artenschutzabkommen“ fallen, z.B. Elfenbein, Horn vom Rhinozeros. Europaweites Einfuhr- und Handelsverbot für Produkte, die auf tierquälerische Art und Weise gewonnen werden, wie z.B. Gänsestopfleber, Froschschenkel, Schildkrötenfleisch, Haifischflossen u.a.
l Schlachtviehtransporte nur vom Erzeuger zu einem nahe gelegenen Schlachthof. Kein Transit von Schlachttieren durch die Bundesrepublik.
l Ausnahmsloses Verbot der Schlachtung ohne Betäubung und strengere Kontrollen der Schlachtmethoden in Schlachthöfen und bei Hausschlachtungen.
l Verbot der Intensivhaltung und quälerischen Tötung von zum Verzehr bestimmter Tiere in Geschäften und Gaststätten (z.B. Hummer).
l Verbot tierquälerischer Jagdmethoden, der quälerischen Fallenjagd sowie Verbot von Herstellung, Verkauf und Besitz von entsprechenden Fanggeräten (z.B. „Schwanenhals“).
l Wesentlich bessere finanzielle und materielle Unterstützung von Tierheimen.
l Schärfere Strafverfolgung des Aussetzens von Haustieren als bisher.
l Überall bei Bund, Länder und Kommunen qualifizierte und unabhängige Tierschutzbeauftragte bzw. Tierschutzbeiräte, die über entsprechende rechtlich verbindliche Kompetenzen verfügen, für die Interessenvertretung von Tieren.
l Verbandsklagerecht für die anerkannten Tierschutzverbände in allen Bundesländern und auf Bundesebene.
Die ÖDP zur industriellen Intensiv-Tierhaltung: Viele Fleischprodukte in unserer Gesellschaft, die angeboten werden, kommen aus industrieller Intensiv-Tierhaltung. Deshalb sind sie so billig und deshalb essen die meisten Menschen so viel Fleisch. Hier ist ein Umdenken notwendig. Quälerische Massentierhaltung ist unethisch und sie ist zudem auf vielfältige Weise schädlich und gefährlich:
Industrielle Intensiv-Tierhaltung …
… ist Raubbau an der Natur, weil durch sie Landschaften zerstört und Urwälder unwiederbringlich vernichtet werden.
… ist schädlich für die Umwelt, weil Boden und Grundwasser durch Gülle und Gifte belastet werden.
… ist nachteilig für das Klima, weil ein erheblicher Anteil der von den Menschen verursachten schädlichen Gase (CO2, Methan, Lachgas usw.) Folge der intensiven Tierhaltung in der Landwirtschaft ist.
… ist qualvoll für die Tiere, weil diese in engen Boxen oder Käfigen dahinvegetieren müssen.
… ist gefährlich für unsere Gesundheit, weil wir zu übermäßigem Fleischkonsum verführt werden.
… birgt gesundheitliche Risiken, weil sie Brutstätte für Infektionserreger und Seuchen ist.
…führt zum Missbrauch von Antibiotika und damit zur Entstehung und Ausbreitung resistenter Keime.
Deshalb lehnt die ÖDP Massentierhaltung strikt ab. Sie tritt für eine zukunftsfähige und nachhaltige Nutztierhaltung auf bäuerlichen Betrieben ein und somit gegen Agrarfabriken. Die ÖDP schließt sich den Forderungen des Netzwerks „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ an: Agrarsubventionen müssen strikt an Leistungen für den Tier- und Umweltschutz gekoppelt werden. Die Tierschutzstandards sind anzuheben. Die Tierhaltungsformen müssen auf allen Lebensmitteln gut sichtbar angegeben werden entsprechend dem Vorbild der Eierkennzeichnung. Die regionale Futtermittelerzeugung muss gestärkt und heimische Futtermittel müssen ohne Gentechnik produziert werden. Importierte tierische Lebensmittel, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln erzeugt wurden, sind verbindlich zu kennzeichnen.
1.10 Lebensquell Wasser schützen
Wasser ist das wichtigste Lebensmittel. Auch in Landwirtschaft und Industrie ist es unentbehrlich. Obwohl die Vorkommen an Trinkwasser begrenzt sind und daher äußerst behutsam genutzt werden müssten, bringt der Mensch auch in Deutschland durch groben Leichtsinn diese wichtige Lebensgrundlage in Gefahr:
l Trotz Auflagen und Grenzwerten werden von der Industrie große Mengen an Schadstoffen legal in die Gewässer eingeleitet. Anstatt in Technik zu investieren, die Schadstoffe vermeidet, müssen Schadstoffe mit großem technischem Aufwand aus dem Trinkwasser entfernt werden.
l Von den landwirtschaftlich genutzten Flächen gelangen immer noch zu große Mengen an Gülle und Kunstdünger in die Gewässer, wo sie zu Überdüngung und Sauerstoffmangel führen.
l Statt Gewässer rein zu halten, damit sie auch für die Wasserversorgung genutzt werden können, werden auch in Deutschland Grundwasserreserven angegriffen, die sich erst in Jahrtausenden erneuern. Das führt zur Absenkung der Grundwasserpegel und zu großflächigen ökologischen Schäden.
l Die Begradigung und Kanalisierung der Flüsse erhöht die Hochwassergefahr, da die gleiche Wassermenge ein kleineres Flussbett zur Verfügung hat.
l Auwälder und andere natürliche Überschwemmungsflächen (Retentionsflächen) schützen die Menschen entlang der Flüsse vor Hochwasser. Die ungehemmte Zerstörung der Auwälder sowie die Bebauung von Retentionsflächen mit Wohnsiedlungen und Gewerbegebieten haben die Hochwassergefahr zusätzlich dramatisch erhöht (siehe die regelmäßigen „Jahrhunderthochwasser“ an Rhein, Donau, Mosel, Oder sowie an kleineren Nebenflüssen).
l Vor unseren Küsten drohen Gefahren durch Müllentsorgung im Meer sowie durch Unfälle mit Tankschiffen und Schiffen mit gefährlicher Ladung wie z.B. chemischen Stoffen.
Das ÖDP-Konzept:
l Ein umfassender Gewässerschutz beinhaltet den Schutz des Trinkwassers, des Abwassers, der Flüsse und der Meere vor der Verunreinigung mit Giftstoffen. Daher sind folgende Maßnahmen unabdingbar:
l Sofortige EU-weite Einstellung der Verklappung von Müll (z.B. Dünnsäure, Klärschlamm, Bauschutt) und der Giftmüllverbrennung auf See. Meere sind keine Müllkippen. Die in Nord- und Ostsee versenkte Munition ist zu bergen und fachgerecht zu entsorgen, dies gilt auch für die an Land „gelagerten“ chemischen Waffen.
l Strenge Kontrolle von Schiffen auf meeresverschmutzende Praktiken wie Tankreinigung auf hoher See. Gründung einer EU-Küstenwache, welche den Schutz der gesamten EU-Küste gewährleisten kann.
l Sammlung und Behandlung der Abwässer von Binnenschiffen.
l Einführung weltweiter Normen zum Bau von Tankschiffen zur Vermeidung einer Ölpest.
l Schärfere Schutzbestimmungen für den „Nationalpark Wattenmeer“, d.h. keine großflächigen Eindeichungen, keine Industrieansiedlungen und keine touristischen Großprojekte.
l Minimierung des Schadstoffeintrages in Bäche und Flüsse durch Abbau der intensiven Landwirtschaft (Reduzierung übermäßiger Gülleausbringung), durch ausreichend breite Uferschutzstreifen (mindestens 15 Meter), durch strengere Überwachung und Veröffentlichung des Zustandes der Abwässer aus Industriebetrieben. Weitestgehender Ausstieg aus der Chlorchemie. Produktionsverbot für besonders umweltschädliche Substanzen.
l Verbot der Einführung neuer, das Wasser belastender Stoffe, solange nicht ein Rückhalt in den Kläranlagen gewährleistet ist.
l Beseitigung von Vollzugsdefiziten bei der Anfügung der dritten Reinigungsstufe an Klärwerke zur Rückhaltung von Phosphaten und Nitraten. Vor allem in den neuen Bundesländern Förderung dezentraler und günstiger Alternativkonzepte (z.B. Pflanzenkläranlagen).
l Krankenhäuser und ähnliche Einrichtungen sind mit auf die jeweiligen Schadstoffe ausgelegten Reinigungsstufen auszustatten.
l Ausweisung neuer und großzügiger Wasserschutzgebiete mit strengen Auflagen. Betroffenen Landwirten ist ein Ausgleich für Ertragsminderungen zu zahlen, der über den Wasserpreis finanziert wird. Der Zugriff auf Tiefengrundwasser durch tiefere Brunnen ist möglichst zu verhindern.
l Unverzügliche Einstellung des Torfabstichs in allen Mooren.
l Anlage und Ausbau von Brauchwasser-Kreislaufsystemen und Regenwassersammelanlagen in Betrieben und privaten Haushalten und, wo möglich und sinnvoll, separate Brauchwasser- und Trinkwassernetze.
l Schaffung des gesetzlichen Rahmens für eine stärker verbrauchsbezogene Staffelung der Wasser- und Abwassergebühren. Sparsamer Wasserverbrauch muss sich lohnen.
l Erhalt und Wiederaufbau dezentraler Wasserversorgungssysteme. Fernwasserleitungen nur in Ausnahmefällen. Überprüfung und Sanierung kommunaler Abwasserrohrnetze.
l Sofortige Einstellung der Verpressung von Giftstoffen und Salzen in das Grundwasser.
l Beseitigung von Altlasten auf alten Industriestandorten, Müllkippen der Chemieindustrie, ehemaligen militärischen Liegenschaften oder von Munition aus den Weltkriegen.
l Anreize zur Regenwasserversickerung auf privaten Grundstücken, sodass im Falle eines Hochwassers die Wassermenge, die über Kläranlage und Kanal in die Flüsse eingeleitet wird, reduziert werden kann.
l Rückverlegung von Deichen und Renaturierung von Bächen und Flüssen. Es müssen so wieder Flächen geschaffen werden, die im Falle eines Hochwassers überflutet werden dürfen, z.B. Auwälder.
l Aufforstung und Erhalt von Waldflächen, insbesondere des Bergwaldes. Waldflächen können bei Regen große Wassermengen aufnehmen und verhindern so den Abfluss übermäßig großer Wassermengen ins Tal.
l Keine Staustufen in Saale und Elbe. Auch die Weser ist in ihrem naturnahen Flussverlauf zu erhalten. Daher darf sie für Großmotorschiffe nicht ausgebaut werden.
1.11 Luft zum Atmen
Die Belastung der Luft durch Schadstoffe ist für das Waldsterben verantwortlich und bewirkt zahlreiche Krankheiten bei Mensch und Tier. Hauptverantwortlich für die Luftverschmutzung bis hin zum Sommer- und Wintersmog sind der Kraftfahrzeug- und Flugverkehr, Industrieanlagen, Kraftwerke, Müllverbrennungs- und private Kleinfeuerungsanlagen.
Das ÖDP-Konzept:
l Kraftfahrzeug- und Flugverkehr müssen reduziert und auf weniger belastende Verkehrsträger verlagert werden.
l Regionale Fahrverbote bei einer Ozonkonzentration von 120 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft für alle brennstoffgetriebenen Kraftfahrzeuge (außer ÖPNV und Versorgungsfahrzeuge). Schadstoffmessungen an Luftmessstationen auch in Bodennähe.
l Die Luftbelastung durch Schadstoffe aus Kraftwerken und Industriebetrieben ist entsprechend dem Stand der Technik kontinuierlich zur reduzieren. Dazu müssen die Genehmigungsbehörden die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten besser nutzen.
l Bei der Genehmigung neuer Anlagen ist nicht nur die Einhaltung von Abgasgrenzwerten der neuen Anlage zu beachten, sondern auch die regionale Gesamtbelastung mit Luftschadstoffen. Die hierfür erforderlichen Gutachten müssen, auf Kosten des Antragstellers, von der Genehmigungsbehörde selbst erstellt werden, nicht vom Antragsteller.
l Strengere Grenzwerte für private Kleinfeuerungsanlagen; stärkere Nutzung der Fernwärme, der Kraft-Wärme-Kopplung und regenerativer Energiequellen.
l Die flammenlose Verbrennung und Stromerzeugung mittels Brennstoffzellen ist zur Serienreife zu entwickeln. Der Einsatz dieser Technik muss finanziell gefördert werden.
l Strengere Grenzwerte zum Schutz der Menschen vor Wohngiften, z.B. aus Baustoffen, Bodenbelägen, Holzschutzmitteln etc.; Aufklärungskampagnen zum Schutz vor dem Zwangsmitrauchen, insbesondere von Kindern.
1.12 Boden schützen – Flächenverbrauch stoppen
Der fruchtbare Boden ist die Lebensgrundlage aller landgebundenen Lebewesen dieser Erde. Es braucht unter ungestörten Bedingungen 100 Jahre um 1 mm Boden entstehen zu lassen. Der weltweit praktizierte Umgang mit dieser Lebensgrundlage ignoriert aber seine Bedeutung: Bodenerosion durch Wind und Wasser, Versiegelung immer neuer Flächen und die Vergiftung von Flächen durch unsere Wirtschaftstätigkeit reduzieren Tag für Tag unsere fruchtbaren Böden. Diese Entwicklung muss dringend gestoppt werden. Fruchtbarer Boden ist ein sensibles Gut, dass sich nicht vermehren lässt und bei Schädigung wenn überhaupt nur sehr langsam wiederhergestellt werden kann. Es ist ein Umdenken bei unserer Bodennutzung als land- und forstwirtschaftliche Produktionsstätte, als Rohstofflager, als Standort für Industrie- und Gewerbebetriebe aber auch bei der Nutzung für Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie zur Müllentsorgung erforderlich. Die Funktion als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte ist aufzuwerten und besser zu schützen.
Das ÖDP-Konzept:
Zentrales Instrument um den ausufernden Flächenbedarf zu bremsen bzw. zu steuern ist die Einführung von handelbaren Flächenzertifikaten. Die Ausweisung neuer Baugebiete und die Errichtung zusätzlicher Verkehrsinfrastruktur sowie die Errichtung neuer Deponien wird zukünftig an den Rückbau von Altbebauung bzw. die Aufhebung von Bauflächenausweisungen gekoppelt. Werden neue Flächen überbaut muss an anderer Stelle für Ausgleich gesorgt werden. Wer an Flächen, die baulich genutzt oder für eine solche Nutzung in den Flächennutzungsplänen vorgesehen sind, rechtswirksam diese Nutzungsmöglichkeit aufgibt, erhält dafür entsprechend der Fläche handelbare Zertifikate. In jedem Bundesland sollen Handelsbörsen für diese Flächenzertifikate eingerichtet werden, um den Vorhabensträgern von Neubauprojekten auf der grünen Wiese die Möglichkeit zu geben den entsprechenden Ausgleich für den verursachten Flächenverbrauch nachzuweisen. Böden mit hoher Ertragskraft sollen bei Neuplanungen zunächst mit erhöhten Transaktionsgebühren belastet werden und mittelfristig nicht mehr zur Ausweisung von Baugebieten zur Verfügung stehen. Die Gebührenüberschüsse der Handelsbörse sollen Projekten zur Altlastensanierung und zur Renaturierung von überschwemmungsgefährdeten Flächen zufließen. Voraussetzung für den Erwerb von Flächenzertifikaten durch Kommunen soll die Aufstellung eines Innenentwicklungsplanes sein, der die Notwendigkeit zur Ortsentwicklung im Außenbereich nachweisen muss. Die Gewerbesteuer, die Ursache dafür ist, dass Gemeinden möglichst viele Gewerbegebiete ausweisen, wird abgeschafft und durch eine geeignete Form der Kommunalfinanzierung ersetzt. Zusätzlich fordern wir zum Schutz unserer Böden:
l Reduzierung der Gülleausbringung in der Landwirtschaft
l Einbeziehung der ausgebrachten Biogassubstrate in die Düngebedarfsrechnung
l Bindung der Agrarförderung an Auflagen zum Bodenschutz
l Schneller Ausstieg aus der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung
l Strengere Zulassungsbestimmungen für potentiell umweltgefährdende Chemikalien
l Förderung der Erforschung und Markteinführung von umweltfreundlicheren Ersatzstoffen
1.13 Forschen und Entwickeln für Mensch und Natur
Forschung und Technik sind immer noch hauptsächlich daran orientiert, vereint mit der Wirtschaft deren harten Weg des „Immer mehr, immer höher, schneller und weiter“ zu verfolgen. Nahezu alle unsere Kräfte sind darauf konzentriert, Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Konsum zu mehren. Dabei wird die Umsetzung der Resultate von Forschungsarbeiten immer komplizierter und weniger beherrschbar. Menschliches Versagen darf nicht mehr vorkommen und kann doch nicht ausgeschlossen werden. Manche Technologien haben einen Stand erreicht, auf dem jede Weiterentwicklung eine Bedrohung für die Menschheit darstellt. Neben dieser einseitigen technologischen und an Wirtschaftsinteressen orientierten Forschung gibt es zu wenige Forschungsansätze zur Untersuchung der Auswirkungen staatlicher und nichtstaatlicher Maßnahmen auf die Lebensbedingungen von Mensch und Natur. So werden z.B. die von der Sozialgesetzgebung ausgehenden Umverteilungswirkungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen kaum untersucht, obwohl hiervon die soziale Stabilität der Zukunft abhängt. In der Forschung und Ausbildung dürfen die Anstrengungen nicht länger einseitig auf großindustrielle Produktion und Technologieentwicklung ausgerichtet sein. Weit mehr Forschung als bisher ist nötig, um die aufgetretenen ökologischen und sozialen Probleme zu lösen und eine umwelt- und sozialverträgliche wie arbeitsplatzschaffende Wirtschaftsweise aufzubauen. Die Folgenabschätzung von Technologie und staatlicher Gesetzgebung muss fester Bestandteil der Forschung und verstärkt gesetzlich verankert werden. Im Bereich der Technik gibt es zwei große Problemfelder, die zu lösen sind:
l Die Atomtechnologie belastet die Erde über Jahrtausende mit Radioaktivität. Nach der West-Ost-Entspannung ist die von der Existenz der Atomwaffen ausgehende Gefahr noch lange nicht gebannt. In Form der sogenannten „friedlichen Nutzung“ verseucht die Atomenergie unsere Umwelt immer mehr, bedroht uns mit Reaktorunfällen und unsere Nachkommen auf Jahrtausende mit Atommüll. Die sichere Endlagerung von Atommüll ist weltweit nach wie vor ungelöst.
l Die Gentechnologie beschwört mit ihrer Möglichkeit, direkt an der Wurzel des Lebens, dem Erbgut, zu manipulieren, eine Vielzahl von Problemen herauf. Durch die Freisetzung genmanipulierter Organismen und deren nur schwer kontrollierbare Wechselwirkungen mit der Natur können enorme Gefahren entstehen. Die Gentechnik kann genmanipulierte Kampforganismen und den „gläsernen Menschen“ zur Folge haben. Andererseits entwickelt die Gentechnik neue Arzneimittel und Therapiemöglichkeiten.
Unsere technische Intelligenz und Kreativität muss umgelenkt werden, hin zu Lösungen, die nicht mehr der Zerstörung, sondern weit mehr als bisher der Rettung unserer Lebensgrundlagen dienen. Überlebensforschung und Überlebenstechnik sind die Aufgaben der Zukunft. Zahlreiche grundlegende Gebiete im ökologischen Bereich sind noch weitgehend unerforscht. Die Einführung jeder neuen Technologie muss im Notfall umkehrbar und gegenüber unseren Nachkommen ethisch verantwortbar sein. Auch im Bereich Forschung und Entwicklung wird die Steuerreform für Arbeit und Umwelt dabei deutliche Auswirkungen haben, weil alle am Markt beteiligten Kräfte aufgrund der geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen viel stärker daran interessiert sein werden, Grundlagen und Verfahren zur Einsparung von Energie und Rohstoffen sowie zur Vermeidung schädlicher Emissionen zu entwickeln.
Das ÖDP-Konzept:
l Intensivierte Förderung ökologisch orientierter Wissenschaftsbereiche und angepasster wie umweltfreundlicher Technologien durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie, insbesondere für mittelständische Unternehmen. Keine Subventionen mehr für risikoreiche und teure Großtechnologien.
l Förderung der interdisziplinären Forschung und Lehre; mehr Allgemeinwissen und ökologische Ausrichtung der Wissensinhalte an den Universitäten.
l Beschränkung der Forschung zur Atomenergie auf den Ausstieg (neue Energiequellen) und die Entsorgung von Atommüll.
l Striktes Verbot der Forschung an Embryonen und der genetischen Veränderung der menschlichen Keimbahn aus grundsätzlichen ethischen Überlegungen. Ebenso ist die Erstellung von personenbezogenen Gen-Datenbanken zu unterbinden, da die Gefahren des Missbrauchs den möglichen Nutzen bei weitem übersteigen (vgl. 3.1).
l Verfassungsrechtliches Verbot des Klonens von Menschen und menschlichen Embryonen.
l Einsatz der Gentechnik in der Medizin bei der Produktion von Pharmazeutika und zum Ersatz von belastenden Behandlungsmethoden unter strengen Sicherheitsauflagen (eine Minderheit in der ÖDP lehnt die Gentechnologie und jede Forschung daran aus grundsätzlichen ethischen Bedenken vollständig ab).
l Keine Akzeptanz der Freisetzung gentechnisch manipulierter Lebewesen, weil die damit verbundenen Risiken für die Ökosysteme nicht abschätzbar sind. Gentechnisch veränderte Organismen dürfen auch zu Forschungszwecken nicht freigesetzt werden.
l Ablehnung der Patentierung von Lebewesen und der Veränderungen an Tieren, Pflanzen sowie von Genen.
l Förderung soziologischer Forschung zu den Umverteilungswirkungen staatlicher Gesetzgebung zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen.
l Verfassungsmäßiger Schutz vor den Folgen und Auswirkungen neuer Technologien, da sie gewaltige Ausmaße annehmen können. Dieser ist, ebenso wie der besondere Schutz der Natur, im Grundgesetz und in einer Verfassung der Europäischen Union zu verankern. Die „Freiheit von Forschung und Lehre“ muss dort ihre Grenzen finden, wo neue technische Entwicklungen Existenz und Grundrechte von Mensch oder Natur bedrohen.
l Sorge des Staates für die Unabhängigkeit von Lehre und Forschung an öffentlichen Einrichtungen, wie Universitäten, durch den Staat.
2. Leistungsgerechtes und nachhaltiges Sozialsystem
Ein gerecht organisiertes und stabiles Sozialsystem setzt Leistungsgerechtigkeit, Nachhaltigkeit und sozialen Ausgleich voraus. Weil diese Grundsätze jahrzehntelang missachtet wurden, beginnen nun die gesetzlichen Sicherungssysteme für Jugend, Alter und Krankheit zu versagen. Hierfür sind alle Parteien mitverantwortlich, die seit den 1950er Jahren Regierungsverantwortung getragen haben. Sie können bis heute keine schlüssigen Lösungen vorweisen.
2.1 Familien- und Rentenpolitik – Sorge für Kindheit, Jugend und Alter
Ein Umlageverfahren bei der Alterssicherung ist nur in gleichem Umfang zu rechtfertigen, wie es ein Umlageverfahren zugunsten der Kindererziehung gibt. Von allen im Bundestag vertretenen Parteien wird der Eindruck erweckt, unsere Gesetzliche Rentenversicherung beruhe auf einem „Generationenvertrag“. Das ist falsch. Durch den fortwährenden irreführenden Missbrauch dieses Begriffs wird die Sicht auf die grundlegenden Konstruktionsfehler unseres Alterssicherungssystems verstellt. Der Begriff „Generationenvertrag“ geht zurück auf Wilfrid Schreiber, der 1955 ein Konzept eines sozialen Sicherungssystems für Jugend und Alter entwarf, das jedoch nicht verwirklicht wurde. Er verwendete dafür die Formulierung „Solidarvertrag zwischen den Generationen“. Sein Vorbild war die herkömmliche Familie: Eltern sorgen für die Kinder und werden als Gegenleistung im Alter wieder von ihnen versorgt. Wer damals keine Kinder hatte, musste die gesparten Kinderkosten für die eigene Alterssicherung aufwenden, wenn er wie die Eltern vergleichbar gesichert sein wollte. Nach den Plänen Schreibers sollten aber Kinderlose in den Vertrag zwischen den Generationen einbezogen werden, indem sie zusammen mit den Eltern über eine „Kindheits- und Jugendrente“ die Kindererziehung finanzieren und damit ebenfalls einen Anspruch auf Altersrente gegenüber den Kindern erwerben sollten wie die Eltern. In Wirklichkeit wurde mit der Rentenreform 1957 der Rentenanspruch ausschließlich an Erwerbs- arbeit gebunden. Die Voraussetzungen für die Auszahlung von Renten werden aber nach wie vor allein durch das Großziehen einer Nachwuchsgeneration geschaffen. Damit wurde den Eltern der Gegenwert für die Kindererziehung entzogen. Das kommt einer schleichenden Enteignung der Eltern gleich. Die als Gegenleistung für die dynamische Altersrente vorgesehene dynamische „Kindheits- und Jugendrente“ wurde nicht verwirklicht. Diese Enteignung der Eltern durch die Rentenreform 1957 und Folgegesetze hat die wirtschaftliche Grundlage der Institution Familie zerstört und verursachte eine relative Verarmung der Eltern mit mehreren Kindern gegenüber der restlichen Gesellschaft. Die Folge ist, dass der Wunsch nach Kindern und nach Familie immer mehr in den Hintergrund tritt. Es entwickelte sich schrittweise eine familienfeindliche Gesellschaft, die nur durch Erwerbsarbeit persönlichen Erfolg möglich macht, während die Kindererziehung zu einer Arbeit ohne wirtschaftliche Gegenleistung abgewertet wurde, was die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Familien untergraben hat. Damit wird auch dem Anliegen der Gleichberechtigung der Geschlechter kein guter Dienst erwiesen. Das im Patriarchat wurzelnde Denken, nach dem die männlich geprägte Erwerbsarbeit höherwertiger sei als die weiblich geprägte Erziehungsarbeit, wird zur nicht weniger patriarchalischen Vorstellung, dass Gleichberechtigung nur durch gleiche Beteiligung am Erwerbsleben zu erreichen sei. Die Geringschätzung der Erziehungsarbeit bleibt dabei unverändert, bzw. wird sogar verfestigt. Eine tatsächliche Gleichberechtigung der Geschlechter wird erst möglich, wenn herkömmliche Erwerbsarbeit und familiäre Erziehungsarbeit als gleichwertig betrachtet und entsprechend honoriert werden. Das bietet dann auch die besten Voraussetzungen für eine partnerschaftliche, einvernehmliche Aufteilung der beiden Arbeitsbereiche in der Partnerschaft. Vor diesem Hintergrund sind die üblichen Lippenbekenntnisse zur Familie wertlos und unglaubwürdig, solange sie nicht die durch den Gesetzgeber erzwungene Abwertung der elterlichen Erziehungsleistung in den Fokus stellen. Die Lebensfähigkeit der Familie kann nur dann wiederhergestellt werden, wenn die Erziehungsleistung der Eltern auch in wirtschaftlicher Hinsicht den Eltern wieder zugute kommt, wie es vor dem Eingriff des Gesetzgebers grundsätzlich der Fall war. Angesichts der Vergesellschaftung der gesetzlichen Altersversorgung kann das am besten durch die Zahlung eines Erziehungsgehalts geschehen. Die erforderliche Umformung unseres Sozialsystems kann mit Hilfe eines Stichtags geschehen, ab dem alle Bürger nur noch zusätzliche Ansprüche nach dem neuen leistungsgerechten System erwerben, wobei die bisherigen Ansprüche nach altem Recht nicht erlöschen. Da bei einer solchen Stichtagsregelung der gesamte Umstellungsprozess ca. 40 Jahre dauert, sollten zusätzlich grobe Mängel im alten System schon früher behoben werden.
Das ÖDP-Konzept:
Solange die gesetzlichen Renten auf dem Umlageverfahren beruhen, d.h. die Renten einer Generation von den Kindern dieser Generation bezahlt werden, muss es ein gleichwertiges Umlageverfahren zur Bestreitung der Kinderkosten geben. Die Umlageverfahren für Kinder und Rentner sind gleichwertige und sich gegenseitig bedingende Teile des Generationenvertrages.
Kinder- und Jugendsicherung
l Einführung einer Grundsicherung für alle Kinder und Jugendlichen bei Wegfall des bisherigen Systems aus Kindergeld, Kinderfreibeträgen und ALG II-Leistungen für Kinder.
l Gewährung eines Erziehungsgehalts (EZG) für die ersten drei Lebensjahre eines Kindes in Höhe der bisherigen staatlichen Subventionierung eines Krippenplatzes, um Gleichberechtigung unter den Eltern zu erreichen. Dies ist als erster Schritt zu verstehen, um der Leistung gerecht zu werden, die Eltern heute für die Gesamtgesellschaft erbringen. Das Erziehungsgehalt ist Entgelt für Kindererziehung und keine Lohnersatzleistung. Die Inanspruchnahme eines Krippenplatzes ist von den Eltern aus dem EZG zu bezahlen.
l Wahl- und Entscheidungsfreiheit für Eltern, ob sie ihre Kinder selbst betreuen oder das Geld zur Finanzierung einer Fremdbetreuung ihrer Wahl verwenden wollen. Erst wenn die Eltern über das für die Kindererziehung vorgesehene Geld selbst verfügen können, entsteht die tatsächliche Wahlfreiheit, ihre Kinder nach eigenen Vorstellungen zu erziehen, wie es das Grundgesetz fordert. Die Qualität der elterlichen Kindererziehung wird dann erhöht, weil Geld- und Zeitmangel entfallen oder gemindert werden. Auch die Qualität von Kinderkrippen wird sich erhöhen, wenn Eltern selbst als Auftraggeber darauf Einfluss nehmen können.
l Im Gegenzug Wegfall des Elterngeldes und der staatlichen Krippenfinanzierung sowie von Hartz IV-Leistungen, sofern diese durch die Betreuung von Kleinkindern bedingt sind.
l Besteuerung des Erziehungsgehalts wie bei anderen Erwerbseinkommen auch. Familien mit geringem sonstigen Einkommen werden dadurch stärker entlastet.
l Entrichtung von Beiträgen für Kranken- und Pflegeversicherung. Beiträge zur Rentenversicherung sind nicht erforderlich, weil Kindererziehung selbst Beitrag ist und den Rentenanspruch erhöht (siehe unten).
l Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, sodass nach der Erziehungsphase bei Arbeitslosigkeit keine Benachteiligung entsteht.
l Angebot von Fortbildung während der Erziehungsphase (z.B. zur Kinderbetreuung, im bisherigen Beruf, Sprachförderung bei Migranten).
l ÖffentlicheFörderungvonKindergärten,derenBesuchabdem4.Lebensjahraus
pädagogischen Gründen allgemein zu befürworten ist.
l Wegfall oder Minderung des Erziehungsgehalts, wenn der Staat im Rahmen seiner
„Wächterfunktion“ nach Art. 6, Absatz 2, Satz 2 Grundgesetz wegen der Gefährdung des Kindeswohls die Betreuung und Erziehung eines Kindes ganz oder teilweise übernehmen oder organisieren muss.
Alterssicherung
l Reduzierung der bisherigen Ansprüche aus Erwerbsarbeit zugunsten einer kinderzahl- bezogenen Zusatzrente für Eltern durch Erweiterung der heutigen Erziehungsjahre, um die bestehende Benachteiligung der Eltern beim Rentenanspruch abzubauen.
l Eine verpflichtende Zusatzrente für Kinderlose und Eltern mit einem Kind auf Kapitalbasis, die während des Erwerbslebens durch die gesparten Kinderkosten finanziert wird.
l Beiträge zur Kapitalversicherung, solange Erwerbstätige keine Kinder haben und Unterbrechung der Zahlungen bei Geburt eines ersten Kindes, solange das Kind von den Eltern unterhalten wird.
l Auszahlung der angesparten Kapitalbeiträge bei Geburt eines zweiten Kindes, da die Alterssicherung auch ohne Kapitalrente gesichert ist. Auf diese Weise verfügen Eltern dann über mehr Geld, wenn sie es benötigen.
l Auszahlung von Rentenansprüchen, die sich aufgrund eines dritten oder weiteren Kindes ergeben, bereits zur Zeit der Kindererziehung, weil sie zur Alterssicherung nicht mehr erforderlich sind. Auf diese Weise können kinderreiche Eltern deutlich entlastet werden.
Grundsätzliches
l Einbeziehung aller Bevölkerungsgruppen in die gesetzliche Jugend- und Alterssicherung auf der Grundlage des Umlageverfahrens (gesellschaftlicher Generationenvertrag). Eine getrennte Alterssicherung von Arbeitnehmern, Freiberuflern, Selbständigen und Beamten ist nicht systemgerecht, weil Eltern und Kinder oft nicht zur gleichen Berufsgruppe gehören.
l Gestaltung des Gesamtsystems aus Kinder-, Jugend- und Alterssicherung in einer Weise, dass das Armutsrisiko weder durch Kinder noch durch Kinderlosigkeit erhöht wird. Ebenso sollen weder Kinder noch Kinderlosigkeit zu wirtschaftlichen Vorteilen auf Kosten anderer führen.
2.2 Leistungsgerechtigkeit gegenüber künftigen Generationen- Nachhaltigkeit in der Sozialpolitik
Keine Generation darf insgesamt im Alter von der nachfolgenden Generation mehr zurückfordern, als sie selbst für deren Erziehung geleistet hat. Das Prinzip Nachhaltigkeit ist ähnlich wie im ökologischen Bereich auch im Sozialsystem zu beachten. Wenn aufgrund eines Geburtenrückgangs die nachfolgende Generation auf zwei Drittel der vorangegangenen sinkt, wie es gegenwärtig in Deutschland der Fall ist, dann darf von der zahlenmäßig kleineren nachfolgenden Generation auch nur die Übernahme von etwa zwei Dritteln der Altersversorgung für die vorangegangene Generation gefordert werden. Das restliche Drittel ist mit Hilfe der gesparten Kinderkosten über Kapitalbildung von der vorangegangenen Generation selbst direkt zu finanzieren. Erfolgt hier keine Änderung, muss das nicht nur die Familien, sondern die gesamte nachfolgende Generation überfordern. Dann wird neben der Familienarmut auch Altersarmut und Armut wegen Krankheit wieder häufiger werden, wie sich das heute bereits abzeichnet. Die auf breiter Front ansteigenden sozialen Probleme werden auch das Bewusstsein für die großen ökologischen Gefahren wieder verdrängen, sodass selbst die bereits erreichten ökologischen Standards in Gefahr geraten. Der 2005 im Rentenrecht eingeführte „Nachhaltigkeitsfaktor“ wird seinem Namen nicht gerecht. Er führt mittelfristig zu einer drastischen Senkung der Renten. Er ist kein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit, da er an den Konstruktionsfehlern unseres Rentenrechts nichts ändert, sondern lediglich die Renten kürzt.
Das ÖDP-Konzept:
l Die durch den Geburtenrückgang eingesparten Kinderkosten sind für die Alterssicherung anzulegen, sodass die zahlenmäßig kleinere nachfolgende Generation durch die Versorgung der Alten nicht stärker belastet wird, als es ohne Geburtenrückgang der Fall wäre.
l Das erforderliche Kapital ist von denen aufzubringen, die Kinderkosten sparen. Das hängt davon ab, wie die Kinderkosten finanziert werden.
l Im Falle eines vollständigen Kinderkostenausgleichs ist die erforderliche Kapitalbildung von Eltern und Kinderlosen in gleichem Umfang zu leisten.
l Im Falle eines fehlenden Kinderkostenausgleichs ist die Kapitalbildung allein von den Kinderlosen aufzubringen (z. T. auch von Eltern mit einem Kind).
l Bei Verwirklichung des in Kapitel 2.1 vorgeschlagenen ÖDP-Konzepts (hälftiger Kinder- und hälftiger Rentenkostenausgleich) ist das Kapital überwiegend von den Kinderlosen zu bilden. Eltern sind aber in dem Umfang zu beteiligen, in dem sie durch den Kinderkostenausgleich entlastet werden.
Zielvorstellung ist in jedem Fall eine ausgeglichene Bilanz zwischen zwei aufeinanderfolgenden Generationen. Das gesamte soziale Sicherungssystem hat dem Ausgleich individueller Risiken zu dienen, aber eine Umverteilung zu Lasten der jeweils nachfolgenden Generation zu vermeiden.
2.3 Solidarität mit Kranken und Pflegebedürftigen
Die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung hat die Elemente Versicherung, sozialer Ausgleich und Generationengerechtigkeit zu verbinden. Das System der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gilt für etwa 90 % der Bevölkerung. Die Ansprüche im Krankheits- und Pflegefall sind dabei für alle Mitglieder gleich. Die Beiträge hingegen steigen linear mit dem Einkommen als einheitlicher Prozentsatz bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Für Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze, die seit 2003 deutlich über der Beitragsbemessungsgrenze liegt, besteht keine Versicherungspflicht. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die Soziale Pflegeversicherung (SPV) enthalten drei sich überlagernde Elemente. Es handelt sich einmal um eine Versicherung herkömmlicher Art (einer für alle, alle für einen), zum zweiten um ein System sozialen Ausgleichs (Bezieher höherer Einkommen tragen die Krankheitskosten von Beziehern niedriger Einkommen mit) und zum dritten um ein Umlageverfahren (Erwerbstätige zahlen für Kinder und Rentner). Alle drei Elemente sind vom Gesetzgeber gewollt und nach unserer Auffassung grundsätzlich auch zu rechtfertigen. Das Prinzip des sozialen Ausgleichs wird aber nur unvollkommen erfüllt. Es wird in zweifacher Hinsicht verletzt. Einmal erfolgt der Ausgleich nur zwischen mittleren und unteren Einkommen, da hohe Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze liegen. Zum anderen wird bei der Beitragsbemessung nicht berücksichtigt, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch davon abhängt, ob und wie viele Kinder zu unterhalten sind. Die daraus resultierende Benachteiligung von Eltern wurde 2001 vom Bundesverfassungsgericht für die Pflegeversicherung als verfassungswidrig gekennzeichnet und für die Krankenversicherung eine Überprüfung angemahnt. Eine Korrektur bei der Pflegeversicherung erfolgte nur ansatzweise. Der Prüfauftrag für die Krankenversicherung wurde bis heute nicht sachgerecht erfüllt. Besonderer Beachtung bedarf das Umlageverfahren innerhalb der GKV, da dieser Anteil hauptverantwortlich für deren gegenwärtige und vor allem die künftig zu erwartenden Finanzierungsschwierigkeiten ist. Zwar werden Kinder und Rentner formal gleich behandelt, d. h. deren Krankheitskosten werden von den Beiträgen der Erwerbstätigen mitgetragen. Allerdings betragen die durchschnittlichen Krankheitskosten im Alter etwa das 5-fache gegenüber den Krankheitskosten im Kindesalter. So ergibt sich auch für die gesetzliche Krankenversicherung (wie für die Renten- und Pflegeversicherung) aufgrund des Geburtenrückgangs eine Deckungslücke. Immer weniger Erwerbstätige können nicht für den gesamten Krankheitskostenbedarf von immer mehr Rentnerinnen und Rentnern aufkommen. Kostendeckende Krankenkassenbeiträge im Rentenalter sind aber nicht zumutbar. Als Ausweg bietet sich eine Lösung an, wie sie von den privaten Krankenversicherungen praktiziert wird. Dort werden die höheren Krankheitskosten im Alter durch Rücklagen finanziert, die bereits in jüngeren Lebensjahren gebildet wurden. Ähnliche Rücklagen sollten auch in der gesetzlichen Krankenversicherung von Versicherten ohne Kinder (und in geringerem Umfang auch von Versicherten mit einem Kind) verlangt und angespart werden. Das entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das für die Pflegeversicherung bereits eine solche Lösung empfohlen hat. Der ab 2009 eingeführte Gesundheitsfonds dient zwar dem Risikoausgleich zwischen den Krankenkassen. Er löst aber nicht die Kernprobleme der Gesetzlichen Krankenversicherung. Er leistet keinen Beitrag zu einem besseren sozialen Ausgleich, da er hohe Einkommen weiter nicht einbezieht und die Einschränkung der finanziellen Leistungsfähigkeit durch Kinder weiterhin nicht berücksichtigt. Er zeigt auch keinen Weg, wie die infolge des Geburtenrückgangs in Zukunft noch zunehmende Deckungslücke für die hohen Krankheitskosten im Alter geschlossen werden kann. Damit ist der Gesundheitsfonds einschließlich der 2015 eingeführten flexiblen Beiträge der Kassen kein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit bei der GKV.
Das ÖDP-Konzept:
l Die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung ist auf alle Einkommensbezieher auszudehnen (Beamte, Freiberufler, Unternehmer u. a.). Die Krankenkassenbeiträge sind als einheitlicher Prozentsatz des Einkommens zu erheben.
l Es sind alle Einkommensarten einzubeziehen (z.B. auch Miet- und Kapitaleinkünfte).
l Die gesetzlichen Krankenkassen werden in der Anzahl stark reduziert. Das erspart erhebliche Verwaltungskosten. Die verwaltungsaufwändigen, immer wieder anzupassenden Ausgleichszahlungen zwischen den Kassen wegen unterschiedlicher Mitgliederstruktur (Alter, Einkommen, Gesundheitszustand) werden dann vermindert. Auch Werbeetats der Kassen werden geringer.
l Versicherungspflichtgrenze und Beitragsbemessungsgrenze der Gesetzlichen Krankenversicherung werden aufgehoben, so dass auch Besserverdienende pflichtversichert sind. Private Zusatzversicherungen für Sonderleistungen (z.B. Einbettzimmer, medizinische Leistungen außerhalb der Regelversorgung) bleiben möglich. Die Altersrückstellungen der privaten Krankenversicherungen bleiben den Versicherten erhalten.
Wahlfreiheit für die Art der Pflege alter Menschen
l Weder die Gewährung noch die Höhe von Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung sind von der Art der Betreuung (häusliche Betreuung oder Heimunterbringung) abhängig zu machen. Maßstab für Leistungen darf nur das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit sein.
l Die Einflussnahme des Staates hat sich auf die Verhinderung von Missständen zu beschränken (z.B. Ahndung von Misshandlung und Vernachlässigung von Pflegebedürftigen in Familien oder Betreuungseinrichtungen, Vermeidung der Verwahrlosung allein stehender alter Menschen, Heimaufsicht). Dabei ist neben den körperlichen Fähigkeiten insbesondere auch die geistige und seelische Beeinträchtigung zu berücksichtigen.
l Die Ansprüche für den Krankheits- und Pflegefall bleiben für alle Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherung gleich, wie das auch heute für die Pflichtversicherten gilt.
l Die sich aufgrund des Geburtenrückgangs ergebende Deckungslücke für die Krankheitskosten im Alter ist durch anzusparende Kapitalbeiträge zu schließen. Sie sind zumindest teilweise von den Beitragszahlern ohne Kinder (zum geringeren Teil auch von Eltern mit einem Kind) als Bestandteil der eigenen Alterssicherung über die Bildung eines Kapitalstocks aufzubringen, um die nachfolgende Generation zu entlasten. Ihre Finanzierung ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen der fehlenden (bzw. geringeren) Kinderkosten zumutbar.
l Solange es keine Grundsicherung für Kinder gibt (vergl. Kap. 2.1), ist das Existenzminimum der Kinder von der Belastung durch Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung freizustellen. Der heutige Sonderbeitrag für Kinderlose in der Sozialen Pflegeversicherung kann dann entfallen.
2.4 Integration von Jung und Alt
Gerade in Zeiten des demografischen Wandels darf sich die Sorge für Jung und Alt nicht in deren wirtschaftlicher Absicherung erschöpfen. Genauso wie eine Umweltverträglichkeitsprüfung für alle politischen Vorhaben zu fordern ist, muss in allen Bereichen bei politischen Entscheidungen auch die Verträglichkeit von Vorhaben in Hinblick auf die Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und Senioren berücksichtigt werden. Von großer Bedeutung für die Zukunft unserer Gesellschaft sind ein verständnisvoller Umgang der Generationen untereinander und eine Atmosphäre gegenseitiger Wertschätzung. Deshalb sollen sie sich nicht in der Familie, sondern auch in der Arbeit und Freizeit begegnen, um soweit vorhanden unterschiedliche Einstellungen kennen zu lernen und das Miteinanderleben erfolgreich und zum Wohle aller zu meistern.
Das ÖDP-Konzept:
l Politik für Kinder, Jugend und Senioren ist als Querschnittsaufgabe zu verstehen, d.h. in allen politischen Bereichen sind die jeweiligen Bedürfnisse besonders zu berücksichtigen.
l z.B. sind in Wohngebieten genügend Aufenthalt-, Spiel- und Ruhezonen vorzuschreiben, in denen sie sich und die Betreuenden entfalten und wohl fühlen können.
l Projekte für gemeinsames Wohnen und Wohnen im Alter sind zu fördern.
l Bei der Verkehrsgestaltung ist darauf zu achten, dass Kinder und Alte nicht ausgegrenzt werden, sondern sich sicher in ihrem Alltagsleben bewegen können.
l Mitbestimmungsmöglichkeiten, Arbeit in Verbänden und andere Eigeninitiativen von Jungen und Alten sind insbesondere auf kommunaler Ebene zu fördern (z.B. durch Jugend- und Seniorenbeiräte).
l Freiwilligendienste aller Generationen zur Entfaltung des bürgerschaftlichen Engagements (z.B. Aktiv im Alter, freiwillige Aktivitäten von Jugendlichen) und zu gegenseitiger Unterstützung und Vernetzung müssen weiterentwickelt werden.
2.5 Gesundheit ist keine Ware
Gesundheitspolitik hat die Grundsätze der Eigenverantwortung und der Solidarität zu verbinden. Noch in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts war das deutsche Gesundheitssystem im internationalen Vergleich in der Spitzengruppe. Derzeit ist es auf einen Platz im mittleren Bereich abgefallen. In Deutschland wurden einst auch viele nützliche Medikamente entdeckt und produziert. Jetzt sind wirkliche Neuentwicklungen selten. Dafür bringt die Pharmaindustrie derzeit viele Medikamente mit nur unerheblichen Wirkstoffänderungen als Neuentwicklungen mit einem wesentlich überhöhten Preis auf den Markt. Auch tatsächliche Neuentwicklungen müssen zu einem wirtschaftlich vertretbaren Preis abgegeben werden. Von den Absolventen des Medizinstudiums nimmt heute ein zu kleiner Teil die tatsächliche medizinische Versorgung der Bevölkerung in Deutschland auf. Ein großer Teil geht ins Ausland, in die Forschung oder in die pharmazeutische Industrie, weil die ärztliche Tätigkeit in Deutschland in den letzten Jahrzehnten immer weniger attraktiv geworden ist. Die Struktur des Medizinstudiums muss sich mehr am ganzheitlichen Menschenbild statt ausschließlich an der Behebung von Krankheiten ausrichten. Beim Zugangsverfahren muss neben den Schulnoten auch auf menschliche Eignung zum Beruf geachtet werden. Die Krankenhäuser im Besitz der kommunalen Träger kämpfen um ihr Überleben. Zahlreiche Häuser, auch die der Basisversorgung im ländlichen Raum, werden geschlossen oder privatisiert. Die freiberuflich tätigen Fach- und Hausärzte suchen vergeblich nach Praxisnachfolgern. Das Durchschnittsalter der Hausärzte in Deutschland liegt heute bei über 55 Jahren. Die Behandlung der gesetzlich Versicherten wird inzwischen so schlecht bezahlt, dass eine wirtschaftliche Praxisführung durch Behandlung dieser Patientengruppe, die den Großteil ausmacht, immer weniger gewährleistet ist. Die Beiträge der Berufstätigen zur Krankenversicherung sind in den letzten Jahren weiter angestiegen. Der Staat kassiert den vollen Mehrwertsteuersatz auf Medikamente. Die letzte Erhöhung des Beitragssatzes erfolgte durch die Einführung des Gesundheitsfonds. Die Patienten müssen immer mehr zu Medikamenten, physikalischer Therapie und Ähnlichem zuzahlen. Brillen, Zahnersatz und pflanzliche Medikamente müssen weitgehend von den Patienten alleine bezahlt werden. Gleichzeitig steigert die pharmazeutische Industrie ihre Umsätze weit stärker als der Durchschnitt aller anderen Waren und Dienstleistungen steigt. Bei der Entwicklung der Krankheitskosten wird bisher zu wenig beachtet, dass sie zu ca. 50% erst im Rentenalter anfallen. Die Krankenkassen sind demnach zumindest zur Hälfte ein Altersversorgungssystem. Damit ergeben sich auch für sie aus dem Geburtenrückgang ganz ähnliche Probleme wie für die gesetzliche Rentenversicherung. Auf die sozialpolitischen Aspekte des Krankenkassenrechts wird in Kapitel II 1 näher eingegangen. Die Existenz von derzeit etwa 100 Krankenkassen verursacht hohe Verwaltungskosten. Hinzu kommen Werbeetats für gegenseitige Abwerbung „günstiger Risiken“ (möglichst junge gesunde Versicherte) zwischen den Kassen. Ein besonders krasses Beispiel unsinniger Mittelverwendung ist das neu eingeführte Verfahren, die Anzahl der chronisch kranken Patienten der einzelnen Kassen zu ermitteln, um daran die Zuteilung von Geldern zu orientieren. Das hat zu einem aufgeblähten Verwaltungsaufwand bei den Kassen geführt. Schlimmer noch: Damit wurde ein neues Tor für Manipulationen geöffnet, das sich kostentreibend auswirken wird. Die Transparenz der Mittelverwendung bei Kassen und Kassenärztlichen Vereinigungen ist unzureichend. Jährlich werden mehr als 200 Milliarden Euro allein an Krankenkassenbeiträgen der gesetzlich Versicherten ausgegeben. Der gesamte Gesundheitsmarkt wird auf einen Umsatz von über 300 Milliarden Euro geschätzt. Versicherungsriesen aus den USA und Klinikkonzerne dringen in den Gesundheitsmarkt ein, um Profit zu machen. Die Klinikkonzerne versuchen, Arztpraxen in für sie interessanten Bereichen aufzukaufen, um sie als Schleusen in die von ihnen betriebenen Kliniken zu verwenden. Eine Betreuung der Patienten in konzerneigenen rein profitorientierten medizinischen Versorgungssystemen erscheint als äußerst problematisch. Als Nächstes soll mit Hilfe der bereits eingeführten elektronischen Gesundheitskarte eine zentrale Erfassung von Patientendaten gegen die Bedenken von Datenschützern und Ärzteverbänden eingeführt werden. Die Gesunderhaltung ist nicht nur eine Aufgabe jedes Einzelnen, sondern auch des Staates. Gesundheitsschädliches Konsumverhalten wird heute durch massiven Werbeaufwand gefördert und damit die Gesundheit dem Profit geopfert. Der Staat muss sich wieder mehr um die Gesundheit seiner Bürger kümmern.
Das ÖDP-Konzept:
l Medizinische Versorgung ist keine Ware, sondern ein Recht der Bürger. Dieses Prinzip muss erhalten bleiben.
l Der freiberuflich tätige Arzt muss Vertrauensperson des Patienten bleiben. Dies gelingt nur, wenn die Behandlung der gesetzlich Versicherten angemessen bezahlt wird.
l Der Gebietsschutz für Ärzte ist aufrecht zu erhalten, damit Gesundheitskonzernen der Zugriff auf die ambulante Versorgung der gesetzlich Versicherten verwehrt bleibt.
l Zur erforderlichen Krankenkassenreform wird auch auf Kapitel 2.3 verwiesen.
l Diagnosen sind nicht der Krankenkasse, sondern nur dem Medizinischen Dienst der gesetzlichen Krankenkassen bekannt zu geben.
l Die Mittelverwendung der gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung (z.B. Anteil von Sonderprogrammen, Verwaltung) sind zeitnah offenzulegen.
l Die in den letzten Jahren immer weiter vorangetriebene kostspielige Bürokratisierung einschließlich überzogener Vorschriften, die die Qualität der medizinischen Versorgung nur scheinbar erhöhen, ist auf ein sachorientiertes Maß zurückzuführen. Das Kontrollorgan Gemeinsamer Bundesausschuss (GBA) muss besser demokratisch legitimiert und mit kompetenten Menschen besetzt werden.
l Die Abrechnung der ärztlichen Leistung muss auch bei der gesetzlichen Krankenkasse übersichtlich und überprüfbar und für den Patienten einsehbar sein.
l Einsparungen können auch im Bereich der pharmazeutischen Industrie erreicht werden. Es geht nicht an, dass Milliardengewinne in diesem Bereich erzielt und auf der anderen Seite unverhältnismäßig hohe Werbeetats durch Krankenkassenbeiträge finanziert werden. Dazu gehören auch kostspielige Scheininnovationen der pharmazeutischen Industrie, die ohne medizinischen Gewinn lediglich der Gewinnmaximierung durch Umgehung patent- rechtlicher Regelungen dienen.
l Die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel wird – wie in fast allen anderen europäischen Ländern - auf einen ermäßigten Steuersatz gesenkt. Die bewirkt einerseits eine Senkung der Krankenkassenausgaben für Arzneimittel, andererseits verbilligt es für die Bevölkerung den Preis jener Arzneimittel, die sie selbst bezahlen müssen.
l Naturmedizin, die häufig wesentlich weniger Nebenwirkungen erzeugt als chemisch hergestellte Arzneimittel, soll immer dann auch von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt werden, wenn sie eine mit chemisch hergestellten Medikamenten vergleichbare Wirkung aufweist.
l Die Heilpraktikerausbildung ist deutlich zu verbessern und einheitlich zu regeln.
l Nachweislich gesundheitsschädliche Substanzen (Tabak, Alkohol, Fabrikzucker u.a.) sind mit höheren Steuern zu belasten. Die eingenommenen Mittel sind zur Suchtprävention und Behandlung suchtbedingter Krankheiten der Krankenkasse zur Verfügung zu stellen. Dadurch wird erreicht, dass die Folgen gesundheitsgefährdenden Verhaltens von den Betroffenen selbst (mit)finanziert werden.
l Der seit einigen Jahren zunehmend und erfolgreich betriebene Nichtraucherschutz ist beizubehalten und weiter auszubauen.
l Der gesetzlich vorgeschriebene Jugendschutz (Zugang zu Alkohol, Tabakwaren, Computerspielen u.a.) muss besser durchgesetzt werden. Dazu kommen auch Maßnahmen bis zum Lizenzentzug (z.B. bei Gaststätten) in Betracht.
l Deutschland soll wieder ein gefragter und innovativer Forschungsstandort werden. Es sind unter Einbeziehung alternativer Methoden besonders solche Forschungen zu fördern, die möglichst nebenwirkungsarme Medikamente und Behandlungsmethoden betreffen. Bei Forschung und Produktion müssen ethische und ökologische Grenzen gesetzt werden.
l Die dezentrale, wohnortnahe Krankenhausversorgung ist vorzugsweise in der Hand kommunaler Träger sicherzustellen. Durch Kooperation und Koordination von Einrichtungen untereinander und mit niedergelassenen Ärzten sind qualitative Verbesserungen und wirtschaftliche Effizienz gleichermaßen zu erzielen. Die Schließung zahlreicher patientennaher Krankenhäuser zugunsten von Großkliniken muss verhindert werden.
l Die Finanzierung der stationären Versorgung ausschließlich über Diagnosenverschlüsselung (DRGs) ist zu bürokratisch und nicht menschengerecht.
l Die Erfassung von Krankheitsdaten zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen ist sinnvoll, soll aber in der Hand der behandelnden Ärzte und des Patienten bleiben. Patientenakten zum Mitnehmen oder ähnliche Dokumentationen erfüllen diesen Zweck, ohne das Risiko des Datenmissbrauchs unvertretbar zu erhöhen.
l Hospizstationen und ambulante Hospizdienste zur menschenwürdigen Betreuung Todkranker sind auszubauen und mit ausreichenden finanziellen Mitteln auszustatten.
l Die toxische Gesamtbelastung des Menschen und die Beseitigung schädlicher Umwelteinflüsse sind verstärkt zu erforschen. Die Einhaltung von MAK-Werten (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration) bei Giftstoffen ist verlässlich zu kontrollieren.
l Alle Bevölkerungskreise sind, beginnend in Kindergärten und Schulen, über aktive Gesunderhaltung durch sinnvolle Ernährung und Lebensführung aufzuklären.
l Die Ermöglichung einer ausgewogenen Ernährung (u. a. Vollwerternährung) in allen öffentlichen Einrichtungen mit Küchen, Kantinen oder Mensen, insbesondere in Krankenhäusern, ist sicherzustellen.
2.6 Menschen mit Behinderung
Integration und Inklusion gestalten. In Deutschland leben Millionen Menschen mit Behinderung (nur ca. 4% davon haben ihre Behinderung bereits seit der Geburt) mit denselben Rechten und Pflichten wie alle Bürgerinnen und Bürger. In unserer Leistungsgesellschaft sind sie oft von gesellschaftlicher Ausgrenzung bedroht, weil ihre Fähigkeiten und Bedürfnisse nicht genügend ernst genommen werden. Dem soll das Schwerbehindertenrecht entgegenwirken, und zwar nicht nur durch pauschale finanzielle Vergünstigungen, sondern auch durch gezielte Erleichterung der Integration und Inklusion im Alltags- und Erwerbsleben. Der Gesetzgeber soll insbesondere darauf hinwirken, dass Menschen mit Behinderung ihre Arbeitskraft optimal einsetzen können. Das stärkt den Lebens- und Arbeitswillen und ist auch volkswirtschaftlich vernünftig. Es müssen Möglichkeiten gefunden werden, die den individuellen Erfordernissen der unterschiedlichen Behinderungen gerecht werden. Daneben ist es gerade heute eine vordringliche Aufgabe, in der Gesellschaft eine Atmosphäre zu schaffen, in der Menschen mit Behinderung nicht diskriminiert werden, sondern ein gleichberechtigtes Leben führen können.
Das ÖDP-Konzept:
l Statt der Isolation in abgelegenen Einrichtungen muss das Wohnen mit und neben pflegebedürftigen und behinderten Menschen durch Rahmenrichtlinien zum „betreuten und integrierten Wohnen“ bundesweit ausgebaut werden.
l Die Frühförderung von Kindern mit Behinderung ist zu gewährleisten, um langfristige Folgeschäden zu verringern.
l In Kindergärten, Schulen und Bildungseinrichtungen sollen behinderte und nicht behinderte Menschen soweit möglich gemeinsam erzogen werden und mit- sowie voneinander lernen (Inklusion).
l Die gleichberechtigte Teilnahme von Kindern mit Behinderung am Unterricht in Integrationsklassen ist, soweit es im Einzelfall sinnvoll ist, sicherzustellen. Unterstützt werden soll dies durch ein größeres Schulungsangebot für Pädagogen und Pädagoginnen.
l Die Barrierefreiheit ist bei Bau- und Umbaumaßnahmen, der Ausgestaltung von Verkehrsflächen, Verkehrsmitteln und öffentlichen Gebäuden sicherzustellen (Aufzüge, Rampen, abgesenkte Bordsteine, Signalanlagen für Sehbehinderte u.a.).
l Der öffentliche Personenverkehr ist barrierefrei auszugestalten.
l Die Anzahl gemeinsamer Arbeitsplätze behinderter und nicht behinderter Menschen ist durch Anreize bedarfsgerecht zu erhöhen. Abgaben für Betriebe, die zu wenig Menschen mit Behinderung beschäftigen, sind daher gerechtfertigt.
l Menschen mit Behinderungen ist der Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern. Unser Ziel ist berufliche Integration statt Aussonderung. Finanzielle Unterstützungen sind an die Person des Menschen mit Behinderung und nicht an eine Institution zu koppeln. Dies ermöglicht Hilfestellungen genau dort, wo sie dieser Personenkreis selbst möchte.
2.7 Schutz vor Armut
Die leistungsgerechte Bewertung von Arbeit ist der wirksamste Schutz gegen Armut. Die wichtigste Ursache für Armut in Deutschland ist heute ein falsches Verständnis des Arbeitsbegriffs, der auf herkömmliche Erwerbsarbeit eingeengt wird. Die in jeder Gesellschaft entscheidende Arbeit der Betreuung, Versorgung und Erziehung von Kindern erfährt durch unser Sozialsystem eine gefährliche Geringschätzung. Der durch Kindererziehung erarbeitete wirtschaftliche Wert wird als „Alterslohn“ an Erwerbsarbeit gebunden (vgl. Kapitel 2.1). Das hat zwangsläufig zu der heute im Vordergrund stehenden Familienarmut geführt, die bei Familien mit drei oder mehr Kindern und bei Alleinerziehenden besonders ausgeprägt ist. Auch die Altersarmut betrifft in erster Linie Mütter und Väter mehrerer Kinder. Hinzu kommt, dass Eltern wegen ihrer Kinder bei der Suche nach besser bezahlter Erwerbsarbeit weniger mobil sind. Weiterhin reicht das im Rahmen von ALG II gezahlte Sozialgeld für Kinder nicht aus, um deren Existenzminimum zu sichern. Die bestehende und weiter zunehmende Armut von Eltern und Kindern behindert die körperliche und psychische Entwicklung der betroffenen Kinder und beeinträchtigt ihre spätere Bereitschaft zu Leistung und sozialem und ökologischem Verhalten. Eine funktionsfähige Gesellschaft erfordert eine leistungsgerechte Bewertung sowohl herkömmlicher Erwerbsarbeit als auch familiärer Erziehungsarbeit. Bei Beibehaltung des Umlageverfahrens im Rentensystem (vgl. Kapitel 2.1) ist das nur durch eine Bezahlung der Erziehungsarbeit möglich. Auch der gesetzliche Mindestlohn von 9,35 Euro/Stunde (Stand 2020) für Erwerbsarbeit kann weder Familien mit drei oder mehr Kindern noch halbtags erwerbstätigen Alleinerziehenden helfen, da aufgrund der Erziehungsarbeit auch mit dem Mindestlohn kein Einkommen in Höhe des Anspruchs erzielt werden kann, der nach dem ALG II ohnehin besteht. Erst die Honorierung der Erziehungsarbeit führt dazu, dass auch diese Personengruppen vom Mindestlohn profitieren. Ein Mindestlohn kann nur dann einen wesentlichen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten, wenn auch die familiäre Erziehungsarbeit entlohnt wird. Eine Honorierung der Erziehungsarbeit wird die Motivation zu weiterer Erwerbsarbeit nicht beeinträchtigen, da keine Kürzung erfolgt wie beim ALG II. Eine angemessene Honorierung ist auch für die Pflege pflegebedürftiger Angehöriger zu fordern. Nach den bestehenden Regelungen der Sozialen Pflegeversicherung beträgt das gewährte Pflegegeld weit weniger, als es dem gesetzlichen Mindestlohn entspricht.
Das ÖDP-Konzept:
l Kurzfristig ist ein an den staatlichen Kosten eines Krippenplatzes orientiertes Erziehungsgehalt / Betreuungsgeld für Kleinkinder (U3) einzuführen, das auch zur Finanzierung einer Fremdbetreuung verwendet werden kann (Kinderkrippe, Tagesmutter u.a.). Es ersetzt das Elterngeld, die öffentliche Krippenfinanzierung und das bisherige Betreuungsgeld.
l Bei Kürzung von Leistungen des ALG II wegen unzureichender Nachweise über die Arbeitsplatzsuche (§32SGB II) müssen zumindest Nahrung, zuzahlungsfreie medizinische Versorgung, Wohnung und ein Mindestmaß an Kleidung garantiert sein; §31 SGB II ist hierzu von einer Kann-Vorschrift in eine Muss-Vorschrift zu ändern.
l Das von der Sozialen Pflegeversicherung gezahlte Pflegegeld für häusliche Pflege hat sich am durch die Pflegestufe definierten Arbeitsaufwand zu orientieren.
l Die Honorierung der familiären Erziehungs- und Pflegearbeit wird die Arbeitslosigkeit deutlich verringern, weil dann Mütter, Väter und pflegende Angehörige wegen bezahlter Erziehungs- und Pflegearbeit von ihnen besetzte Stellen in der Wirtschaft freimachen. Auch wird das den Wiedereinstieg in den alten Beruf oder den Umstieg zu anderen Beschäftigungen nach der Erziehungs- oder Pflegephase erleichtern. Die durch Erziehungs- und Pflegearbeit erworbenen Erfahrungen sind dabei zu berücksichtigen und durch Fortbildungsmaßnahmen weiter auszubauen. Auch das wird zur Minderung von Familienarmut beitragen.
l Die leistungsgerechte Honorierung von Arbeit einschließlich der häuslichen Erziehungs- und Pflegearbeit wird zusammen mit einer Grundsicherung für Kinder (vgl. ÖDP-Konzept bei 2.1) Familienarmut wirksam und leistungsgerecht verhindern. „Prekäre Arbeitsverhältnisse“ (Erwerbstätigkeit, deren Lohn nicht ausreicht, um eine Familie zu ernähren) werden dann verschwinden.
2.8 Sozial ausgewogene Besteuerung
Die Besteuerung ist leistungsgerecht und sozial ausgewogen zu gestalten. Das Steuersystem soll sich an der Leistungsfähigkeit der Bürger/innen orientieren: Bei einem hohen Einkommen ist ein höherer Steueranteil gerechtfertigt als bei einem niedrigen Einkommen. Das Existenzminimum aller Familienmitglieder muss steuerfrei bleiben. Dieser Grundsatz der progressiven Besteuerung ist nur bei Erwerbseinkommen verwirklicht. Kapitaleinkommen werden dagegen durch die Abgeltungssteuer (25 %) meist deutlich niedriger besteuert als Erwerbseinkommen. Bei den Verbrauchsteuern (Mehrwertsteuer, Stromsteuer) ist es jedoch umgekehrt. Das heißt, je niedriger das Einkommen, desto höher ist der Anteil der Steuerlast, weil ein höherer Anteil des Einkommens verbraucht werden muss. Besonders seit der Jahrtausendwende sind eine Reihe von steuerrechtlichen Maßnahmen erfolgt, die einseitig oder bevorzugt Hochverdienern und Vermögenden zugutekamen. Dazu gehören die Abschaffung der Vermögenssteuer 1997, die Absenkung des Spitzensteuersatzes von 53% (1999) auf 42% (2005) und die Einführung der Abgeltungssteuer als ermäßigtem Steuersatz für Kapitaleinkünfte ab 2009. Die ab 2007 geltende Besteuerung mit 45% von Einkommen über 250.000 € für Ledige (sog. Reichensteuer) hat dagegen eher symbolische Bedeutung. Andererseits wurden Geringverdiener und Familien durch höhere Verbrauchssteuern zusätzlich überproportional belastet (z.B. Einführung der Stromsteuer 1999, Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 % ab 2007). Geringere Steuern für Reichere und höhere Steuerbelastung für Ärmere stehen in einem ursächlichen Zusammenhang, da die Entlastung der Reicheren die Staatsverschuldung fördert, die durch höhere Verbrauchssteuern der Ärmeren finanziert werden muss. Diese steuerrechtlich verursachte Umverteilung hat inzwischen zu einem immer stärkeren Auseinanderklaffen von Arm und Reich geführt. Damit besteht neben der Benachteiligung der Familien im Sozialrecht auch im Steuerrecht eine wichtige Ursache für die zunehmende Armut, die auch unabhängig vom Familienstand besteht.
Das ÖDP-Konzept:
l Die Belastung durch Einkommens- und Verbrauchssteuern ist im Zusammenhang zu sehen und hat sich an der individuellen Leistungsfähigkeit der Bürger/innen zu orientieren. Ziel der Besteuerung muss es sein, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter öffnet, sondern wieder enger wird.
l Kapitaleinkommen sind ebenso hoch zu besteuern wie Arbeitseinkommen.
l Eine verfassungsgerechte Vermögenssteuer ist wieder zu erheben.
2.9 Gleichberechtigung und Solidarität
Mit viel Mut und Ausdauer hat die Frauenbewegung seit ihren Anfängen in der französischen Revolution und Aufklärung große Erfolge in der Gleichberechtigung von Männern und Frauen erstritten. Einerseits haben die rechtliche Gleichstellung und die Teilhabe an Erwerbsleben, in Politik und Wirtschaft für Frauen in unserem Lande zu einer größeren Freiheit und Selbstbestimmung geführt. Andererseits wurde die überwiegend von Frauen geleistete familiäre Sorgearbeit durch die Sozialgesetzgebung massiv abgewertet und damit die Wahlfreiheit eingeschränkt. Nach wie vor gibt es aber Defizite, was gleichen Lohn für gleiche Arbeit, angemessene Bezahlung für besonders von Frauen ausgeführte Tätigkeiten und eine ausgewogene Aufteilung von Verantwortlichkeiten zwischen Männern und Frauen in Politik und Gesellschaft, in Wirtschaft und Familien betrifft. Diese zu beseitigen erfordert erhebliche Anstrengungen und das nötige Augenmaß um ideologisch beeinflusste Fehlentwicklungen zu vermeiden. Alle Versuche, Frauen, Männer und Familien bei der Wahl ihres Lebensmodells zu bevormunden und zu diskriminieren, lehnen wir ab. Im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft ist es alarmierend und unbegreiflich, dass die Vorstellungen von einer Gleichberechtigung der Frauen in einem besonders wichtigen Bereich noch kaum Eingang in Denkprozesse und Gesetzgebung gefunden haben. Die Wichtigkeit und der Wert der familiären Sorgearbeit bleiben weiterhin unbeachtet, obwohl Strömungen im Feminismus sich immer wieder Gedanken gemacht haben, wie man sie in die Mitte der Gesellschaft bringen kann. Die angestrebte Einbeziehung der Männer in diese Aufgabenfelder erscheint immer noch unrealistisch und wird scheitern, solange häusliche Kindererziehung und die Pflege hilfsbedürftiger Menschen nicht den Stellenwert haben, der ihnen auf Grund ihrer Bedeutung zusteht. So bleiben diese für die Gesellschaft unersetzlichen, aber bisher nicht oder kaum bezahlten Arbeiten überwiegend an den Frauen hängen und führen zu gravierenden wirtschaftlichen Benachteiligungen sowohl während der Zeit der Erwerbstätigkeit als auch im Alter. Die Verkürzung des Anspruchs auf Gleichberechtigung auf eine Gleichstellung im Erwerbsarbeitsleben beseitigt Ungleichheiten keineswegs, sondern verschleiert diese noch mehr. Durch einseitige Subventionierung für von der Politik gewünschte Betreuungsmodelle gängelt der Staat Eltern und verhindert die Gleichberechtigung alternativer Lebensentwürfe. Hier sieht die ÖDP den wichtigsten Ansatzpunkt für die Verwirklichung von Gleichstellung im eigentlichen Sinn von Gleichberechtigung. Im Grundgesetz Art. 3 Abs. 2 ist festgelegt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Unter dem im Grundgesetz nicht erwähnten Begriff ‚Gleichstellung’ wird heute der Weg verstanden, auf dem die geforderte Gleichberechtigung erreicht werden soll (vgl. z.B. Aussagen des Familienministeriums): „Geschlechtergerechtigkeit bedeutet, bei allen gesellschaftlichen und politischen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern zu berücksichtigen.“ Maßnahmen und politische Vorgaben der Gleichstellungspolitik müssen sich also immer daran messen lassen, ob sie die Lebenssituationen, Begabungen und Interessen wirklich aller Frauen und Männer im Blick haben. Die gleichstellende Vorgabe einer 50:50-Verteilung von Frauen und Männern in allen Arbeitsbereichen – von Unternehmen über Politik und Erziehung bis hin zur familiären Sorgearbeit – wird diesem Ziel nicht gerecht. Die Forderung nach maximaler Flexibilität und Mobilität in der Arbeitswelt diskriminiert alle – Männer wie Frauen –, die familiäre Sorgearbeit leisten. Wünschenswert ist vielmehr als Ziel eine Partnerschaftlichkeit, die zwischen den Beteiligten auf Augenhöhe verhandelt wird und die Aufteilung wählt, die im konkreten Fall als optimal empfunden wird. Familiäre Sorgearbeit, ehrenamtliches Engagement aber auch eine entschleunigte Lebensweise entsprechen häufig dem Wunsch nach einem sinnerfüllten Leben und sind für die Existenzfähigkeit der Gesellschaft unersetzlich. Deshalb muss eine Reduzierung der (Regel-)Arbeitszeit ermöglicht werden ohne dass dadurch der Sozialversicherungsschutz zusammenbricht. Das Recht auf Teilzeit hilft nicht weiter, wenn daraus Altersarmut folgt. In der aktuellen Politik werden große Anstrengungen unternommen, um die Situation von Frauen in der Erwerbsarbeit zu verbessern. Erklärtes Ziel ist dabei die/der „erwerbstätige Erwachsene“, d.h. Jeder Mensch soll über den gesamten Lebenslauf für sich selber sorgen und seine Alterssicherung aufbauen. Vertretbar und mit dem Gedanken der Gleichberechtigung vereinbar ist dieses Ziel nur dann, wenn die familiäre Sorgearbeit der herkömmlichen Erwerbsarbeit gleichgestellt wird. Dadurch entfällt der Zwang zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Familiäre Sorgearbeit ist dann selbst Beruf. Durch die ungleiche Bewertung von (bezahlter) Erwerbsarbeit einerseits und (unbezahlter) Familienarbeit andererseits kommt es allerdings zu einer zunehmenden Überforderung von Eltern, Familienarmut, Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern, prekären Umständen für Alleinerziehende sowie zur freiwilligen oder unfreiwilligen Rückkehr zu traditionellen Aufgabenverteilungen, sobald in einer Partnerschaft(mehrere) Kinder geboren werden. Auch für Pflegende sind die Anforderungen von Pflege UND Beruf kaum zu meistern. Das Dilemma der Entgeltlücke muss analysiert und angepackt werden, darf aber nicht durch bürokratische Mammutvorschriften in Gängelung ausarten. Ohne adäquate Honorierung der familiären Sorgearbeit, die bisher unentgeltlich geleistet wurde, wird es kaum zu lösen sein. Bemühungen, die „traditionelle Rollenverteilung in den Partnerschaften aufzubrechen“, sind im Dienste der Gleichberechtigung untauglich, solange es dabei nur darum geht, jetzt den Vätern den unbezahlten Part aufzuhalsen, der bisher den Müttern vorbehalten war. Eine Politik, die als Hauptaufgabe der Gleichstellung die Schaffung von mehr Betreuungseinrichtungen sieht und vornehmlich den Wunsch hat, Frauen für klassische Männerberufe und umgekehrt zu begeistern, ist kurzsichtig. Vielmehr muss sie darauf hinwirken, dass durch bessere Bezahlung und aussichtsreichere Aufstiegschancen wirkungsvolle Anreize für die Wahlsozialer Berufe gesetzt werden. Es wirft ein bezeichnendes Bild auf eine Gesellschaft, wenn sie bereit ist für die Verwaltung ihres Geldes weit mehr zu bezahlen als für alle Arten von Betreuungsarbeit. Dass Frauen in Führungspositionen in Wirtschaft und Politik zahlenmäßig deutlich unterrepräsentiert sind und Familienverantwortliche es sich immer weniger leisten können und wollen, den Hamsterradlebensstil von Managern anzustreben, bedeutet, dass wichtige Erfahrungen in den TOP- Etagen fehlen. Verpflichtende Quoten können aber das Problem der unterschiedlichen Wertschätzung nicht lösen und widersprechen – nicht zuletzt in politischen Gremien - dem demokratischen Grundsatz der Wahlfreiheit. Vor allem das Leitmotiv der Solidarität und Gemeinwohlorientierung erfordert es schließlich, dass die Politik auch international die Anliegen von Gleichberechtigung im Blick behält und die häufig katastrophale Benachteiligung von Frauen in vielen Ländern bei wirtschaftlicher und politischer Zusammenarbeit mit entsprechenden Staaten berücksichtigt und thematisiert.
Das ÖDP-Konzept:
l Maßnahmen und politische Vorgaben der Gleichstellungspolitik müssen die Lebenssituationen, Begabungen und Interessen aller Frauen und Männer und nicht nur die Interessen bestimmter Personen- bzw. Lobbygruppen im Blick haben.
l Wir setzen uns für echte Wahlfreiheit ein, weil Staat und Gesellschaft nicht das Recht haben, Lebensentwürfe vorzuschreiben oder zu bewerten.
l Sowohl ein Arbeitsleben mit überwiegender/teilweiser Erwerbsarbeit als auch ein Arbeitsleben mit überwiegender familiärer Sorgearbeit muss wirtschaftliche Unabhängigkeit über den ganzen Lebenslauf hinweg (Einkommen und Rente) ermöglichen.
l Ein sozialversicherungspflichtiges Erziehungs- und Pflegegehalt muss Menschen, die familiäre Sorgearbeit leisten, diese Wahlfreiheit und Unabhängigkeit sichern.
l In der Familie geleistete familiäre Sorgearbeit ist ins Bruttoinlandsprodukt aufzunehmen.
l Politischer, gesellschaftlicher oder finanzieller Druck, Kleinkinder oder Betagte in eine Betreuungseinrichtung zu geben, um erwerbstätig sein zu können, ist als Beeinträchtigung der Wahlfreiheit abzulehnen.
l Mehr Vielfalt und Durchlässigkeit für berufliche Werdegänge und Karrieren ist zu ermöglichen.
l Teilzeitarbeit, besonders in Führungspositionen, ist zu fördern.
l Eine gewünschte Rückkehr ins Erwerbsleben ist durch Wiedereinstiegsprogramme zu erleichtern.
l Der Anteil von Frauen in Führungspositionen und Politik muss durch Abbau struktureller Hindernisse und Schaffung familienfreundlicher Anreize gesteigert werden.
l Bei internationalen Beziehungen und Verhandlungen sind die Interessen von Frauen und Männern ausgewogen zu berücksichtigen. Bevormundung muss vermieden und das Selbstbestimmungsrecht geachtet werden.
l Bei Entwicklungspartnerschaften muss die Situation von Frauen in prekären Verhältnissen (z.B. Ausbeutung und Gewalt, Hauptverantwortung für die Ernährung der Kinder, ungeschützte Arbeitsverhältnisse, schlechtere Bezahlung bis hin zur Versklavung, Frauen- und Kinderhandel, Zwangsprostitution) thematisiert und Verbesserungen durchgesetzt werden.
2.10 Schutz von Familie und Ehe
Der Schutz der Ehe hat vor allem der Stärkung der Familie zu dienen. Die Ehe war von alters her Ausdruck einer auf Dauer angelegten Partnerschaft als Grundlage einer Familie. Sie schuf die wirtschaftlichen und emotionalen Voraussetzungen für die Erziehung von Kindern, für Solidarität der Ehegatten im Krankheitsfall und für Versorgung im Alter durch die erwachsen gewordenen Kinder (unverfälschter Generationenvertrag). Ehe, Sexualität und Familie bildeten eine Einheit, die der sozialen Stabilisierung der Gesellschaft zugute kam. Die Sozialgesetzgebung und die medizinische Entwicklung in den letzten Jahrzehnten haben tief in die lange untrennbare Einheit von Ehe, Sexualität und Familie eingegriffen und vorher fest gefügte Wertvorstellungen in Frage gestellt. DieSozialgesetzgebunghatmitderEinführungumlagefinanzierterSolidarsysteme(gesetzliche Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung) den wirtschaftlichen Nutzen der Kinder vergesellschaftet, dieKinderkostenabergrößtenteilsbeidenElternbelassen.Damitkameszueinermassiven wirtschaftlichen Degradierung der Familie mit allen sich daraus ergebenden ideellen Folgen. Der im Grundgesetz verankerte Schutz der Familie wurde faktisch ausgehebelt und bis heute nicht wieder hergestellt. Die wirtschaftliche Abwertung der Familie und gleichzeitige Aufwertung der Erwerbstätigkeit durch die Sozialgesetzgebung gefährden die Qualität der Kindererziehung mit ihren langfristigen Auswirkungen und sind eine schwere Belastung für die Zukunft der Gesellschaft. Besonders ist zu beachten, dass die Förderung der Ehe heute nicht mehr unbedingt der Familie als Gemeinschaft von Eltern und Kindern zugute kommt, da Ehe auch ohne Kinder möglich ist und auch zunehmend bewusst praktiziert wird. Eine auf Nachhaltigkeit zielende Gesellschaftspolitik muss die Besserung der familiären Erziehungsbedingungen anstreben und darf sich folglich nicht mehr in erster Linie an der wie auch immer gearteten Partnerschaft orientieren, sondern am Vorhandensein von Kindern. Wenn aber Familie wieder attraktiver wird, dann wird auch die Ehe als deren Grundlage wieder gestärkt.
Das ÖDP-Konzept:
l Die bestehende Benachteiligung der Eltern im Sozialrecht ist konsequent abzubauen, wie es das Grundgesetz fordert (vgl. Kapitel 2.1). Eine besondere Förderung von Familien gegenüber Kinderlosen ist nicht erforderlich.
l Die Ehe ist weiter gemäß dem Auftrag des Grundgesetzes zu schützen. Allerdings ist die bestehende Förderung der Ehe im Sozial- und Steuerrecht so umzugestalten, dass sie schwerpunktmäßig dem Schutz der Familie dient, also vor allem dann wirksam wird, wenn Kinder vorhanden sind oder waren. .
l Gleichgeschlechtliche, eheähnliche Verbindungen dürfen nicht benachteiligt werden.
l Bei der Frage von Adoptionen muss das Kindeswohl in jedem Fall Vorrang vor den Interessen der Erwachsenen haben.
3. Leben schützen – von Anfang bis Ende
3.1 Gentechnologie und Medizin – ihre Chancen und Gefahren
Der wissenschaftliche Fortschritt hat neue Chancen eröffnet und zugleich immer neue ethische Fragen aufgeworfen. Nie aber brachte die Entwicklung der Technik zugleich eine so große Hoffnung, menschliches Leid zu lindern, wie ebenso große Gefahren mit sich wie einige Methoden der Gentechnik. Der gesunde, nach Plan konstruierte Mensch, der an seinen vorbestimmten Platz gesetzt wird, rückt immer mehr in den Bereich des Machbaren. Damit zeichnet sich eine völlig neue Dimension der Machtausübung von Menschen über andere Menschen ab, der wir ethisch bei weitem nicht gewachsen sind. Jeder Fortschritt der Medizin und der Biologie ist deshalb daran zu messen, ob er mit den humanistisch-christlichen Werten, der Menschenwürde und den rechtsstaatlichen Grundlagen unserer demokratischen Gesellschaft vereinbar ist. So wie die Menschheit in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts ohne echte Debatte und bewusste gesellschaftliche Entscheidung in das lebensgefährliche Abenteuer Atomkraft geschlittert ist, so sind wir heute ohne wirkliches Problembewusstsein in eine weitreichende Veränderung unserer biologischen Existenzbedingungen hineingeraten. Die Forderungen nach einer Aufweichung heute noch bestehender Gesetze zum Schutz des Lebens, z.B. in der Diskussion über Embryonenforschung oder Sterbehilfe, werden stets mit dem Ziel der Vermeidung schweren menschlichen Leids begründet. Zwar ist das Ziel zu begrüßen, aber auch hier heiligt der gute Zweck nicht jedes Mittel. Vielmehr geraten wie in allen ethischen Fragen auch in der Bioethik unterschiedliche Werte in Konflikt miteinander: Die Vermeidung von Leid auf der einen Seite - Würde und Lebensschutz für Menschen von Anfang bis Ende auf der anderen. Dies zeichnet sich auch für den Bereich des Klonens menschlichen Lebens (s.u.) und der Präimplantationsdiagnostik ab: Am Anfang geht es um die Vermeidung schwerster Krankheiten, am Ende steht vielleicht das „Designer-Baby“ und eine nach dem jeweiligen Zeitgeschmack entworfene Menschheit. Wir sehen für den Bereich der Genforschung massive Interessen: Krankenversicherungen werden bei Vertragsabschlüssen versuchen, individuelle Krankheitsrisiken zu erfassen, auszuschließen oder mit hohen Zusatzprämien zu belegen. Auch Arbeitgeber könnten ein Interesse daran haben, die biologische Konstitution von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu kennen.
Das ÖDP-Konzept:
l Die ÖDP tritt dafür ein, alle Verfassungen bis hin zu einer künftigen EU-Verfassung mit klar eingrenzenden Aussagen zur Bioethik auszustatten.
l Die verfassungsrechtliche Rahmensetzung für die Entwicklung der Medizin und Biotechnologie ist eine der wichtigsten politisch-gesellschaftlichen Aufgaben am Anfang des 21. Jahrhunderts. Neben der „Würde des Menschen von Anfang an“, muss das Verbot des Klonens menschlichen Lebens und das Verbot der Keimbahnmanipulation Verfassungsrang bekommen.
l Möglichkeiten der modernen medizinischen Verfahren, die gegen die Würde einzelner Menschen verstoßen, dürfen nicht zugelassen werden. Das gilt für die gesamte Lebenszeit von der Zeugung bis zum natürlichen Tod.
3.2 Die Bedrohung des Erbguts
Die Forschung am tierischen und menschlichen Erbgut hat einen enormen Fortschritt gemacht, als erkannt wurde, dass bestimmte Eigenschaften auf bestimmten Gen-Bausteinen angesiedelt sind. Es steht zu erwarten, dass die Forderungen nach gezielten Eingriffen in das Erbgut zur Korrektur krankhafter oder einfach nur unerwünschter Anlagen in der Keimzelle immer lauter werden. Bereits jetzt wird in einigen Ländern die „Selektion“ praktiziert, bei der menschliche Embryonen mit
unerwünschten Eigenschaften abgetötet werden. Beim reproduktiven Klonen erzeugt man durch Übertragung von Zellkernen Embryonen und lässt sie zu genetisch identischen Individuen heranwachsen. Um erfolgreich einen Klon herzustellen, werden Hunderte von Fehlschlägen und ein hoher Prozentsatz von Fehlgeburten und Missbildungen in Kauf genommen. So lange es um Tierversuche geht, ist diese Quälerei ein Problem des Tierschutzes. Die künstliche Herstellung menschlicher Embryonen und deren Verbrauch verstoßen jedoch gegen die Menschenwürde. Beim therapeutisches Klonen werden Stammzellen gewonnen, indem durch Übertragung von Zellkernen (d.h. eigene Zellkerne werden gegen Zellkerne potenzieller Gewebe- und Organempfänger/innen ausgetauscht) menschliche Embryonen erzeugt werden. Mit solchen „totipotenten“ (d.h. „zur gesamten menschlichen Entwicklung geeigneten“) Zellen werden Versuche gemacht mit dem Ziel, Ersatzgewebe und ganze Organe zu züchten, die nach der Übertragung auf den/die Empfänger/in keine oder nur geringe Abstoßungsreaktionen hervorrufen. Für die erzeugten Embryonen bedeutet dies den Tod. Bei der Forschung mit nicht-embryonalen („adulten“) Stammzellen werden z.B. aus dem Knochenmark erwachsener („adulter“) Menschen oder aus dem Nabelschnurinhalt Neugeborener Stammzellen gewonnen, um damit (wie aus embryonalen Stammzellen) Gewebe und Organe zu therapeutischen Zwecken herzustellen. Auch von diesem Zweig der modernen medizinischen Forschung sind ähnliche (nach Ansicht vieler Forschender sogar bessere) Ergebnisse für die Therapie heute unheilbarer Erkrankungen zu erwarten, wie von der verbrauchenden Forschung mit embryonalen Stammzellen. Wenn durch vorgeburtliche Selektion und Manipulation des Erbgutes der Wille heute lebender Menschen den kommenden Generationen aufgezwungen wird, ist dies ein schwerer Verstoß gegen die Grundwerte unserer Zivilisation. Unser Wissen über das komplexe Zusammenspiel unserer Gene und über ihre Wechselwirkungen mit der heutigen und künftigen Mitwelt ist gering. Deshalb ist jede Manipulation am Erbgut von Menschen, Tieren und Pflanzen gefährlich und nicht zu verantworten. Eine Untersuchung des Erbguts eröffnet die Möglichkeit, bestimmte Erbkrankheiten bzw. die Wahrscheinlichkeit für bestimmte Erkrankungen eines Menschen vorherzusagen. Jeder Mensch hat aber ein Recht auf die Selbstbestimmung über Informationen, die nur ihn betreffen. Jedes Wissen über seine erblichen Anlagen bleibt in allen Phasen seiner Existenz sein besonderes Eigentum. Aus diesem Wissen darf niemandem ein Nachteil erwachsen. In Bezug auf seine genetische Situation hat jeder Mensch auch ein Recht auf „Nicht-Wissen“.
Das ÖDP-Konzept:
l Die Aussicht, vielleicht in Zukunft schwere Krankheiten heilen und mildern zu können, rechtfertigt nicht das Abtöten lebensfähiger menschlicher Embryonen. Auch die massiven materiellen Interessen von Versicherungen und Pharmaindustrie dürfen nicht dazu führen, diesen elementaren Grundsatz aufzugeben. Ebenso inakzeptabel ist das Argument, Deutschland müsse nachziehen, wenn in anderen Ländern bereits Embryonen zum bloßen Material degradiert werden.
l Das Klonen von Menschen ist als eine neue und besonders gravierende Form der Fremdbestimmung mit der Menschenwürde unvereinbar und daher zu verbieten.
l Das strenge deutsche Embryonenschutzgesetz wurde durch eine Stichtagsregelung und die schon einmal erfolgte Verschiebung aufgeweicht. Es ist in seinen Grundzügen wiederherzustellen und für die gesamte EU eine ähnliche Gesetzeslage zu schaffen.
l Die Herstellung (Zeugung) menschlicher Embryonen einzig für die Verwendung in der Forschung oder in der Medizin ist grundsätzlich abzulehnen. Der Import von Embryonen und embryonalen Stammzellen ist zu weiterhin verbieten.
l Die Forschung mit adulten Stammzellen, die von zustimmungsfähigen, erwachsenen Menschen zur Verfügung gestellt werden, ist zu verstärken. Die freiwillige Konservierung der Nabelschnur ist zu ermöglichen, um hocheffektive Therapien zu fördern.
l Ein strenger Schutz genetischer Daten muss durch weitreichende Gesetze garantiert werden. Dies gilt insbesondere für das Arbeits- und Versicherungsrecht. Alle über eine Person - gleich zu welchem Zeitpunkt und auf welche Weise - gewonnenen genetischen Daten gehören dieser Person. Ausnahmen sind nur zur Verfolgung und Aufklärung schwerer Straftaten oder zur Klärung wichtiger familienrechtlicher Fragen zulässig. Solche Ausnahmen bedürfen der gesetzlichen Regelung.
l Die Beachtung des Grundsatzes der freien Einwilligung nach vorheriger Aufklärung („informierte Zustimmung“) betroffener Personen ist bei allen medizinisch-biologischen Handlungen sicherzustellen. Forschung an entmündigten oder nicht einwilligungsfähigen Personen ist nur dann zulässig, wenn diese einen eindeutigen individuellen Nutzen erwarten können oder wenn es sich um die Auswertung ohnehin anfallender Daten handelt.
l Genetisch bedingte Krankheiten dürfen nicht vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werden.
3.3 Präimplantationsdiagnostik (PID)
Bei diesem Verfahren werden außerhalb des Mutterleibs (in vitro) gezeugte Embryonen auf Erbkrankheiten oder andere Defekte getestet. Dazu entnimmt man dem Embryo eine Zelle, die sich in diesem frühen Lebensstadium zu einem eigenständigen Menschen entwickeln kann, obwohl sie von dem Embryo getrennt wird (Totipotenz). Durch die Untersuchung wird die Zelle jedoch zerstört. Ziel der PID ist es, der Mutter nur „einwandfreie“ Embryonen einzupflanzen und alle anderen zu
„verwerfen“. Bei der Selektion ist die Tötung erkrankter Embryonen also gewollt. Unvermeidlich ist, dass bei der Untersuchung auch über den dann ausgewählten Embryo umfangreiche genetische Daten gewonnen werden. Die PID bedeutet also einen Schritt hin zum „gläsernen Menschen“. Das hat zur Folge, dass die Geburt eines nicht vorgeprüften Kindes als immer weniger normal und akzeptabel empfunden werden könnte. Ein behindertes Kind zu bekommen, wird möglicherweise als fahrlässig-asoziales Verhalten bewertet und kann dazu führen, die Betroffenen aus der gesellschaftlichen Solidarität auszuschließen. Das oft gehörte Argument, durch PID ließen sich Spätabtreibungen wegen Behinderung des Kindes vermeiden, trifft nur in extrem eingeschränktem Maß zu, weil PID nur bei der In-vitro-Fertilisation möglich ist und außerdem die meisten Spätabtreibungen nicht wegen einer genetisch bedingten Behinderung des Fötus vorgenommen werden. Eine Erlaubnis zur PID könnte den gesellschaftlichen Zwang fördern, die natürliche Befruchtung mehr und mehr durch die In-vitro-Fertilisation zu ersetzen und den Gentest des Embryos von Eltern als Routine-Untersuchung zu verlangen. Eine umfassende Gefährdung der gesellschaftlichen Position von Menschen mit Behinderung wäre die ebenso fatale wie zwangsläufige Folge dieser Entwicklung.
Das ÖDP-Konzept:
l Im menschlichen Embryo ist von Anfang an, das heißt mit der Verschmelzung von Eizelle und Samenzelle, der gesamte Mensch angelegt. Deshalb ist der menschliche Embryo von Anfang an als Subjekt zu verstehen und darf niemals zum bloßen Material erniedrigt werden.
l Die Präimplantationsdiagnostik zur Selektion genetisch erwünschter Embryonen ist mit der Würde des Menschen und mit dem grundsätzlichen Lebensrecht, das auch Menschen mit Behinderung einschließt, nicht vereinbar und daher zu verbieten.
l Die Entnahme von Stammzellen aus dem Embryo muss verboten bleiben, ebenso der Import solcher Zellen aus dem Ausland und die Forschung damit.
3.4 Schutz der Ungeborenen
Leben zu schützen ist für uns Ökologische Demokraten oberstes politisches Ziel. Lebensschutz ist nicht teilbar. Deshalb setzen wir uns entschieden für den Schutz auch des ungeborenen Lebens ein. Das Bundesverfassungsgericht hat Mindestforderungen für den Lebensschutz festgelegt. Der Staat wird verpflichtet, den realen Lebensbedingungen entgegenzuwirken, die zu Schwangerschaftskonflikten führen: materielle Not, Ausbildungsnachteile, Wohnungsnot, Mietvertragskündigung usw. Das Nebeneinander von Erziehungs- und Berufstätigkeit muss erleichtert werden; auch öffentliche und private Einrichtungen wie Schulen, Rundfunk und Fernsehen haben eine Schutzaufgabe für das ungeborene Leben. Vätermüssen in die Pflichtberatungen miteinbezogen werden. Es ist für Dritte strafbar, Schwangeren in Konfliktsituationen den nötigen Beistand zu versagen oder sie zur Abtreibung zu drängen. § 219 (1) StGB sagt: „Die Beratung … hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen ... Dabei muss der Frau bewusst sein, dass das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat.“ Die Grenzen des Strafrechtes werden dadurch deutlich, dass eine Abtreibung im Konfliktfall für die Schwangere nach Pflichtberatung trotz Rechtswidrigkeit straffrei bleibt, denn die Frau ist neben dem abgetriebenen Kind oft selbst das Opfer, wenn sie von ihrem Partner und der Gesellschaft im Stich gelassen wird. Unter den Folgen der Abtreibung hat sie möglicherweise lebenslang zu leiden. Kinder zu haben ist zum Armutsrisiko Nummer eins geworden. So erfolgen die meisten Abtreibungen heute aus Angst vor einem bevorstehenden sozialen Abstieg. Diese Angst wird dann oft aus medizinischer Sicht als Gesundheitsgefährdung der Mutter gewertet. Dem im Grundgesetz garantierten besonderen Schutz der Familie steht allerdings eine die Familie benachteiligende Sozial- und Steuergesetzgebung gegenüber. Diese ist dringend zu korrigieren, nicht zuletzt, um die hohe Zahl der Abtreibungen aus sozialer Not zu verringern. Dabei spielt das starke Wohlstandsgefälle zwischen Eltern und Kinderlosen eine erhebliche Rolle. Es senkt die Bereitschaft, ein ungeplantes Kind anzunehmen. Hier ist auf folgende Zusammenhänge noch einmal hinzuweisen: Kindererziehung ist eine Leistung, von der die Gesamtgesellschaft, auch die Gruppe der Kinderlosen, profitiert. Somit besteht ein Anspruch auf Gegenleistung, in Form einer angemessenen finanziellen Anerkennung der Kindererziehung. Familienpolitische Rahmenbedingungen, die Kindererziehung ihrem gesellschaftlichen Wert entsprechend behandeln und honorieren, sind der beste Weg, Abtreibungen zu verhindern. Dann entsteht weder wirtschaftliche Not noch ein wirtschaftliches Gefälle gegenüber Kinderlosen.
Das ÖDP-Konzept:
l Schwangeren in Konfliktsituationen ist umfangreiche soziale, seelische und finanzielle Hilfe im Rahmen differenzierter Hilfsmodelle zu gewähren.
l Die ÖDP vertritt als neue konkrete Maßnahmen: Erziehungsgehalt, Kindergrundsicherung (Näheres in Kap. 2.1).
l Das Pflichtberatungsgesetz ist so auszugestalten, dass Beratungen wirksam auf den Schutz des ungeborenen Lebens zielen und Schwangeren in Konfliktsituationen entsprechende Alternativen eröffnet werden.
l Über die Erkenntnisse der modernen Embryologie und mögliche Komplikationen und Spätfolgen von Abtreibungen (Post-Abortion-Syndrom) ist konkret zu informieren.
l Über Verhütungsmaßnahmen muss aufgeklärt werden. Dabei darf sich Aufklärung an Schulen nicht nur auf biologische Vorgänge beschränken, sondern muss auch zwischenmenschliche Beziehungen und das Ja zum Kind thematisieren.
l Wie es das Embryonen-Schutzgesetz bereits festschreibt, dürfen bei in-vitro-Fertilisationen nur so viele Eizellen befruchtet werden, wie tatsächlich in die Gebärmutter eingebracht werden sollen. Einen größeren „Vorrat“ einzufrieren, ist unzulässig. Menschliche Embryonen sind auch in der Petri-Schale uneingeschränkt zu schützen.
l Adoptionen und Annahme von Pflegekindern sollen auch durch wirtschaftliche Hilfen besser gefördert werden.
l Die pränatale Diagnose (PND) zur Feststellung einer Behinderung darf nur mit intensiver Beratung der Eltern und ausschließlich mit dem Ziel einer pränatalen (d.h. der Geburt vorausgehenden) oder perinatalen (d.h. die Geburt des Kindes begleitenden) Therapie erfolgen. Nach vorgeburtlicher Vorsorgeuntersuchung darf wegen einer festgestellten Behinderung des Kindes auch kein Druck auf Schwangere zur Abtreibung ausgeübt werden. Kosten-Nutzen-Analysen z.B. von Krankenkassen lehnen wir entschieden ab. Ebenso verbietet sich eine Abtreibung auf Grund des Geschlechts eines Kindes.
l Die Ärzteschaft ist juristisch von einem zunehmenden Zwang zu entlasten, der von ihnen eventuell unter Schadensersatzanspruch „die Garantie für ein gesundes Kind“ verlangt und die pränatale Diagnose zur Routine macht.
l Spätabtreibungen, bei denen – nach pränataler Diagnose – behinderte Kinder bis zum 9. Monat abgetrieben werden, lehnen wir ab. Die embryopathische Indikation (bei Behinderung des Kindes) wurde zu Recht abgeschafft, weil sie grundsätzlich eine Diskriminierung behinderten Lebens bedeutete. In der Praxis wurde nun allerdings diese abgeschaffte embryopathische Indikation in die medizinische integriert, der zu Folge die unabweisliche Gefährdung des Lebens der Mutter eine Abtötung des Fötus in jedem Entwicklungsstadium rechtfertige. Die Erklärung der Mutter, das erwartete behinderte Kind bedeute für sie eine unzumutbare Belastung im Sinne einer existenziellen Bedrohung von Leib und Leben, ist als unzulässige Ausweitung der medizinischen Indikation zu werten.
l Eizellspende und „Social Freezing“ sollen verboten bleiben.
l Leihmutterschaft, bei der Frauen als "Gebärmaschinen" benutzt werden, um fremde Kinder auszutragen, darf nicht zugelassen werden.
3.5 Natürliche und selbstbestimmte Geburt
Der Schutz des Lebens umfasst originär den Bereich Geburt und ist untrennbar auch mit dem Berufsstand der freien Hebamme verbunden. Gerade hier unterstreicht die ÖDP ihre Grundeinstellung der Achtung und Wertschätzung gegenüber allem Leben, insbesondere von Mutter und Kind. Dies zu gewährleisten, ist ureigene Aufgabe der Hebamme. Diese bietet Frauen und Familien eine gute medizinische, soziale und achtsame Betreuung vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende der Stillzeit an. Durch kompetente und einfühlsame Beratung in allen Fragen hinsichtlich Schwangerschaft und Geburt weist die Hebamme die von ihr betreuten Familien in das Geburtsgeschehen ein und schafft somit die Grundlage für eine von der Frau selbst bestimmte Geburt. Die Bestärkung der Frau hinsichtlich ihrer Gebärfähigkeit und die einfühlsame Betreuung durch „ihre“ Hebamme sind die beste Voraussetzung für einen komplikationslosen, sicheren Geburtsablauf für Mutter und Kind. Ein selbstbestimmt erlebtes Geburtsgeschehen, das so genannte „Gebären aus eigener Kraft“, wirkt sich umfassend positiv auf die Mutter-Eltern-Kind-Bindung und die Bildung der Familie als kleinste Einheit unserer Gesellschaft aus. „Es ist nicht egal, wie wir geboren werden“ (Michel Odent). Um dies allen Müttern und ihren Kindern zu ermöglichen, ist eine Betreuungsintensität von 1:1 (eine Hebamme betreut eine Frau) anzustreben (Cochrane-Analyse), wie sie derzeit nur in der außerklinischen Geburtshilfe geleistet wird. Gegenüber der normalen Geburt stellt der Kaiserschnitt in der Regel das größere gesundheitliche Risiko für Mutter und Kind dar. Die steigende Kaiserschnittrate ist oft auf Wirtschaftlichkeitsberechnungen von konzerngeführten Kliniken zurückzuführen.
Das ÖDP-Konzept:
Die ÖDP setzt sich für eine langfristige Lösung der Haftpflichtproblematik ein, um den Berufsstand der Hebamme dauerhaft zu sichern. Deren Leistungen sind ein gesellschaftlich relevanter Beitrag zur Frauen- und Familiengesundheit. Wir fordern Rahmenbedingungen, die die Möglichkeit der natürlichen und selbstbestimmten Geburt unterstützen:
l Zeit und Transparenz im Umgang mit den Frauen während der Geburt, sodass ihre Würde und ihr Recht auf Selbstbestimmung in jeglicher Weise respektiert werden kann.
l Umstrukturierung der Honorarordnungen dahingehend, dass Kaiserschnitte und andere invasive geburtshilfliche Maßnahmen gegenüber der natürlichen Geburtshilfe nicht unverhältnismäßig hoch vergütet werden.
l Kalkulation der Leistungen von Hebammen durch die Krankenkassen (GKV) nach Kosten und Verantwortungskompetenz und entsprechende Anhebung der Vergütungen.
l Sicherstellung der gesetzlich geregelten Wahlfreiheit (SGB V, § 24 f.) des Geburtsortes (wohnortnah) sowie die flächendeckende Versorgung mit Hebammenhilfe.
l Schaffung von alternativen Haftpflichtstrukturen: (1) Einrichtung eines staatlichen Haftungsfonds mit/ohne Definition einer Haftungsobergrenze oder (2) Neuordnung der gesamten Berufshaftpflichtstrukturen im Gesundheitsbereich (DGUV)
3.6 Umgang mit Schwerstkranken und Sterbenden
Die Diskussion darüber, ab welchem Zeitpunkt das menschliche Leben beginnt, sowie die Frage nach der Würde dieses Lebens findet seine Parallele in der Debatte um die Sterbehilfe. Auch hier hat der technische und medizinische Fortschritt sehr viel Positives bewirken können. Allerdings sehen wir heute auch die Kehrseiten. So ist die Grenze des Lebens heute nicht mehr in jeder Situation eindeutig festlegbar. Ein Rahmen ist deshalb erforderlich, der in rechtlicher und ethischer Hinsicht das Feld absteckt für das, was erlaubt sein soll. Dazu ist weiterhin eine breite Diskussion notwendig, die das Sterben von Menschen enttabuisiert und als das wahrnehmen hilft, was es tatsächlich ist: eine gesellschaftliche Realität, die wir nicht ändern können. Angesichts von Leid und Schmerz erscheint das Leben manchem auf bestimmten Wegen verkürzbar und verkürzenswürdig, und es fällt schwer, auf Grund der Individualität der Situationen verbindliche Vorgaben zu formulieren, die auch von den Betroffenen akzeptiert werden können, die den negativen und bitteren Erfahrungen innerhalb eines Menschenlebens jeglichen Sinn absprechen. Gerade die Betreuung Sterbender findet in unserem Gesundheitswesen nicht ausreichend Berücksichtigung; Zeit für individuelle Zuwendung fehlt oft. Einsamkeit und finanzielle Nöte lassen Ängste aufkommen. Das demographische Ungleichgewicht tut ein Übriges, dass alten und kranken Menschen das Gefühl vermittelt wird, sie könnten der Gesellschaft „zur Last fallen“.
Das ÖDP-Konzept:
l Töten auf Verlangen ist eine Straftat und muss es bleiben.
l Alle Bemühungen, unheilbar Kranke durch lindernde Maßnahmen in ihrem Sterben zu begleiten, sind zu fördern.
l DifferenziertePatientenverfügungenodereineGeneralvollmachtindenHändenvon Angehörigen oder anderer Personen des Vertrauens, die einen Verzicht auf den massiven Einsatz künstlich lebensverlängernder Maßnahmen zum Ausdruck bringen, sind zu beachten. Die Zwischenschaltung eines zweiten ärztlichen Gutachtens kann erforderlich sein, um dem Missbrauch von Stellvertreterentscheidungen vorzubeugen, besonders, wenn keine Patientenverfügung vorhanden ist.
l Die Ausstellung einer Patientenverfügung darf nicht zur Pflicht gemacht werden oder mit Vorteilen oder Nachteilen z.B. in Pflegeheimen oder bei Versicherungen verknüpft sein.
l Ambulante, auch ehrenamtliche Hospizdienste und Hospize müssen flächendeckend ausgebaut werden und für ihre Tätigkeit ausreichende öffentliche Förderung durch Bund und Länder erhalten.
l Die Möglichkeiten der Palliativmedizin (Symptomkontrolle, Schmerzlinderung) sind optimal zu nutzen.
l Die Kompetenz im Bereich Palliativmedizin muss in Krankenhäusern und bei Hausärztinnen und Hausärzten sowie beim Pflegepersonal wesentlich verbessert werden.
4. Enkeltauglich wirtschaften: gemeinwohlorientiert, ressourcenbegrenzt und solidarisch
Verantwortlich wirtschaften mit der Ökologisch-Sozialen Marktwirtschaft Die bisherige Wirtschaftspolitik zerstört unsere natürliche und soziale Umwelt. Klimawandel, Flächenversiegelung und Bodenerosion, Schadstoff- und Lärmemissionen, Artenschwund, überfischte Meere, Landgrabbing, aber auch die zunehmende Einkommens- und Vermögensspreizung, die weltweiten Fluchtbewegungen, die zunehmenden Ressourcenkriege halten es uns tagtäglich vor Augen. Wer das Leben auf diesem Planeten erhalten will, muss bei wirtschaftlichen Entscheidungen ökologischen und sozialen Erfordernissen den Vorrang geben und immer bedenken, ob es unseren Kindern und Enkeln gut tut. Nur eine Wirtschaftsweise, die zu einer ökologischen Gleichgewichts- und Kreislaufwirtschaft führt und sich in die Kreisläufe der Natur einfügt, kann auf Dauer bestehen. Deshalb streiten wir für eine Wirtschaftspolitik, die nicht kurzsichtiges Gewinnstreben, sondern Nachhaltigkeit zum Ziel hat. Eine bestandsfähige ökologische Wirtschaft setzt die nicht erneuerbaren Rohstoffe möglichst so ein, dass sie wiederverwendet werden können; von erneuerbaren Ressourcenverbraucht sie nicht mehr, als sich erneuern können. Besonderes Augenmerk ist diesbezüglich auf die Nutzung der Gemeingüter (Grund und Boden, Wasser, Luft, Bodenschätze, Funkfrequenzen) zu legen. Sodann auf die Rahmenbedingungen menschlicher Arbeit und nicht zuletzt auf die Finanz- und Kapitalmarktordnung. Das Wachstumsdogma hat in Deutschland und Europa eine bisher nie dagewesene wirtschaftliche Entwicklung gebracht, aber es hat uns auch über die „Grenzen des Wachstums“ hinausgeführt, die der Club of Rome schon 1972 angemahnt hat. Das Bild des „ökologischen Fußabdrucks“ macht uns anschaulich, dass wir ab etwa 1980 mehr als eine Erde für unseren Lebensstil verbrauchen, bis 2050 bräuchten wir etwa 3 davon. Die Dekarbonisierung, also die Abkehr von der Energiegewinnung aus Kohle, Erdöl und Erdgas, sowie der Verzicht auf den hemmungslosen Zugriff auf viele knappe Ressourcen (z.B. Sand oder das lebensnotwendige Wasser) und die Rückkehr zu einer globalen und generationenübergreifenden Kreislaufwirtschaft, die die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen des Planeten Erde ernst nimmt, bedeutet einen epochalen Transformationsprozess, der unsere Gesellschaft ähnlich tiefgreifend verändern wird, wie es der Prozess der Industrialisierung und der Ökonomisierung aller Lebensbereiche in den vergangenen hundert Jahren gewesen ist. Die ÖDP steht dem gegenwärtigen kapitalistischen Wirtschaftssystem kritisch gegenüber. Eine große Zahl von Verträgen hat Deutschland als Staat und als Teil der EU wirtschaftliche Vorteile gebracht, aber gleichzeitig zur weiteren Verarmung vieler weniger entwickelter Staaten geführt. Länder, die solche Verträge nicht unterschreiben wollten, wurden ausgegrenzt und so an den Rand des Ruins getrieben. Vormachtbestrebungen und neokolonialistisches Vorgehen der USA und der an ihr hängenden westlichen Welt haben wirtschaftliche Vorteile gebracht, die Äußerungen der Großbanken und Rating-Agenturen haben mehr Gewicht als Überlegungen zur Befriedung der Welt. Aus diesen Gründen will die ÖDP die negativen Auswirkungen unseres Wirtschaftens verhindern und die Wirtschaft zu ihrem eigentlichen gemeinwohlorientierten und lebensdienlichen Sinn bringen. Nachhaltige und soziale Kriterien können nicht mehr berücksichtigt werden, wenn dem Markt absolute Freiheit zugesprochen wird. Ökologie und Gerechtigkeit gehören zusammen: Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter. 2016 besaßen 62 Superreiche zusammen soviel wie die ärmere Hälfte der Menschheit insgesamt. Dies ist absolut skandalös – und wird doch stillschweigend hingenommen. Die Kehrseite davon ist die zunehmende Verarmung überall auf diesem Globus. Sie führt zu sozialen Spannungen, (Bürger-)Kriegen und Migration. Daher streben wir auch eine faire Gestaltung des Steuerrechts an. Kleine und mittlere Erwerbseinkommen müssen von Steuern und Abgaben entlastet werden. Im Gegenzug müssen hohe Einkommen, Kapitalerträge, große Vermögen und Erbschaften höher besteuert werden. Und Produkte müssen entsprechend ihrem Rohstoffverbrauch und ihrer Umweltbelastung besteuert werden. Wir brauchen Preise, die die ökologische und soziale Wahrheit sagen. Die Erderwärmung schreitet voran. Die Pariser Weltklimakonferenz vom Dezember 2015 einigte sich auf eine Obergrenze von 1,5°C für den Temperaturanstieg, weil sonst irreversible und hochgefährliche Kipp-Prozesse angestoßen werden (Polareis, Permafrostböden), aber wirklich konkrete Schritte, um dieses Ziel zu erreichen, sind noch nicht in Sicht. Ein Patentrezept dafür hat niemand. Viele Ansätze werden diskutiert. Postwachstumsökonomie, Gemeinwohlökonomie oder solidarische Ökonomie liegen uns besonders nahe. Wir suchen eine Übersetzung in politische Schritte. Das erfordert viel Mut, Offenheit und Lernbereitschaft.
4.1 Menschenfreundliche Wirtschaftsstrukturen
Menschen müssen und wollen wirtschaften, um zu leben, sich zu entfalten und die Welt zu gestalten. Das heißt: die Wirtschaft hat dem Menschen zu dienen. Das derzeitig marktradikale Wirtschaftssystem tendiert dazu, unter Lobbyeinfluss der Profitmaximierung für wenige zu dienen. Wirtschaftswachstum wird zum Dogma, die Wirtschaft zum Moloch. Diese Eigendynamik ist aufzubrechen.
4.1.1 Neue Bewertungsmaßstäbe für wirtschaftlichen Erfolg
Da das Bruttoinlandsprodukt (BIP) die sozialen und ökologischen Aspekte nicht hinreichend abbildet, brauchen wir andere, aussagekräftigere Wohlstands- und Fortschrittsindikatoren. Die Grundfrage lautet: Wie können gesellschaftlicher Wohlstand, individuelles Wohlergehen und nachhaltige Entwicklung in einer Gesellschaft angemessen definiert und abgebildet werden. Hierbei sollen auch die planetaren Grenzen geachtet werden, die ein grenzenloses Wachstum nicht erlauben. Beispielsweise sollen der Index für die nationale Vielfalt von Vogelarten oder die im Land emittierten Treibhausgase in die Berechnungen einfließen. Sogenannte Warnlampen sollten Fehlentwicklungen bei Vermögensverteilung oder Immobilienpreisen anzeigen.
Das ÖDP-Konzept:
l Eine breite gesellschaftliche Wertediskussion ist zu führen: Wie wollen wir gut leben?
l NationaleNachhaltigkeitsindikatorensindzuerarbeiten.DieOrientierungandiesen Nachhaltigkeitsindikatoren ist als ein Staatsziel in das Grundgesetz aufzunehmen.
l Folgende Indikatoren sind regelmäßig zu erheben. Ihre stete Optimierung ist als Staatsziel festzuschreiben: (1) Materieller Wohlstand (Bruttoinlandsprodukt, Gini-Koeffizient zur Einkommens- und Vermögensverteilung, Staatsschulden); (2) Soziale Sicherheit und gesellschaftliche Teilhabe (Beschäftigung, Bildung, Gesundheit, Freiheit); (3) Ökologie (Ressourcenverbrauch, Treibhausgase, Stickstoff, Artenvielfalt)
l Bereits vorhandene Konzepte, an die angeknüpft werden kann: (1) der Happy Planet Index (HPI), der subjektives Wohlbefinden, die Lebenserwartung und den Ökologischer Fußabdruck vereint; (2) die Entwicklung einer gesamtstaatlichen Gemeinwohlbilanz
4.1.2 Ergänzung der Wirtschaftsordnung um die ökologische Dimension
Wirtschaftswachstum, das auf Kosten von Mensch und Natur stattfindet, ist nicht „positiv“ und auch kein „Aufschwung“. Fortschritt im ökologischen Sinne ist die Entwicklung von Produkten, Dienstleistungen und Technologien, die gesellschaftlichen und ökologischen Nutzen bringen und die Zukunft sichern. Der Begriff „Wettbewerbsfähigkeit“ ist neu zu definieren. In Zukunft müssen solche Produkte und Verfahren konkurrenzfähig sein, die wenig Energie und Rohstoffe verbrauchen, Arbeitsplätze sichern und die Umwelt entlasten. Die Begründung für das „wirtschaftliche Wachstum“ lautet seit vielen Jahren, dass man Arbeitsplätze schaffen müsse. Gleichzeitig werden aber viele Menschen durch Rationalisierungsmaßnahmen von ihren Arbeitsplätzen verdrängt. Neue Arbeitsplätze entstehen aus neuen Ideen mit sinnhaftem Einsatz der eigenen körperlichen und geistigen Kräfte
Das ÖDP-Konzept:
l „Stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum“ (§1 StabG) darf kein Staatsziel mehr sein. Es ist eine qualitative Wirtschaftsentwicklung anzustreben, die mit weniger Ressourcenverbrauch und geringeren Emissionen zu höherer Lebensqualität führt.
l Rationalisierung muss künftig darin bestehen, Energie und Rohstoffe einzusparen, wobei gleichzeitig weniger Schadstoffe, Abgase, Abwässer und Abfall produziert werden.
l Mehr und besser qualifizierte Arbeitsplätze werden entstehen, weil langlebige Güter in den meisten Fällen arbeitsintensiv sind, weil Energiesparen, Erhaltungs- und Reparaturmaßnahmen, Wiederverwendung und Umweltschutzmaßnahmen Arbeit schaffen.
l Umweltpolitische Instrumente sind zu entwickeln und einzuführen wie z.B. Garantieverlängerung für Gebrauchsgüter, Ausdehnung der Gefährdungshaftung, Verpflichtung zur Rücknahme von Einwegverpackungen in Verbindung mit einer Pfandpflicht, Mithaftung der Auftraggeber bei Giftstoffen und - wie in Japan bereits üblich - statistischer (nicht nur naturwissenschaftlicher) Kausalitätsnachweis bei Schadensersatzklagen gegen Schadstoffverursacher.
l Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ist um eine ökologische Komponente zu erweitern.
l Wirtschaft und Staat sind zu entflechten (siehe Kapitel 5.1).
Deutschland soll zu einem Motor für ökologisches und soziales Wirtschaften werden.
4.1.3 Ergänzung der Wirtschaftsordnung um die soziale Dimension
Eine Wirtschaft, die die besonderen Bedürfnisse von Kindern, Kranken, Alten und Geringverdienern unbeachtet lässt, ist menschenfeindlich. Insbesondere kann es kein Gemeinwohl geben, solange das Kindeswohl missachtet wird. Eine Gesellschaft, die sich bevorzugt an den aktuell leistungsfähigen Bürgern orientiert, kann nicht menschengerecht sein. Phasen der Hilfsbedürftigkeit gehören zum Leben. Heute finanzieren die Erwerbstätigen über lohnbasierte Beiträge die Altersversorgung der Rentner im gesetzlich geregelten Umlageverfahren zwischen den Generationen. Die Voraussetzung für die Alterssicherung der eigenen Generation wird aber durch Kindererziehung erarbeitet, ohne dass es für deren Kosten ein vergleichbares Umlageverfahren gibt. Das musste zu einer fortschreitenden Verarmung von Familien führen (siehe Kap. 2.1). Folgen waren Geburtenrückgang, Aushöhlung des Sozialsystems und vor allem eine Vernachlässigung des Kindeswohls. Heute wird Arbeit im industriellen Sektor vergleichsweise gut bezahlt, obwohl dieser Sektor wegen Rationalisierung immer weniger Menschen Arbeit bietet. Gleichzeitig wird soziale Arbeit innerhalb und außerhalb der Familien gar nicht oder unzureichend honoriert. Es fehlt nicht am Umfang von Arbeit, sondern an ihrer sachgerechten finanziellen Bewertung. So hat die profitorientierte Wachstumsideologie soziale Belange verdrängt und Lebensqualität gemindert.
Das ÖDP-Konzept:
l Solange die Alterssicherung einer Generation von deren Kindern zu finanzieren ist, sind auch die Kinderkosten gemeinsam zu tragen. Die gesetzlichen Umlagesysteme für Kinder und für Alte müssen im Gleichgewicht stehen.
l Die Übernahme der Kinderkosten darf die Entscheidungsfreiheit der Eltern über die Verwendung der Mittel und der Art der Betreuung nicht beeinträchtigen, solange das Kindeswohl nicht gefährdet ist.
l Familiäre Fürsorgearbeit (Betreuung und Erziehung von Kindern, Pflege von Angehörigen) ist mit bisheriger Erwerbsarbeit finanziell gleichzustellen.
l Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ist um die Familienarbeit zu ergänzen.
4.1.4 Regionalisierung
Auf der ganzen Welt ist es zur Desintegration von Gemeinschaften gekommen, und Menschen sehnen sich nach einer Rückkehr zu regionalen Wirtschaftskreisläufen, bei denen wir diejenigen, von denen wir abhängig sind, persönlich kennen. Darüber hinaus setzt die globale Warenproduktion die Regionen in einen Wettbewerb, der eine Abwärtsspirale der Löhne und der Umweltauflagen erzeugt. Wenn die Produktion und der wirtschaftliche Austausch regional sind, dann werden auch die Auswirkungen unserer Handlungen auf die Gesellschaft und die Umwelt viel klarer ersichtlich, und das verstärkt unser angeborenes Mitgefühl. Die Internalisierung der Kosten langer Transportwege stärkt die Wettbewerbsfähigkeit regional erzeugter Produkte. Die vor Ort vorhandenen Gemeingüter (Wasser, Bodenschätze…) sind wichtig für das Zusammenleben und müssen daher besonderen Schutz und Wertschätzung erfahren.
Das ÖDP-Konzept:
l Höhere Energie- und Transportkosten fördern die regionalen Wirtschaftsbeziehungen.
l Städten und Gemeinden, Landkreisen und Bezirken wird wieder erlaubt, mit ihrer Vergabepraxis die regionalen Wirtschaftskreisläufe zu stärken.
l Werden Sozial- und Umweltstandards als elementare Bestandteile von zwischenstaatlichen Fair-Handelsabkommen ernst genommen, dann wird das dazu führen, dass viele Industrien, die in den letzten Jahrzehnten in sogenannte Billiglohnländer verlagert wurden, auch an ihren Absatzmärkten wieder profitabel arbeiten können. Das gilt ebenso für Landwirtschaft und Viehzucht.
l Nahversorgung mit Gütern und Dienstleistungen aller Art erhöht nicht zuletzt die Krisenfestigkeit (Resilienz), die in einer Welt mit zunehmenden Unsicherheiten stärker gefordert sein muss.
4.1.5 Postwachstumsökonomie von unten
Staatliche Regulierung und ein Anreizsystem, das ökologisches Wirtschaften belohnt, sind das eine. Das andere ist der Bewusstseinswandel bei den Menschen und das Fördern der ökologischen Bewegung. Über viele kleine Initiativen verankert sich ökologisches Bewusstsein und Handeln in einer wachsenden Bevölkerungsschicht. Deshalb unterstützen wir bewusst ökologische und soziale Lebensstile:
l Orientierung an einem für die Erde tragfähigen persönlichen ökologischen Fußabdruck
l Vermeidung von Flugreisen
l Leben möglichst ohne Auto, kleinere Strecken mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurücklegen
l Verkürzung der eigenen Erwerbs-Arbeitszeit zu Gunsten ehrenamtlicher Tätigkeit
l Konsum von weniger tierischen Produkten, eher regional, saisonal
l Produkte mit anderen teilen, langlebige Produkte bevorzugen
l Gebrauchsgüter achtsam nutzen und so weit möglich selbsttätig pflegen und reparieren (Repair-Cafe)
l Nahrungsmittel selbst oder mit anderen anbauen und zubereiten (Transition-Town-Bewegung)
l Zu einer Bank mit guten Öko- und Sozialstandards wechseln und Regionalgeld nutzen
l Einwegverpackungen meiden
l Nicht jedem kurzlebigen Modetrend folgen
l Widerstand gegen die Verlockungen der Werbung entwickeln
l Politischen Widerstand gegen die Kohle-, Flug- und Agrarindustrie etc. organisieren oder unterstützen
4.2 Wirksame Wirtschaftssteuerung
Jede Marktwirtschaft lebt in dem Ordnungsrahmen, den die Politik ihr setzt. Die politische Steuerung der Marktwirtschaft geschieht durch die Veränderung dieses Ordnungsrahmens (Kontextsteuerung). Mächtige Lobbyverbände und Einzelunternehmen beeinflussen die Regelsetzung auf allen Ebenen. Es wird Einfluss auf die scheinbar unabhängige Wissenschaft genommen, die Presse mit Lobbyarbeit und Druck bearbeitet, die Politik ebenso und nicht zuletzt werden juristische Mittel eingesetzt. Die Politik muss sich dem auf nationaler wie internationaler Ebene zur Wehr setzen. Unternehmen können dem ausweichen und dort produzieren lassen, wo Umwelt und Sozialstandards niedrig sind. Letztlich müssen hohe ökosoziale Standards weltweit durchgesetzt werden. Der Übergang von der bisherigen zu einer enkeltauglichen Wirtschaftsweise muss langfristig so angelegt sein, dass er nicht von entsprechenden Maßnahmen in anderen Ländern abhängig ist. Deutschland hat aufgrund seiner Wirtschaftskraft eine besondere Verantwortung. Die Verfechter einer radikalen Marktwirtschaft dominieren heute Wirtschaftswissenschaft und -politik. „De-Regulierung“ lautet ihre Kernforderung. Doch die ist zutiefst irrational und ein kultureller Rückschritt. Ein besseres Wirtschaftssystem müssen wir aber nicht neu erfinden, sondern nur wiederbeleben.
4.2.1 Jede Wirtschaft braucht einen Ordnungsrahmen
Ohne die ökologische Basis gibt es langfristig kein gesellschaftliches und wirtschaftliches Überleben. Ohne soziale Gerechtigkeit gibt es langfristig kein friedliches und gelingendes Miteinander – weder lokal noch national noch global. Ohne eine funktionierende Marktwirtschaft gibt es keine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit materiellen und ideellen Produkten und Dienstleistungen - und keine befriedigende Entfaltung der menschlichen Kreativität. Das Gleichgewicht dieser drei Dimensionen ist seit vielen Jahrzehnten gestört, weil sich im Konfliktfall immer alles dem Vorrang der Wirtschaft unterwerfen musste. Die desaströsen Folgen dieses ökonomischen Primats sind allenthalben sichtbar: in der Überlastung aller ökologischen Systeme; im Raubbau an Bodenschätzen, Flächen, Wasser, Luft; in der globalen Dominanz der ökonomischen Supermächte USA, EU, Japan und China; in der ungebremsten Spreizung von Einkommen und der schamlosen Zusammenballung von Vermögen. Den Irrglauben, dass der freie Markt sozusagen automatisch das Gemeinwohl fördert, halten wir für gefährlich. Die Antwort auf das inhumane Markt-Chaos ist nicht die Planwirtschaft, sondern eine ökologisch- soziale Marktwirtschaft auf der Basis des Ordoliberalismus. Dieser geht davon aus, dass die Marktkräfte prinzipiell frei sind, aber durch eine verbindliche staatliche Rahmensetzung an gemeinwohlverletzenden Handlungen gehindert werden müssen. Positiv ausgedrückt: Die politische Rahmensetzung muss das gemeinwohlorientierte Verhalten der Marktkräfte herausfordern. Unverzichtbare Bestandteile der Gemeinwohlsicherung sind neben Arbeitsschutz- und Umweltschutzregeln auch die Verhinderung von Monopolen und Oligopolen.
Das ÖDP-Konzept:
l Die Rahmenordnung der Wirtschaft ist so zu gestalten, dass ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit gewährleistet wird.
l Eine Wirtschaft nach dem Modell des „Washington Consensus“ mit den Zielen einer möglichst vollständigen Deregulierung, einer umfassenden Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge und eines totalen Freihandels lehnen wir ab. Wir streben stattdessen national, europäisch und weltweit eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft an.
l Dazu braucht es auf allen Ebenen eine verbindlich-gesetzliche Rahmenordnung, mit der das soziale und ökologische Gemeinwohl gesichert werden kann.
l Ökologisch-soziale Marktwirtschaft braucht Transparenz und Korruptionsbekämpfung, denn Lenkung kann nur gelingen, wenn erkennbar ist, wer Einfluss nimmt.
4.2.2Regulierung der Finanzwirtschaft
Immer wieder stürzt unser Finanzsystem in krisenhafte Zustände. Der Finanzsektor hat sich von der Finanzierung der Realwirtschaft weitgehend verabschiedet und arbeitet sehr umfänglich nach Art von riesigen Wettbüros. Wenn die Prozesse nicht mehr beherrschbar sind und Zusammenbrüche drohen, muss die Allgemeinheit einspringen und das gesamte Finanzsystem aus den Steuergeldern kleiner Leute „retten“. In welch hohem Maß die internationalen Finanzmärkte miteinander verwoben sind, hat die Finanz- und Bankenkrise gezeigt, die seit 2007 um sich greift. Es wurden Risiken in Wertpapiere verpackt, womit die Banken neue Formen der Geldbeschaffung fanden. Die Gewinne waren zunächst riesig, aber noch größer war die Gier aller, der Banken, der Manager, aber auch der Anleger, noch höhere Gewinne zu erzielen. Spätestens jetzt, da viele Groß- aber auch viele Kleinanleger Geld verloren haben, Banken nur noch mit staatlicher Hilfe überleben können, renommierte Firmen in Gefahr sind, pleite zu gehen, und die Steuerzahler auf der ganzen Welt zur Kasse gebeten werden, ist es an der Zeit, Regeln für die internationalen Finanzmärkte zu schaffen.
Das ÖDP-Konzept:
Um das Finanzsystem zu stabilisieren, die Verantwortlichkeiten klarzustellen und so das Gemeinwohl zu stärken, fordern wir:
l Trennung der Banken in Kredit- und Investmentinstitute
l Regulierung des Schatten-Banken-Systems
l Genaue Regulierung und Kontrolle der Tätigkeit von Spekulationsfonds (z.B. Hedge–Fonds)
l Strenge Regulierung und Überwachung der internationalen Kapitalmärkte
l Schaffung einer europäischen Börsenaufsichtsbehörde
l Verbot von Derivaten ohne Grundgeschäfte
l ErweiterungderHaftungvonBankenbeinichtsorgfältigerodergarirreführender Anlageberatung. Anlageberater dürfen nicht auf Provisionsbasis arbeiten.
l Erhebung einer Finanztransaktionssteuer auf alle Finanz- und Börsengeschäfte
4.2.3 Deklarierung des Ressourcenverbrauchs
In den hochindustrialisierten Gesellschaften verbrauchen wir ein Mehrfaches dessen an Ressourcen, was im Sinne einer nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweise vertretbar wäre. Das ist in unserem Alltag aber nicht unmittelbar erkennbar, weil es bisher keine Verpflichtung gibt, den Ressourcenverbrauch (Energie, Wasser, Rohstoffe) für die einzelnen Produkte und Dienstleistungen anzugeben. Würde jeweils ausgewiesen, welchen Ressourcenverbrauch z.B. die konkrete Bahnfahrt, der Stadionbesuch, die Erdbeeren aus dem Supermarkt, die Computersoftware oder die Pflegedienstleistung verursachen, dann hätten die Verbraucher neben dem Kaufpreis ein wichtiges ökologisches Kriterium für ihre Konsumentscheidungen.
Das ÖDP-Konzept:
l Alle Hersteller und Anbieter von Waren und Dienstleistungen werden gesetzlich verpflichtet, den Ressourcenverbrauch der jeweiligen Produkte detailliert auszuweisen. Wo kleine Betriebe dazu nicht in der Lage sind, unterstützen neu zu schaffende staatliche Stellen.
l Dies hat auf eine Weise zu geschehen, dass die Konsumenten sich leicht und ohne Umstände informieren können.
4.2.4 Förderung von unternehmerischen Gemeinwohlbilanzen
Derzeit existieren für Unternehmen kaum Anreize für gemeinwohlorientiertes Wirtschaften und es gibt auch keine verbindlichen Kriterien, an denen solches gemeinwohlorientiertes Wirtschaften gemessen werden könnte. Einziges Kriterium für den wirtschaftlichen Erfolg ist immer noch der finanzielle Profit. Zunehmend aber beginnen einzelne Unternehmen auch, Gemeinwohlbilanzen z.B. nach den Vorgaben der Gemeinwohl-Ökonomie zu erstellen und zu veröffentlichen.
Das ÖDP-Konzept:
l Unternehmen, die zusätzlich zur herkömmlichen, ökonomischen Bilanz eine Gemeinwohlbilanz nach gesetzlich zu definierenden Kriterien aufstellen und dabei Mindestergebnisse erzielen, sollen steuerliche Vorteile genießen.
l Als „Gemeinwohl-Kriterien“ sind z.B. familienfreundliche Arbeitszeitmodelle, Klimaschutzaktivitäten, Arbeitsplatzsicherheit, Mitbestimmungs- und Vermögensbildungsaktivitäten, ethisches Beschaffungsmanagement, Arbeitsplatzqualität und Gleichstellung, ökologische Gestaltung der Produkte und Dienstleistungen zu verstehen.
4.3 Ökologisch-soziale Steuerreform
Etwa 2/3 der gesamten Steuer- und Abgabensumme werden in Deutschland vom Faktor Arbeit erbracht. Vor allem die Sozialsysteme werden immer noch ganz überwiegend über Aufschläge auf den Arbeitslohn finanziert. Obwohl menschliche Arbeit ein wertvolles Gut ist, wird sie durch dieses überholte Abgabensystem massiv behindert: Nicht nur Handwerker und Dienstleister, Pflege- und Betreuungseinrichtungen, sondern auch Bildung und Forschung sind als arbeitsintensive „Branchen“ von der Besteuerung der menschlichen Arbeit durch Lohn- und Einkommensteuer sowie von den Sozialabgaben massiv belastet. Der Verbrauch von natürlichen Ressourcen (Energie, Rohstoffe, Flächen) und die Nutzung von Gemeingütern (Wasser, Luft, Funkfrequenzen) werden hingegen kaum oder sehr zurückhaltend besteuert. Gewinne aus Kapitalanlagen und Vermögen werden steuerlich sogar stark privilegiert. Eine am Gemeinwohl orientierte Gesellschaftsordnung braucht ein Steuer- und Abgabensystem, das den Faktor Arbeit entlastet und stattdessen den Ressourcenverbrauch und die Kapitalerträge besteuert.
4.3.1 Ressourcennutzung besteuern statt Arbeit
Steuern und Abgaben werden bislang in unzureichendem Maß nachökologischen und arbeitsmarktpolitischen Notwendigkeiten erhoben. Auch muss unsere Energieversorgung bis zum Jahr 2030 auf regenerative Energien umgestellt werden. Wir treten daher für eine umfassende Umweltsteuerreform ein. Arbeit ist zu entlasten und Energie- und Rohstoffverbrauch sind zu belasten. Damit wird legale Arbeit bezahlbar und Schwarzarbeit weniger attraktiv. Gleichzeitig entstehen Anreize zur Energieeinsparung. Hohe Preise für Energie, Rohstoffe und Schadstoffemissionen gefährden nicht den Wirtschaftsstandort Deutschland, sondern setzen Entwicklungen zu umweltfreundlichen Produktionsweisen in Gang, die in Zukunft allein konkurrenzfähig sein werden.
Das ÖDP-Konzept:
l Auf den Verbrauch jeglicher nicht erneuerbaren Primärenergie (v.a. Kohle, Gas, Öl, Atomenergie) wird eine Steuer erhoben, die jährlich steigt.
l Diese Energiesteuer soll aufkommensneutral sein.
l Bei den Privathaushalten wird die Aufkommensneutralität durch eine Senkung der Mehrwertsteuer erreicht. So bleibt die Gesamtbelastung durch Verbrauchssteuern unverändert.
4.3.2 Umsatzsteuerreform
Während Finanztransaktionen an den Börsen ohne Umsatzsteuer abgewickelt werden, bezahlen die ärmsten Menschen Tag für Tag Mehrwertsteuer, wenn sie sich mit dem Lebensnotwendigen versorgen müssen. Das Gemeinwohl erfordert eine Reform der Umsatzsteuer mit dem Ziel, den lebensnotwendigen Bedarf zu entlasten.
Das ÖDP-Konzept:
Die Umsatzsteuer muss den Bedürfnissen der Menschen angepasst werden:
l 0% für Grundnahrungsmittel, Gesundheit, Bildung, ÖPNV
l 7% für weitere Lebensmittel, Bücher
l 19% für sonstige Produkte und Dienstleistungen
4.3.3 Finanztransaktionssteuer
Die Finanztransaktions-Steuer, die von dem Ökonomie-Nobelpreisträger James Tobin vorgeschlagen wurde und deshalb auch Tobin-Steuer genannt wird, ist eine spezielle Umsatzsteuer auf alle internationalen Devisengeschäfte. Sie ist dazu konzipiert, kurzfristige Spekulationen auf Währungsschwankungen und andere internationale Devisengeschäfte, die nur minimalen Gewinn einbringen und deshalb mit sehr großen Summen betrieben werden, weniger profitabel zu machen und damit zu unterbinden. Der schnellen Ausbreitung von Währungskrisen würde entgegengewirkt. Die Finanztransaktions-Steuer würde auch das Waschen von illegal erwirtschaftetem Geld und die Steuerflucht erschweren. Die Höhe kann zwischen 0,05% und 1% schwanken. Die Finanztransaktions-Steuer müsste allerdings weltweit eingeführt werden, da sich sonst die Spekulanten in ein einziges Land zurückziehen und von dort aus agieren könnten. Die eingenommenen Gelder wären zur Finanzierung von Entwicklungshilfe oder für Maßnahmen zum Umweltschutz etwa im Rahmen des Global Marshall Plans zu verwenden.
Das ÖDP-Konzept:
l Deutschland muss sich für die internationale Einführung der Finanztransaktions-Steuer einsetzen.
l Die Einnahmen aus der Finanztransaktions-Steuer sollen zur Umsetzung des Global Marshall Plans eingesetzt werden.
4.3.4 Faire Einkommens-, Vermögens- und Erbschaftssteuer
Die bundesrepublikanische Gesellschaft driftet immer weiter auseinander. Das hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale und politische Konsequenzen, die sich zunehmend auch in der Etablierung extremer politischer Bewegungen und Parteien zeigen. Diese Spaltung der Gesellschaft begann unter der Kanzlerschaft von Helmut Kohl in den 1980er Jahren und verstärkte sich massiv mit den steuer- und sozialpolitischen Entscheidungen der rot- grünen Bundesregierung Schröder/Fischer: Absenkung des Spitzensteuersatzes von 53% auf 42%, Einführung der Abgeltungssteuer für Kapitalerträge, Verzicht auf Erhebung einer Vermögenssteuer, Verweigerung der Einführung einer fairen Erbschaftssteuer, Absenkung des Rentenniveaus, Abschaffung der Arbeitslosenhilfe im Zusammenhang der Hartz-IV-Gesetze. Diese steuer- und sozialpolitischen Weichenstellungen führten zu einer starken Umverteilung von unten nach oben und zu einer Situation, die sozialen Aufstieg kaum mehr zulässt und Abstiegsängste in Kreisen von Facharbeitern und Akademikern nicht unrealistisch erscheinen lässt. Die drei Bundesregierungen unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel haben nichts dazu getan, die Fehlentscheidungen der Vorgängerregierungen zurückzunehmen und deren fatale Folgen abzuwenden.
Das ÖDP-Konzept:
l Abbau des Mittelstandsbauches bei der Einkommensteuer
l Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 50 Prozent
l Abschaffung der sog. „kalten Progression“ durch jährliche Anpassung der Einkommenssteuertabellen an die durchschnittliche Einkommensentwicklung
l Abschaffung der Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge. Kapitalerträge müssen mindestens wieder so hoch besteuert werden wie Erwerbseinkommen.
l Das Ehegattensplitting wird bis zur Einführung eines sozialversicherungspflichtigen Gehalts für die familiäre Sorgearbeit beibehalten, da es die derzeit einzige wirksame gesellschaftliche Anerkennung dieser unverzichtbaren Leistung darstellt. Ein Wegfall würde die Wahlfreiheit des Lebensstils der Familien weiter einengen.
l Wirksame Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer zur fairen Besteuerung großer Vermögensübertragungen. Ein Freibetrag von 1 Million Euro für Ehegatten, Lebenspartner und Kinder ist zu gewähren.
l Wiedereinführung einer Vermögenssteuer auf große Vermögen über 3 Millionen Euro.
4.3.5 Entschiedene Bekämpfung der Steuerflucht
Obwohl inzwischen eine starke Vereinheitlichung des Finanzsystems in der EU besteht, werden Kapitaleinkommen (Zinsen, Dividenden u. a.) in den EU-Ländern noch sehr unterschiedlich besteuert. So gibt es z.B. in Luxemburg keine Kapitalertragssteuer. Dieser Zustand fördert Steuerhinterziehung durch Kapitalflucht innerhalb der EU. Es ist nicht hinzunehmen, dass sich auf diese Weise Kapitaleinkommen der Besteuerung entziehen können, während Erwerbseinkommen voll versteuert werden müssen.
Das ÖDP-Konzept:
l Es ist eine EU-weite gleich hohe Quellensteuer anzustreben und sicherzustellen, dass Kapitaleinkommen nicht geringer besteuert werden als Erwerbseinkommen.
l Sogenannte „Steueroasen“ sind konsequent auszutrocknen.
l Auch die derzeit noch legalen Konstruktionen von international agierenden Konzernen zur Steuervermeidung sind zu unterbinden. Es muss durchgesetzt werden, dass Gewinne immer dort zu versteuern sind, wo sie erwirtschaftet werden.
l Es ist in dieser Angelegenheit bei allen wichtigen Partnerstaaten (EU-Staaten, G7, Russland, China) solidarisches Handeln einzufordern.
4.4 Fairer Handel
Durch die Aushandlung von sogenannten Freihandelsabkommen der zweiten Generation (CETA, TPP, TTIP, TISA) versuchen die großen Wirtschafts- und Handelsmächte (USA, EU, China, Japan) derzeit, sich einen möglichst großen Einfluss auf Welthandel und Weltwirtschaft zu sichern. Kernstücke der angestrebten Vereinbarungen sind der Abbau der nichttarifären Handelshemmnisse, der Investorenschutz und die regulatorische Kooperation. Den von den Befürwortern erwarteten Vorteilen (geringere Kosten, zusätzliche Arbeitsplätze) stehen aber gravierende Nachteile gegenüber, die aus bisherigen Erfahrungen z.B. mit dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA erkennbar sind: Absenkung von Löhnen und Arbeitnehmerrechten, Einfrieren und ggf. Absenkung von Sozial- und Umweltstandards, Einschränkung der nationalen Souveränität. Nicht zuletzt dienen diese Freihandelsabkommen auch dazu, gegenüber Schwellen- und Entwicklungsländern weiterhin die Regeln diktieren zu können und damit das Macht- und Wohlstandsgefälle gegenüber unseren Rohstoff- und Nahrungsmittellieferanten aufrechtzuerhalten.
Das ÖDP-Konzept:
l Sogenannte „Freihandelsabkommen“, die die staatliche Souveränität und die demokratische Mitbestimmung einschränken, (CETA/TTIP/TISA) dürfen von der Bundes- republik Deutschland nicht abgeschlossen werden. Die ÖDP fordert stattdessen faire Handelsabkommen, die auf der Basis der Welthandelsorganisation (WTO) einvernehmlich ausgehandelt werden und auch den schwächeren Partnern echte Chancen eröffnen.
l Der „Faire Handel“ muss zum Leitgedanken aller neuen internationalen Handelsverträge werden. Nur Länder, die ökologische und soziale Mindeststandards verbindlich vertraglich anerkennen und sich verpflichten, diese Standards einzuhalten und kontinuierlich zu verbessern, sollen künftig als bevorzugte Partner im Welthandel anerkannt werden.
l Die Vergaberichtlinien auf allen Ebenen sind so zu fassen, dass künftig die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards zur Voraussetzung für den Erhalt öffentlicher Aufträge wird.
l Bindung aller öffentlichen Aufträge an die Bedingung fairer Produktion (ILO 182 etc.)
4.5 Faire Löhne für alle Beschäftigten
4.5.1 Mindestlohn
Seit 2015 gilt auch in Deutschland ein Mindestlohn. Der von manchen befürchtete Verlust von Arbeitsplätzen ist nicht eingetreten. Die Höhe des Mindestlohnes von EUR 8,50 wurde von der ÖDP von Anfang an für zu niedrig gehalten, weil damit auch bei 45 Jahren Vollzeiterwerbstätigkeit nicht einmal eine Altersrente auf dem Niveau der Grundsicherung zu erreichen ist. Daher setzen wir uns weiterhin dafür ein, den Mindestlohn auf ein Niveau zu erhöhen, der ein menschenwürdiges Auskommen ermöglicht.
Das ÖDP-Konzept:
l Der Mindestlohn ist kurzfristig auf 12 Euro zu erhöhen und dann jährlich an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten anzupassen.
l Unbefristete Arbeitsverhältnisse dürfen durch befristete Arbeitsverträge und Leiharbeit nicht ausgehebelt werden.
4.5.2 Begrenzung der Lohnspreizung
Von den 1990er Jahren an hat die Lohnspreizung in Deutschland rasant zugenommen. Dadurch verschieben sich mittelfristig auch die Vermögensverteilung und die Bildungs- und Aufstiegschancen. In der Folge werden der gesellschaftliche Zusammenhalt und der soziale Frieden gefährdet. Geht man davon aus, dass das Einkommen aus einer Vollzeitstelle auch bei der am niedrigsten entlohnten Tätigkeit ausreichen muss, einen Menschen und ggf. seine Kinder angemessen zu ernähren, dann sollte das 12-fache dieses Einkommens in jedem Fall ausreichen, auch die am höchsten qualifizierten Fach- und Führungskräfte angemessen zu entlohnen. Dieses Verhältnis entspricht auch etwa der Lohnspreizung im Öffentlichen Dienst zwischen ungelernten Hilfskräften und dem Bundespräsidenten. Wichtig ist, dass mit diesem Konzept keine generelle Lohnhöhengrenze festgelegt wird. Es ist jedem Unternehmen freigestellt, höhere Spitzenlöhne zu zahlen, aber es muss dann auch das Lohnniveau insgesamt erhöhen.
Das ÖDP-Konzept:
l Es ist durch Bundesgesetz festzulegen, dass in ein und demselben Unternehmen das Verhältnis der höchsten Vergütung zur niedrigsten – bezogen auf einen Vollzeitarbeitsplatz – nicht mehr als 12:1 betragen darf.
4.6 Gemeingüter zum Wohl von Mensch und Natur schützen
Die ebenso fundamentalen wie begrenzten Güter Boden, Wasser, Luft müssen umfassend als Gemeingüter behandelt und geschützt werden. Wasser und Luft dürfen nicht in Privateigentum sein, gleiches gilt für Bodenschätze und Funkfrequenzen. Die Nutzung dieser Gemeingüter muss gemeinwohl- und zukunftsorientiert reguliert werden. Insbesondere die Art der Boden- und Wassernutzung soll nicht mehr allein von den Nutzungsinteressen (Land- und Forstwirtschaft, Besiedelung, Gewerbe, Verkehrswegebau) der jeweiligen Eigentümer bestimmt werden, denn sie beeinflusst ganz maßgeblich unser aller Leben – und das unserer Kinder und Kindeskinder. Klimawandel, Bodenerosion, Flächenfraß, Artenschwund, Trinkwasserbelastung, Grundwasserabsenkung, Überschwemmungen u.a.m. werden ganz entscheidend auch von der Art der Bodennutzung mit beeinflusst. Auch die wesentlichen Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge (Bildung, Bahn, Post, Telekommunikation, Internet, öffentlicher Verkehr, Wasser, Gas, Strom) erfordern klare staatliche Regulierung.
Das ÖDP-Konzept:
l Bund, Länder und Gemeinden müssen die Nutzung dieser Gemeingüter stärker regulieren können. Sofern sie Nutzungsrechte vergeben, müssen diese zeitlich begrenzt bzw. kündbar sein und mit gemeinwohlorientierten und ökologischen Rahmenbedingungen ausgestattet sein.
l Angesichts der elementaren Bedeutung von Grund und Boden für jedwedes Wirtschaften und angesichts der weltweit rasant zunehmenden Konzentration des Eigentums an Grund und Boden auf immer weniger Akteure (Landgrabbing) ist das Bodenrecht zur Verhinderung von Landgrabbing zu reformieren.
l Die derzeit geltende Steuerbefreiung für Erträge aus Grundstücksgeschäften nach einer Haltedauer von 10 Jahren ist abzuschaffen.
l Steigerungen des Bodenwerts, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.
l Das am 9.3.2017 vom Deutschen Bundestag beschlossene, bis zum 31.12.2019 befristete beschleunigte Bebauungsplanverfahren für kleine Gebiete im Außenbereich (§ 13b BauGB) ist zurückzunehmen.
l Die Grundsteuer B (für bebaute und bebaubare Grundstücke) ist in eine Bodensteuer umzuwandeln, um das Nutzungsinteresse für brachliegende innerörtlicher Liegenschaften zu steigern und das Interesse an Neuausweisung von neuen Wohn- und Gewerbegebieten zu mindern.
l Das Grundstücksverkehrsgesetz ist so zu gestalten, dass landwirtschaftlich genutzte Flächen nicht von externen, nichtagrarischen Investoren zur Kapitalanlage aufgekauft werden können. Bisher genutzte Umgehungsstrategien (z.B. durch Parzellierung, Übertragung von Geschäftsanteilen, Aushebeln von Vorkaufsrechten mittels Verknüpfung mit Waldflächen oder mittels vorab geschlossener Pachtverträge) sind zu unterbinden.
4.7 Für eine Welt in Balance: der Global Marshall Plan
Es ist ökologisch unmöglich, dass alle mehr als 7 Milliarden Menschen, die derzeit auf der Erde leben, Ressourcen im selben Ausmaß verbrauchen wie wir heute u.a. in Europa und Nordamerika. Noch viel weniger ist es möglich, dieses Niveau des Verbrauchs auf zukünftige Generationen auszuweiten. Die einzige Alternative ist eine nachhaltige Entwicklung weltweit. Die Global Marshall Plan Initiative hat ein durchführbares, finanzierbares Modell für ein friedliches und gerechtes Zusammenleben der Völker in einer lebenswerten Welt entwickelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die USA im Rahmen des Marshallplans Westeuropa Aufbauhilfe geleistet, die zu unserem heutigen Wohlstand in Deutschland entscheidend beigetragen hat. Mit einem globalen Marshallplan sollen weltweit die Armut überwunden, die Umwelt geschützt, demokratische Gesellschaftsordnungen etabliert werden. Grundlage ist eine weltweite ökologisch-soziale Marktwirtschaft. Der Global Marshall Plan verfolgt fünf Kernziele:
(1) Umsetzung der Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs), die eine „Transformation“ unserer Welt gemäß der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung anstreben.
(2) Erreichung des 0,7%-Ziels und für Entwicklung erforderliche zusätzliche Mittel verfügbar machen!
(3) Faire Besteuerung globaler Wertschöpfung als Finanzierungsbasis.
(4) Förderung einer weltweiten ökologisch-sozialen Marktwirtschaft.
(5) Faire globale Entwicklungspartnerschaft.
Um diese Ziele zu erreichen, sind neue Finanzierungsquellen zu erschließen. Dafür fordert die ÖDP die Besteuerung globaler Finanztransaktionen (Tobin-Steuer) und die „Terra-Abgabe“ (Abgabe auf den grenzüberschreitenden Handel). Eine Terra-Abgabe von 0,5% würde die Produkte kaum verteuern, wäre aber ein Anfang für einen fairen Welthandel und ein gerechtes Welt-Steuersystem. Nicht alle Firmen können sich nämlich an der Globalisierung beteiligen. Manche sind z.B. aufgrund ihrer Produkte auf bestimmte Regionen angewiesen. Diejenigen jedoch, die global agieren, verschaffen sich Wettbewerbsvorteile, indem sie sich nationalen Standards und Steuerpflichten entziehen. Frühere Fehler beim Einsatz von Entwicklungshilfe sind zu vermeiden. Es müssen kurzsichtige wirtschaftliche und machtpolitische Interessen sowohl in den Geber- als auch in den Nehmerländern ausgeschaltet werden. Korruption ist zu bekämpfen, Subsidiarität zu achten. Vor allem soll auf eine öffentliche Ausschreibung der Programme unter Nichtregierungsorganisationen Wert gelegt werden. Damit wird eine gesunde Konkurrenz gefördert und die Mittel werden nach der besten Kosten-Nutzen-Relation eingesetzt. Vorrangig sollen Projekte gefördert werden, die die unternehmerische Aktivität der Menschen vor Ort unterstützen (z.B. mit Krediten, vor allem Kleinkrediten). Wissen und Fertigkeiten sollen an eine möglichst große Zahl von Einheimischen und nicht an eine kleine Elite vermittelt werden. Hilfe zur Selbsthilfe ist die Devise. Umweltschutz kann in den Entwicklungsländern nur dann verlangt werden, wenn gleichzeitig die Armut gelindert wird. Denn wer um das Überleben kämpft, sieht in erster Linie sich und seine Familie und nicht die Umwelt. Manche Entwicklungsländer haben nur deshalb wirtschaftliche Vorteile, weil der Umweltschutz dort keine Rolle spielt. Es sollen deshalb zwar Projekte gefördert werden, die Wohlstand bringen, im Gegenzug wird aber verlangt, dass ökologische und demokratische Standards eingehalten werden wie die des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) und die Kernstandards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Mit dem Global Marshall Plan soll die Idee einer Welt in Balance verwirklicht werden. Die ÖDP ist der Global Marshall Plan Initiative beigetreten und setzt sich für die politische Umsetzung des Plans ein.
5. Gesellschaft und Staat demokratisch gestalten
5.1.Einfluss begrenzen – Politik und Wirtschaft trennen
Demokratie lebt von Mitarbeit, Einmischung und Kontrolle durch alle Akteure einer Gesellschaft. Aufgrund der Eingebundenheit Deutschlands in internationale Vertragswerke sinkt der nationale Handlungsspielraum zunehmend. Die Fachleute auf der internationalen Bühne sind die Vertreter der globalen, das Finanzkapital der Welt in den Händen haltenden Multiplayer. Durch den Mangel an Wissen und Kooperationsfähigkeit haben die Bevölkerungen schleichend die Macht an die (einfluss)reichen Gruppen unterschiedlichster Lobbys abgegeben. Letztere werden inzwischen von demokratischen Vertretern hochoffiziell für das politische Tagesgeschäft bis hin zur Gesetzgebung um Mithilfe gebeten. Oder deren vorgelegte Gesetzesvorschläge werden nur noch abgeändert und durchgewinkt. In der Verflechtung von Politik und Wirtschaft sieht die ÖDP ernst zu nehmende Gefahren für die Demokratie und für das Gemeinwohl. Durch Beraterverträge, Aufsichtsratsposten und Firmenspenden sind politische Mandatsträger heute vielfach mächtigen Gruppen und deren eigennützigen Interessen verpflichtet. Darunter leiden Glaubwürdigkeit, Sachorientierung und Zukunftsfähigkeit aller demokratischen Institutionen. Ohnmacht und Ärger sind gestiegen. Und das global.
Das ÖDP-Konzept:
Um demokratisch-politische Willensbildung wieder wirkungsvoll und damit für mehr Menschen attraktiv zu machen, tritt die ÖDP für folgende Ziele ein: Politik muss sich dem Gemeinwohl verpflichten. Die nationale Politik hat im Interesse ihrer Bürger dafür Sorge zu tragen, dass die im Folgenden genannten Punkte auf allen Ebenen und in allen Bereichen umgesetzt werden.
l Nur ein sofortiger Ausstieg aus den noch nicht abgeschlossenen WTO-Verhandlungsrunden zur Deregulierung und Privatisierung sämtlicher Märkte ermöglicht überhaupt erst den Erhalt eines sozialen Staates. Kein TTIP, CETA, TISA! Entsprechend sind sämtliche WTO- und EU-Verträge auf ihre partielle Kündbarkeit hin juristisch zu prüfen, um folgende Interessen durchzusetzen:
l sofortiges Ende jeglicher Public Private Partnership-Vergabeverfahren,
l sofortigen Stopp weiterer Privatisierungen und Deregulierungen,
l Änderung des Stiftungsrechts,
l Kündigung sämtlicher Beraterverträge mit privatwirtschaftlich getragenen Think Tanks,
l Verbot der nicht-öffentlichen Beratung mit ausgewählten Lobbyisten,
l zwangsweise Wiederherstellung der Öffentlichkeit in allen teil-öffentlichen Vergabeverfahren unter Änderung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten,
l Wiederaufnahme sämtlicher ehemals öffentlicher Güter und Dienstleistungen wie Bildung, Bahn, Post, Telekommunikation, öffentlicher Verkehr, Wasser, Gas, Strom, …, unter zentrale, staatliche Verwaltungsbehörden, die in einem Kooperationsteam die Belange sämtlicher Interessengruppen der Gesellschaft eigenständig zu berücksichtigen hat,
l Verpflichtung aller politischen Mandats- und Entscheidungsträger, auf jegliche Vorteilsnahme im Amt zu verzichten,
l Verbot, neben einem politischen Amt Aufsichtsrats- oder sonstige, wirtschaftliche Interessenvertretung ermöglichenden Posten innezuhaben, soweit sich das Unternehmen nicht mehrheitlich in öffentlicher Hand befindet,
l sowie gezielte Gesetzgebung, die Verstöße gegen die vorgenannten Prinzipien unter Strafe stellt.
Um Politik und Wirtschaft strikt voneinander zu trennen und um Interessenkonflikte zu vermeiden, fordern wir:
l Trennung von politischem Mandat und wirtschaftlicher Interessenvertretung. Abgeordnete und Minister dürfen keine bezahlten Aufsichtsratsposten übernehmen.
l Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters auf Europa- und Bundesebene.
l Einführung von Anti-Korruptions-Beauftragten in allen Behörden.
5.2 Parteien- und Politikerfinanzierung neu regeln
Die Verschleierung von Parteispenden durch Stückelung und durch vielfältige Kaschierung (Sponsoring, Anzeigen in Veröffentlichungen, Infoständen auf Parteitagen) sowie die verdeckte Finanzierung über Fraktionskassen und parteinahe Stiftungen machen eine Neuregelung der Parteienfinanzierung zwingend erforderlich. Wir brauchen auch hier transparente Strukturen. Die ÖDP hat sich verpflichtet, Firmenspenden grundsätzlich nicht anzunehmen. Nur so kann Politik unabhängig bleiben und dem Gemeinwohl dienen. Das Volk kann sich kaum durch Volksvertreter repräsentiert fühlen, die sich durch Sonderrechte über das Volk stellen. Die Vergütung der Volksvertreter muss ihren Aufgaben angemessen sein und ihre Unabhängigkeit sichern. Unbegründete Privilegien wie der Verzicht auf Einzelnachweise bei Aufwandsentschädigungen aber sind zu streichen.
Das ÖDP-Konzept:
l Spenden von Firmen und Großorganisationen an politische Parteien und Wählervereinigungen sind zu verbieten, um diese subtile Beeinflussung von Parteien zu verhindern.
l Solange Spenden von juristischen Personen nicht verboten sind, muss die 50.000-Euro- Grenze der Pflicht zur unverzüglichen Anzeige und Veröffentlichung auf 10.000 Euro abgesenkt werden.
l Spenden von natürlichen Personen an Parteien sind auf 50 000 Euro pro Jahr zu begrenzen.
l Zuwendungen von Sachmitteln und Dienstleistungen sind in den Rechenschaftsberichten der Parteien entsprechend ihrem Verkehrswert auszuweisen und den Regelungen des Parteiengesetzes für Zuwendungen zu unterwerfen.
l Die Position „sonstige Einnahmen“ in den Rechenschaftsberichten darf nicht weiter der Verschleierung unrechtmäßiger Parteieinnahmen dienen. Daher sollen künftig alle Einnahmen ab einem Betrag von 500 Euro in den Rechenschaftsberichten einzeln mit ihrer Herkunft aufgeführt werden. Die Position „sonstige Einnahmen“ darf insgesamt nicht mehr als 5% der Gesamteinnahmen einer Partei ausmachen.
l Künftig soll der Bundesrechnungshof darüber wachen, dass die Parteien die gesetzlichen Finanzierungsvorschriften einhalten. Er soll hierzu die gleichen Kompetenzen zur unangemeldeten Akteneinsicht wie die Steuerfahndung haben und aufgedeckte Verstöße zur Anklage bringen können.
l Es ist eine klare Trennungslinie zwischen den parteinahen Stiftungen und ihren Mutterparteien zu ziehen, so dass die Stiftungen nicht als indirekte staatliche Finanzierungsquelle der Parteien dienen können. Nur unter dieser Bedingung ist eine (reduzierte) öffentliche Förderung der Stiftungen weiterhin akzeptabel.
l Spenden an Abgeordnete müssen künftig unzulässig sein, damit die Unabhängigkeit der Abgeordneten in jedem Fall gewahrt bleibt.
l Vergütungen für gewählte Repräsentanten (Abgeordnetendiäten, Aufwandsentschädigungen, Zuschüsse an Fraktionen usw.) dürfen nur entsprechend der allgemeinen Einkommensentwicklung geändert werden. Zu erstattende Auslagen sind wie allgemein üblich zu belegen. Das Recht auf Berufsausübung ist zu wahren, die Einkünfte daraus müssen veröffentlicht werden.
l Die Gehälter der Regierungsmitglieder sollen am Ende der Wahlperiode im öffentlichen Gesetzgebungsverfahren für die ganze folgende Periode festgelegt werden. Weitere Einkommensteile wie steuerfreie Dienstaufwendungspauschalen, Diäten und steuerfreie Kostenpauschalen aus einem parallelen Abgeordnetenmandat sind ersatzlos zu streichen.
l Das staatliche Übergangsgeld ist auf höchstens ein Jahr bzw. die Dauer einer gesetzlichen Karenzzeit zu begrenzen.
l Die Mehrfach- und Überversorgung (Übergangsgelder) von Politikern, die aus der aktiven Arbeit ausgeschieden sind, ist zu beschneiden. Die Altersversorgung ist über die Gesetzliche Rentenversicherung zu regeln.
5.3 Demokratische Rechte ausbauen und schützen
Menschen interessieren sich umso mehr für Politik, je mehr sie daran beteiligt werden, ernst genommen werden und ihre Lebensbelange einbringen können. In einer Zeit, da die etablierten Parteien das Vertrauen der meisten Bürger verloren haben, sind unbedingt weitere demokratische Mitwirkungsrechte notwendig. Echte Demokratie verleiht allen Interessengruppen eine Stimme. Auch denen, die sich keine Macht erkaufen können. Die ÖDP fordert demokratische Rechte, die das Volk zum wirklichen Souverän machen. Und nur das volle demokratische Selbstbestimmungsrecht aller Bürger garantiert ein demokratisches Gemeinwesen.
Das ÖDP-Konzept:
Politik muss Mitbestimmung aktiv ermöglichen! Demokratie ist laut unserem Grundgesetz Grundlage unseres Staates und muss eingeräumt, nicht erkämpft werden. Deswegen müssen politische Gremien darauf hin arbeiten, Möglichkeiten direkt-demokratischer Mitbestimmung zu schaffen und sie von sich aus herstellen.
l Direkte Demokratie auf Bundesebene ist wie folgt zu ermöglichen: (a) Volksinitiative: Mit 100.000 Unterschriften kann dem Bundestag ein Gesetzentwurf vorgelegt werden. (b) Volksbegehren: Lehnt der Bundestag die Volksinitiative ab, kann ein Volksbegehren eingeleitet werden. Für dessen Erfolg müssen in neun Monaten eine Million Unterschriften zusammenkommen, bei grundgesetzändernden Volksbegehren 1,5 Millionen. Im Anschluss folgt der Volksentscheid. (c) Volksentscheid: Hier entscheidet - wie bei Wahlen - die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Jeder Haushalt bekommt im Vorfeld eine Abstimmungsbroschüre mit wichtigen Informationen und allen Pro- und Kontra-Argumenten. (d) Zusätzlich sollen die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, einen Volksentscheid gegen Beschlüsse des Bundestages einzuleiten (fakultatives Referendum). (e) Die o.a. erforderlichen Unterschriften müssen in offener Sammlung gesammelt werden dürfen, d.h. nicht ausschließlich durch Eintrag auf der Stadt- oder Gemeindebehörde.
l Volksentscheide müssen prinzipiell auch dann zulässig sein, wenn sie Auswirkungen auf den Haushalt haben.
l Statt Vorabsprachen und machtpolitischer Vorgaben der Parteien bei der Wahl des Bundespräsidenten / der Bundespräsidentin fordern wir die Direktwahl.
l Die Amtszeit des Bundeskanzlers / der Bundeskanzlerin ist auf maximal zehn Jahre (zwei Legislaturperioden) zu begrenzen.
l Die gleichzeitige Tätigkeit in Parlamenten und Regierungen muss ausgeschlossen werden, ebenso die gleichzeitige Wahrnehmung von politischen Mandaten und Funktionen in Wirtschaftsunternehmen oder -verbänden, sofern es sich nicht um eine Weiterführung der bisherigen Berufstätigkeit handelt.
l Zur Vermeidung von Wahlbeeinflussungen sind Publikationen von Wahlumfragen und -prognosen im Zeitraum von sechs Wochen vor Wahlen zu verbieten (wie z.B. in England und in Frankreich).
l Weil Wahlprognosen das Wählerverhalten stark beeinflussen können, sollen die Umfrageinstitute verpflichtet werden, bei der Veröffentlichung von Wahlumfragen die von ihnen verwendeten Methoden detailliert offenzulegen.
l Das Informationsfreiheitsgesetz ist so zu ändern, dass es auch Länder und Gemeinden verpflichtet, entsprechende Regelungen für ihren Bereich zu erlassen. Es muss das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Einsicht in nicht personenbezogene Akten zu niedrigen Gebühren gewährleisten und die Informationspflicht der Behörden regeln.
l Das Grundgesetz ist so zu ändern, dass der Bundestag bei Waffenexporten ein Kontrollrecht gegenüber dem Bundessicherheitsrat hat.
5.4 Wahlrecht reformieren
Das pluralistisch orientierte Verhältniswahlrecht bei Bundes- und Landtagswahlen ist zu stärken, weil es am demokratischsten ist und neue politische Bewegungen zulässt. Ziel sollte die möglichst proportionale Verteilung von Mandaten sein sowie ein möglichst gleiches Wahlrecht für alle Menschen.
Das ÖDP-Konzept:
l Sperrklauseln sind abzuschaffen. Die Mandatsverteilung nach d’Hondt muss - wo sie noch verwendet wird - durch weniger verzerrende Verfahren ersetzt werden.
l Dort, wo noch Sperrklauseln existieren, muss die Option einer Ersatzstimme eingeführt werden, um die vom Grundgesetz geforderte Gleichheit der Wahl herzustellen. Bei der Ersatzstimme kann der Wähler mittels einer Nummerierung der Parteien auf dem Stimmzettel festlegen, welcher anderen Partei seine Stimme zufallen soll, falls die von ihm bevorzugte Partei an der Sperrklausel scheitert.
l Dort, wo keine Sperrklausel existiert und folglich auch keine Ersatzstimme erforderlich ist, sollte den Wählerinnen und Wählern die Möglichkeit geboten werden, auf dem Stimmzettel bestimmte Kandidatinnen und Kandidaten zu bevorzugen. Diese sogenannten offenen Listen können ggf. mit der Möglichkeit zum Kumulieren und Panaschieren kombiniert werden.
l Minderjährige im Alter von 14 bis 18 Jahren können sich auf Antrag bis sechs Wochen vor der Wahl in die Wählerlisten eintragen lassen und sind dann wahlberechtigt. Die Zustimmung der Sorgeberechtigten ist dazu nicht erforderlich.
l Die ÖDP setzt sich darüber hinaus für die Einführung eines allgemeinen Wahlrechts ein, das allen Staatsangehörigen ab Geburt zuteil wird.
5.5 Bürgerinnen und Bürger vor Kriminalität und Korruption schützen
Es gehört zu den ursprünglichen und zentralen Aufgaben des Staates, die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Er hat das Gewaltmonopol. Er muss wirksam die Kriminalität bekämpfen. Insbesondere im Bereich Menschenhandel und Zwangsprostitution besteht erhöhter Handlungsbedarf. Die Freiheit der Person - eine der wichtigsten Verfassungsideen der Neuzeit - wird dort verfallen, wo Angst um Leben, Würde, Gesundheit und Eigentum die Menschen einschüchtert. Neben einer wertorientierten Erziehung in Familie und Schule, neben einer aktiven Sozialpolitik, die der materiellen und sozialen Verwahrlosung vorbeugt, ist deshalb auch eine gezielte Politik der Kriminalitätsbekämpfung erforderlich.
Das ÖDP-Konzept:
l Um die organisierte Kriminalität einzudämmen, müssen Polizei und Staatsanwaltschaft vor allem Einblick und Zugriff auf die Finanzaktionen der Tätergruppen haben. Wichtig ist ein umfassendes Zeugenschutzprogramm, damit das Eindringen der Ermittler in die Strukturen der Organisationen gelingt. Zunehmende Korrumpierung und Infiltration von Politik, Wirtschaft und Verwaltung erleichtern die Ausbreitung der organisierten Kriminalität. Dem muss durch geeignete Maßnahmen - wie Abschöpfung illegaler Gewinne, konsequenter Ausschluss von Unternehmen, die Bestechungsgelder zahlen, von öffentlichen Aufträgen und Einsetzung von Antikorruptionsbeauftragten - entgegengewirkt werden.
l Die Kronzeugenregelung muss auf die Bekämpfung der gesellschaftszersetzenden Korruption ausgedehnt werden.
l Um die individuelle Gewaltkriminalität einzudämmen, muss die friedliche Bewältigung von Konflikten das vorherrschende und intensiv geübte Verhaltensmodell werden - in den Medien, in der Schule, in der Familie und ebenso in der Politik. Parallel dazu sind jedoch schwere Straftaten bei Anwendung körperlicher Gewalt (Vergewaltigung, Mord, schwere Körperverletzung, sexueller Missbrauch) strikt und zügig zu verfolgen.
l Das schwedische Modell der Prostitutionsgesetzgebung, welches die Inanspruchnahme sexueller Dienste gegen Bezahlung unter Strafe stellt, ist einzuführen. Prostituierte selbst sind nicht zu bestrafen.
l Gewalt durch Fundamentalisten, Links- oder Rechtsextremisten muss mit „Null Toleranz“ begegnet werden. Die Justiz muss personell so gut ausgestattet werden, dass die Täter schnell verurteilt werden können.
l Die so genannte Alltagskriminalität muss durch „lokale Sicherheitsforen“ zum Thema in den
Kommunen gemacht und in die Verantwortung aller gegeben werden.
l Die Wahrnehmung von Unrecht muss geschärft, selbstsicheres, Schaden minderndes Verhalten muss gestärkt werden. Auch bei sogenannten Bagatelldelikten ist die schnelle Verurteilung und Bestrafung des Täters wichtig, damit das Verfahren erzieherische Wirkung hat.
l Die zunehmende Beschaffungskriminalität kann nur durch ärztlich kontrollierte Abgabe harter Drogen (und Ersatzstoffe, z.B. Methadon) an die schwer Suchtkranken eingedämmt werden. So wird dem Dealer die Gewinnmöglichkeit genommen und dem schwer Suchtkranken ein Weg aus der Kriminalität und in die Therapie ermöglicht. Gleichzeitig werden die Bürger damit vor der Beschaffungskriminalität geschützt. Die Freigabe von sogenannten weichen Drogen lehnen wir ab.
l Zur Pflege der inneren Sicherheit gehört auch die konsequente Bekämpfung aggressiver und gefährlicher Verhaltensweisen im Straßenverkehr, insbesondere durch ein Fahrverbot als Regelstrafe bei groben Geschwindigkeits- und Abstandsverstößen.
l Wir setzen uns konsequent für die Opfer von Straftaten ein, z.B. durch verstärkten Täter- Opfer-Ausgleich und die Einführung eines Opfer-Anwaltes, um die rechtliche Stellung der Geschädigten zu stärken und den Opfern zusätzliche Sorgen und schmerzliche Erfahrungen vor Gericht zu ersparen.
l Eine freiheitliche Demokratie darf nicht zulassen, dass religiöse Gefühle, z.B. von Juden, Christen und Muslimen unter dem Deckmantel von Meinungs- und künstlerischer Freiheit, absichtlich erheblich verletzt werden können. Deshalb halten wir einen besseren Schutz religiöser Empfindungen für nötig. Die grobe Beschimpfung und Verhöhnung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungs-Vereinigungen darf nicht nur wie bisher (vgl. § 166 StGB) zu ahnden sein, wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Auch § 130 StGB (Volksverhetzung) ist bei diesen Delikten konsequenter anzuwenden.
l Die ÖDP unterstützt eine realistische und moderne Sicherheitspolitik. Das Gewaltmonopol des Staates erkennen wir ohne Vorbehalt an. Das Verbot terroristischer Vereinigungen muss konsequent umgesetzt werden, unabhängig ob rechter, linker oder religiöser Gesinnung. Es dürfen in Deutschland keine No-Go-Gebiete geduldet werden, in der das Gewaltmonopol des deutschen Staates nicht durchgesetzt werden kann. Zur Verhinderung solcher Gebiete ist die Polizei entsprechend personell und materiell auszurüsten.
5.6 Medien- und Netzpolitik
Seichte Angebote, zynische Gewaltfilme, Pornographie, Verlust der Informationsqualität und -vielfalt, Überforderung vor allem vieler Kinder durch Dauerberieselung und eine ständige Beeinflussung durch Konsumwerbung: So stellen sich große Teile unserer TV- und Medienlandschaft dar. Das ist nicht die erhoffte Vielfalt, die uns bei der Einführung des Privatfernsehens versprochen wurde. Wir setzen dieser Spirale der Niveausenkung eine Medienpolitik mit klarer Werteorientierung entgegen: Die gegebenen gesetzlichen Möglichkeiten müssen ausgeschöpft, notfalls die Gesetze verschärft werden. Ein hemmungsloser Marktliberalismus im Mediensektor geht auf Kostender seelischen Gesundheit von Kindern und Erwachsenen. Die Würde des Menschen muss auch und gerade in den Medien gewahrt bleiben.
5.6.1 Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Die vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk ursprünglich geforderte Bildungs- und Wertevermittlung findet zu wenig statt. Sendungen, die Wertvorstellungen, Umgangsformen, Achtung der Menschenwürde und Wissen vermitteln, werden stattdessen bewusst reduziert, konform zu den aktuellen Markt- und Wirtschaftsansprüchen.
Das ÖDP-Konzept:
l Der ursprünglich angelegte Bildungsauftrag muss wieder verstärkt wahrgenommen werden.
l Es ist wieder ein stabiles Fernseh- und Rundfunksystem, unabhängig von Quotenkalkül und Werbeeinnahmen, anzustreben.
l Die im Rundfunkstaatsvertrag von 2010 (mit der letzten Novellierung vom 01.01.2016) definierten Bestimmungen bezüglich Werbung und Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Medienbereich, vor allem in Hinblick auf Kindersendungen (Gesetz für den Jugendmedienschutz) und Sendungen in den „Dritten Programmen“, müssen rigoros Anwendung finden.
5.6.2 Jugendschutz
Internet, soziale Netzwerke und Spiel- und Unterhaltungssoftware prägen in hohem Maß unsere private, schulische und berufliche Umgebung. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen sind Freizeitgestaltung und Bildungsbeschaffung außerhalb dieser digitalen Möglichkeiten sehr zurückgedrängt worden. Vom Deutschen Kulturrat wurden Computer- und Konsolenspiele 2008 als Kulturgut anerkannt, ohne jedoch eine Differenzierung zwischen den Ausprägungen der Programme und den daraus resultierenden Gefährdungen für die einzelnen Altersklassen zu treffen. Da die gesetzlichen Vorgaben in dieser Hinsicht zu nachlässig gehandhabt werden, muss eine verstärkte Kontrolle der Nutzung sowohl innerhalb der schulischen als auch der elterlichen Kompetenz erfolgen. Dazu muss jedoch eine eindeutige Klassifizierung von verwendeter Software vorgenommen werden und mit gesetzlich vorgeschriebener Kontrolle in genau abgegrenzten Stufen erfolgen. Das Vermitteln von Bildungsinhalten in der Schule über digitale Plattformen darf erst erfolgen, wenn die Schüler eingehend über die Verwendungsmöglichkeiten und daraus resultierende Gefahren unterrichtet worden sind. Gerade durch die unkontrollierte Verwendung von Weblogs und Video- Tauschbörsen sowie frei verfügbaren E-Learning-Plattformen können grundlegende Gefahrenpotenziale nur bedingt erkannt und dementsprechend auch nicht verhindert werden.
Das ÖDP-Konzept:
l Stärkung der Medienkompetenz als generelle pädagogische Aufgabe in allen Schulen und Bildungseinrichtungen.
l Beschränkung und Kontrolle der zugelassenen Software- und Medienausstattung sowohl im freizeit- wie unterrichtstechnischen Umfeld
l Potenziell gefährdende Computer- und Konsolenspiele sowie Internetinhalte auf in Schulen genutzten Geräten sind zu sperren, bzw. von Festplatten zu löschen. Vorhandene Datenträger sind einzuziehen sowie „Kindersicherungen“ auf Routern und Zugriffsplattformen einzurichten.
5.6 3 Datenschutz
Wachsende Speicherkapazitäten und die steigende Effizienz der Datenverarbeitungssysteme vereinfachen es zusehends, immer größere Datenmengen zu sammeln. Wirtschaft und Behörden setzen vermehrt auf die zentrale Speicherung und Vernetzung von Daten und erhöhen so die Gefahr des Datenmissbrauchs um ein Vielfaches. Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung findet eine schleichende Aushöhlung der informationellen Selbstbestimmung statt, Bürgerinnen und Bürger werden zusehends unter Generalverdacht gestellt. Terror- und Verbrechensbekämpfung muss in einem angemessenen Verhältnis zum Datenschutz-Bedürfnis jeder/s Einzelnen stehen. Daher lehnen wir grundrechtsschädliche Verfahren wie die Vorratsdatenspeicherung, die Speicherung von Fluggastdaten und das Eindringen von Ermittlungsbehörden in private Rechner über Fernzugriff ab.
Das ÖDP-Konzept:
l Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist als Grundrecht in das Grundgesetz aufzunehmen.
l Behörden und öffentliche Einrichtungen sind zur dezentralen Speicherung von Daten zu verpflichten.
l Personenbezogene Daten dürfen nicht verdachtsunabhängig gespeichert werden.
l Die Datenschutzauflagen für die Wirtschaft sind zu verschärfen: Eine kommerzielle Nutzung persönlicher Daten darf erst nach ausdrücklicher Erlaubnis der Betroffenen und zeitlich befristet geschehen.
l Der Handel mit Adressdaten von Privatpersonen ist zu untersagen. Dies gilt auch für staatliche Träger.
l Verstöße gegen Datenschutz und Datenmissbrauch sind schärfer zu ahnden.
l Verhaltensbasierte Daten wie z.B. Surfverhalten, Suchverhalten dürfen nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Nutzers aufgezeichnet werden, ein Vermerk in den AGB reicht nicht aus.
l Die Panoramafreiheit muss erhalten bleiben.
l Alle Behörden Bund, Land und Kommune müssen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung anbieten.
l Backdoors in Verschlüsselungsprogrammen lehnen wir ab.
l Wir fordern ein Exportverbot von Spionagesoftware.
5.6.4 Urheberrecht
Das aktuelle Urheberrecht ist nicht mehr zeitgemäß und bedarf dringend einer Überarbeitung. Es ist inakzeptabel, dass Verwertungsgesellschaften den Großteil des Gewinns durch urheberrechtlich geschütztes Material für sich beanspruchen und den Urhebern oft keinen angemessenen Ausgleich für ihre Arbeit bieten. Ehrliche Kunden werden mit unzumutbaren Kopierschutzsystemen, die beispielsweise die Anzahl der Installationen einschränken, den Wiederverkauf verhindern oder eine permanente Internetverbindung erfordern, als potentielle Raubkopierer abgestempelt. Eine Überarbeitung des Urheberrechts darf nicht allein die wirtschaftlichen Interessen der großen Verwertungsgesellschaften im Blick haben, sondern muss sich in der Hauptsache an den Interessen der Urheber und Verbraucher orientieren, denen der Staat in erster Linie verpflichtet ist. Jede/r Urheber/in hat einen Anspruch auf eine faire Bezahlung ihrer/seiner Arbeit. Die ÖDP sieht deutliche Defizite in der Bekämpfung von Massenabmahnungen, um die sich in den letzten Jahren ein lukratives Betätigungsfeld gebildet hat. Die im Rahmen des zivilrechtlichen Auskunftsanspruches getätigten Massenabfragen bei Providern liefern häufig eine hohe Fehlerquote. Zu Unrecht abgemahnte Internetnutzer haben deshalb oft keine Möglichkeit sich juristisch zu wehren, da die Logdateien gelöscht werden und die Beweislast umgekehrt wird. Grundsätzlich befürworten wir die Möglichkeit, dass Urheber die Möglichkeit haben, ihr Recht außergerichtlich durchzusetzen, dies darf allerdings nicht auf Kosten der Abgemahnten geschehen und nicht als Geschäftsmodell fungieren.
Das ÖDP-Konzept:
l Keine Patente auf Software.
l Förderung von Open Access unter angemessener Berücksichtigung der Interessen von Wissenschaftlern.
l Stärkung der Urheber/innen gegenüber den Verwertungsgesellschaften.
l Massenabmahnungen müssen gesetzlich unterbunden werden.
l Reform des gesamten Abmahnwesens: Die Beweislast muss beim Abmahnenden liegen; durchgehende Deckelung der Kosten für abgemahnte Privatpersonen.
l Keine Einschränkungen ehrlicher Käufer mit unzumutbaren Kopierschutzsystemen. Es muss sichergestellt sein, dass die Inhalte auf allen gängigen Hard- und Softwareplattformen genutzt werden können. Die Möglichkeit des Weiterverkaufs muss gewährleistet sein.
l Die Fristen des Urheberrechts sind auf 50 Jahre zu verkürzen.
l Arbeit muss angemessen entlohnt werden, daher Privatkopien innerhalb der Familie ja; eine generelle Freigabe des Kopierens darf es aber nicht geben.
5.6.5 Netzsperren
Die Sperrung von Internetinhalten wie beispielsweise Kinderpornographie über eine Modifikation von DNS-Servern (sog. Netzsperren) ist unwirksam, da sie mit einfachsten Mitteln umgangen werden kann. Durch Filtersysteme ist betroffenen Kindern und Jugendlichen nicht geholfen, da sich Austausch und Verbreitung menschenverachtender Inhalte in den seltensten Fällen in öffentlich zugänglichen Bereichen des Internets abspielen. Dasselbe gilt für Internetangebote mit exzessiven Gewaltdarstellungen sowie für links- wie rechtsextreme Plattformen. Einschlägige Angebote müssen komplett abgeschaltet und die Täter strafrechtlich verfolgt werden. Dies kann nur im internationalen Kontext in enger Zusammenarbeit mit anderen Staaten effektiv umgesetzt werden, da sich viele Anbieter auf ausländischen Seiten befinden.
Das ÖDP-Konzept:
l Höhere Mittel und mehr Personal in den zuständigen Behörden für die direkte Bekämpfung von Kinderpornographie statt einer Investition in unwirksame virtuelle Stopp-Schilder.
l Ausweitung der internationalen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Kinderpornographie und anderen rechtswidrigen Web-Inhalten.
l Ein grundsätzliches Nein zum Aufbau einer Infrastruktur zur Sperrung von Internetinhalten, da diese willkürlich auf andere Bereiche ausgeweitet und als Zensurfunktion missbraucht werden kann.
5.7 Flucht – Asyl – Integration
5.7.1 Fluchtgründe wirksam beseitigen
Eine wirkungsvolle Flüchtlingspolitik muss an der Wurzel ansetzen, also zur Beseitigung der vielfältigen und historisch differenziert zu sehenden Fluchtgründe beitragen. Unter dem Eindruck des 2. Weltkriegs wurden in der Genfer Konvention und in der Menschenrechts- Konvention folgende Asylgründe festgelegt, die international anerkannt sind und auch in der Bundesrepublik gelten: Anspruch haben also politisch Verfolgte, Menschen, deren Leib und Leben oder Freiheit wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Volks- oder Staatsangehörigkeit, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder wegen ihrer politischen Überzeugung bedroht sind. Durch die aktuellen globalen Entwicklungen erscheint uns dieser Ansatz bei Weitem nicht mehr ausreichend: Die Militarisierung, die in den letzten Jahren wieder zunimmt, die steigende Häufigkeit von Terror und Kriegen verschiedener Ausprägungen führen zur Destabilisierung von Staaten bis hin zu ihrem Zusammenbruch und zu zahlreichen Opfern in der Zivilbevölkerung. Weltweit werden jährlich etwa Milliarden US-Dollar in Rüstung und in Militär investiert, aber nur etwa 10% dieser Summe in Entwicklungspolitik, Friedensarbeit, Kriegsverhütung und Staatsaufbau. Die Globalisierung, die sich an den Interessen ihrer stärksten Marktkräfte – der internationalen Konzerne – ausrichtet, geht auf Kosten der Menschen in den ärmeren Ländern. Flucht erscheint oftmals als die einzige Lösung, der Perspektivlosigkeit, der Ausbeutung und dem sicheren Tod zu entgehen. Klima-Veränderungen lassen die Zahl der sogenannten Armuts- oder Klimageflüchteten drastisch anwachsen. Durch unseren Lebensstil im industrialisierten Westen, der die endlichen Ressourcen der Erde verbraucht, sind wir zutiefst in die Gesamtproblematik verwickelt. Globalisierung darf nicht wenige Beteiligte zu Gewinnern und den Rest der Menschheit zu Verlierern machen. Wir brauchen eine Abkehr von diesen ungerechten Verhältnissen und eine Hinwendung zu einer Welt in Balance. Wir brauchen einen Umbau des globalen Wirtschaftssystems, angemessene Schritte zur Umverteilung, eine Ökologisierung aller Lebensbereiche (Umwelt, Wirtschaft, Kultur, Alltag), eine generationen- übergreifende Gerechtigkeit und das Prinzip des Gemeinwohls.
Das ÖDP-Konzept:
l Die 5 Kernziele der Global Marshall Plan Initiative müssen konsequent umgesetzt werden: (1) Die globalen Entwicklungsziele (SDGs) weiterentwickeln und umsetzen. (2) Das 0,7%-Ziel bei der Entwicklungshilfe verwirklichen. (3) Faire Besteuerung globaler Wertschöpfungsprozesse, insbesondere im Finanzsektor. (4) Faire globale Partnerschaft und wirksame Mittelverwendung - basisorientiert und transparent. (5) Eine weltweite Ökosoziale Marktwirtschaft.
l Wirtschaftliches Handeln, ob in Deutschland, der EU oder global darf Menschen nicht ausbeuten oder deren Lebensgrundlagen zerstören. Wirtschaft und (Welt)Handel müssen fair geregelt sein: Vorrang der Menschenrechte vor Handelsrechten, Freihandelsverträgen oder Investitionsabkommen, keine Spekulationen auf Nahrungsmittel, kein Ausverkauf großer Landflächen an ausländische Investoren (Land-Grabbing).
l Am Welthandel teilnehmen kann nur, wer (a) existenzsichernde Löhne für alle Arbeitskräfte gesetzlich garantiert, (b) die Arbeitsschutzvorschriften der UN-Arbeitsorganisation beachtet, (c) die Gesetze zum Schutz der Lebensgrundlagen (Wasser, Boden, Klima und Artenvielfalt) weiter verbessert.
l Wirtschaft und (Welt)Handel sind umwelt- und klimafreundlich sowie ressourcenschonend zu gestalten. Die Forderungen des Weltklimagipfels von Paris 2015 sind konsequent umzusetzen.
l Deutschland und die EU müssen die Zivilgesellschaften in den Herkunftsländern stärken. Bildungsmaßnahmen sind zu fördern und Korruption zu bekämpfen.
l Armut ist durch Entschuldung sowie durch echte Entwicklungspartnerschaften ohne Schwerpunkt auf der eigenen Exportwirtschaft zu bekämpfen. Diese Partnerschaften müssen zuvörderst Hilfe zur Selbsthilfe sein. Entwicklungspartnerschaften müssen an rechtsstaatliche Regierungsführung geknüpft werden.
l Mit Waffen kann man keine Demokratie aufbauen. Die NATO soll auf ein reines Verteidigungsbündnis zurückgeführt werden (siehe Kapitel 6 „In Frieden leben“).
5.7.2 Asylrecht menschenwürdig gestalten
Aufgrund unserer Mitverantwortung für Fluchtursachen sind die Gewährung von Asyl und die Umsetzung der Genfer Flüchtlingskonvention ein unverzichtbarer Akt der Menschlichkeit. Gleichzeitig müssen in Deutschland konkrete Schritte (wie z.B. die Einsetzung einer Enquete- Kommission „Fluchtursachen“) sicherstellen, dass entschlossen an der Vermeidung und Beseitigung der Ursachen gearbeitet wird. Wir erkennen und respektieren, dass es Grenzen gibt bei den für eine gute Integration erforderlichen Ressourcen, z.B. Wohnraum oder Lehrkräfte. Wir sehen jedoch bei den Geflüchteten vorrangig das menschliche Schicksal und ihre Not. Abschottung nach dem Motto „Festung Europa“ lehnen wir ab. Das Festlegen von Obergrenzen halten wir für problematisch und unmenschlich. Die Aufnahme von Schutz suchenden Menschen für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit ist ein Akt von Solidarität und Menschlichkeit.
Das ÖDP-Konzept:
l In einem Europa ohne Grenzen halten wir es für dringend erforderlich, auch das Asylrecht europäisch zu gestalten.
l Wir lehnen eine Asylpolitik ab, die sich als Flüchtlingsabwehr versteht. Es ist daran zu arbeiten, dass Geflüchtete in allen europäischen Staaten nach Menschenrechts-Standards aufgenommen und behandelt werden. Die Dublin-Verträge gehören auf den Prüfstand: An die Stelle der„Drittstaatenregelung“ soll eine Verteilung der Geflüchteten auf die EU-Mitgliedsländertreten, die auch die Interessen der Betroffenen berücksichtigt ,z.B. die Zusammenführung von Familien. Maßstab der Verteilung oder des finanziellen Ausgleichs soll die Einwohnerzahl der einzelnen Länder sowie ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sein.
l Die internationalen Flüchtlingshilfswerke, z.B. das UNHCR, sind großzügig mit finanziellen Mitteln zu auszustatten.
l Die Resettlement-Programme sind deutlich auszuweiten, um Kontingente von Geflüchteten nach humanitären Kriterien auszuwählen, die dann geordnet und sicher einreisen können. Zu diesem Zweck können EU-Aufnahmezentren auch außerhalb der Grenzen Europas eingerichtet werden.
l Die Erstankunftsländer sind finanziell und personell zu unterstützen und zu entlasten. Über die reine Nothilfe hinaus müssen auch dort Integrations-Schritte ermöglicht werden (Schulbesuch, Gesundheits-Versorgung), wie es den Menschenrechten entspricht.
l Für alle innerhalb der EU betriebenen Unterkünfte für Geflüchtete müssen die geltenden Mindeststandards umgesetzt werden.
l Eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten ist anzustreben. Insbesondere Familien sollen vorrangig in Wohnungen bzw. in abgeschlossenen Wohneinheiten innerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte untergebracht werden, Schutz für Frauen und Kinder muss gewährleistet sein.
l Die Auszahlung von Unterhalt in Form von Sachleistungen und Gutscheinen unterstellt Missbrauch und nimmt den Menschen ihre Würde und Selbständigkeit. Die Unterstützung soll in Form von Geld erfolgen.
l Asylbewerbern sind Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabegesetz zu gewähren. An diesen sollen auch Kinder von Asylbewerbern sowie unbegleitete minderjährige Geflüchtete Anteil haben.
l Die medizinische Versorgung von Asylbewerbern soll bundesweit mittels einer Gesundheitskarte erfolgen.
l Traumatisierte Geflüchtete sind mit psychologischer Hilfe zu unterstützen. Der Bedarf dazu ist frühzeitig durch die Aufnahmebehörden festzustellen. Die behandelnden Einrichtungen sind mit ausreichenden Finanzmitteln auszustatten.
l Geduldeten Geflüchteten und ihren Kindern, die sich nachweislich gut integriert haben und eine Ausbildungsstelle oder einen Arbeitsplatz nachweisen können, ist ein Bleiberecht zu erteilen.
l Bei der Entscheidung, Menschen abzuschieben, muss sorgfältiger geprüft werden, welche Gefahren den Menschen drohen könnten. Der Zusammenhalt von Familien muss erhalten bleiben. Eine Selektion nach Nutzbarkeit in unserem eigenen Land ist kein humanitär akzeptables Kriterium.
l Asylverfahren müssen zügig, fair und transparent abgewickelt werden. Für sie muss derselbe Instanzenweg gelten wie für andere Gerichtsverfahren.
l Wir lehnen es ab, Staaten als „sichere Drittstaaten“ oder „sichere Herkunftsstaaten“ zu definieren, wenn dort nachgewiesenermaßen z.B. aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen Verfolgung droht. Dieser Schutz gilt nicht für nachweisliche Terrorunterstützer.
l Schnellverfahren, insbesondere über gesonderte Zentren mit verminderten Hilfsmöglichkeiten sowie Abschiebehaft, sind aus humanitären und verfassungsrechtlichen Gründen ebenfalls abzulehnen.
l Die vielfältigen Probleme von illegalen Einwanderern z.B. bei der medizinischen Versorgung, der Schulbildung und beim Schutz gegenüber ausbeuterischen Arbeitgebern, machen es dringend nötig, auch für die ungeregelte Zuwanderung nach Lösungen zu suchen. Es ist eine Möglichkeit zu finden, diese in einen legalen Status zu überführen.
l Durch Gemeinwohlbeiträge, z.B. eine Finanztransaktionssteuer, sind die erforderlichen Mittel für alle Maßnahmen zu gewinnen.
5.7.3 Gelingende Integration zum Wohle aller
Seit Ende des 2. Weltkriegs wurde Deutschland zunehmend zum Einwanderungsland. Migrationsbewegungen betreffen aber nicht nur Ausländer, sondern auch Deutsche: (Heimat-)Vertriebene von 1945-1950, Geflüchtete/Übersiedler von 1949-1961, Gastarbeiter von 1955-1973, Einwanderung durch Familiennachzug 1973-1988, Rekordzuwanderungen von Aussiedlern und Geflüchteten 1988- 1993 durch sogenannte Spät-Aussiedler und Asylbewerber. Deutsche wie ausländische Migranten haben zur Gestaltung der modernen deutschen Gesellschaft beigetragen. Wir bekennen uns ausdrücklich zu deren Bleiberecht. Nur ein weltoffenes Land ist als Lebens-, Wirtschafts- und Forschungsstandort attraktiv. Aus Deutschland sind immer wieder Menschen ausgewandert (knapp 915.000 im Jahr 2014). Es hat zu allen Zeiten beide Bewegungen gegeben: Zuwanderung und Auswanderung. Die Integration unterschiedlicher Kulturen und Religionen kann gelingen, wenn sie als gesamt- gesellschaftliche Aufgabe verstanden und von vielen mitgetragen wird. Es muss darauf geachtet werden, dass es zu keiner Bevorzugung von Migranten gegenüber einheimischen sozial benachteiligten Bürgerinnen und Bürgern in allen Bereichen (Arbeit, Wohnung etc.) kommt. Ein menschlicher und solidarischer Umgang mit allen hilfsbedürftigen Menschen ist unser Ziel. Fehlende Sprachkenntnisse, andere Kulturen und Religionen, Bildung von Parallelgesellschaften und anderes mehr stellen für ankommende Menschen wie auch für die alteingesessene Bevölkerung eine gewaltige Herausforderung dar. Zuwanderung hat zu allen Zeiten Angst vor „Überfremdung“ ausgelöst, die zu sozialen Spannungen und Feindseligkeiten führen kann. Ausländerfeindlichkeit und Rassismustreten wir entschieden entgegen. Auf das Schärfste verurteilen wir Gewaltangriffe jeglicher Art gegen Schutzsuchende, darunter traumatisierte Menschen, viele Kinder und Jugendliche. Nur ein friedliches Zusammenleben aller Gruppen der Gesellschaft kann ein gutes Leben für alle möglich machen.
Das ÖDP-Konzept:
l Die Teilnahme an Integrationskursen, vor allem an Sprachkursen ist für alle verpflichtend. Diese müssen ausreichend und in guter Qualität angeboten werden. Bei Verstoß gegen die Teilnahmepflicht sind Leistungen zu kürzen. Vorhandene Kompetenzen der Angekommenen müssen frühzeitig geprüft und genutzt werden.
l Der Mindestlohn gilt wie alle anderen Standards der Erwerbstätigkeit uneingeschränkt auch für die Geflüchteten.
l Für Asylbewerber und Menschen mit Duldung sind schnelle Möglichkeiten zum Einstieg in Arbeit zu schaffen. Dies fördert und unterstützt Integration.
l Die Gefahr zunehmender Obdachlosigkeit nehmen wir sehr ernst. Wohnraumbeschaffungsprogramme sind unter Beachtung ökologischer Gesichtspunkte umzusetzen (üblicher Energiestandard, verträgliche, flächensparende Verdichtung). Ghettobildung ist zu vermeiden. Großzügig geförderter sozialer Wohnungsbau muss allen Bedürftigen zugute kommen.
l Durch die verschiedenen Religionen und Kulturen entstehen Spannungen, denen wechselseitig mit intensiver Aufklärung und Toleranz zu begegnen ist. Dabei sind die bei uns geltenden Rechtsnormen einzuhalten. Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist zu respektieren. Gesetzesverstöße führen zur Bestrafung, unter Umständen zu Leistungskürzungen oder sogar zur Ausweisung.
l UnbegleiteteminderjährigeGeflüchtetesollenverstärktingeeignetePflegefamilien vermittelt werden.
l BürokratischeHürdensindabzubauen.PrivateundehrenamtlicheInitiativenmüssen gestärkt und ausreichend honoriert und anerkannt werden.
5.8 Bildung und Erziehung - wichtigste Grundlagen für unsere Zukunft
Eine bestmögliche Erziehung und Bildung unserer Kinder ist die wichtigste Voraussetzung für eine glückliche erfolgreiche Zukunft der gesamten Gesellschaft. Sie muss sicherstellen, dass die Jugend alle jene Fähigkeiten und Techniken, aber auch das Wissen mitbekommt, das sie braucht, um für alle Herausforderungen vorbereitet zu sein. Deshalb muss eine ganzheitliche Entwicklung der Persönlichkeit vorrangiges Bildungsziel sein. Kulturtechniken wie Verantwortungsbewusstsein, Teamfähigkeit, Rücksichtnahme und demokratische Grundregeln müssen eingeübt werden. Die Erziehung zu Ehrfurcht vor allem Leben, Verantwortung im Umgang mit der Schöpfung und den Mitmenschen sowie Bereitschaft zur Mitgestaltung der Gesellschaft und zum politischen Engagement stärken die Persönlichkeit und beugen auch gefährlichen Tendenzen wie Gewalt, Extremismus und Drogenkonsum vor. Grundlage hierbei sind die Wertvorstellungen, auf denen unser Grundgesetz basiert. Umweltbewusstes Handeln soll durch positives Erleben der Natur und die Vermittlung ökologischen Wissens und grundlegender Lebensfertigkeiten trainiert werden. Grundlegende Lebensfertigkeiten, soziale Fähigkeiten und Verständnis für die Nöte der Mitmenschen sollen durch praktisches Tun geweckt und gefördert werden. Die Interessen der Wirtschaft dürfen im Bildungsbereich nicht einseitig in den Vordergrund treten, sei es, dass versucht wird, möglichst früh auf das Verhalten der Kinder als interessante Verbraucher Einfluss zu nehmen, oder aber Bildungsziele und -inhalte so festzulegen, dass Schulabgänger einseitig ausschließlich für die kurzfristigen Bedürfnisse des Wirtschaftslebens ausgebildet werden. Erziehung und Ausbildung, Bildung und Weiterbildung sind Investitionen in die Zukunft, die im gesamtgesellschaftlichen Interesse liegen. Sie dürfen daher keinesfalls unter dem Vorwand der staatlichen Finanzknappheit beschnitten werden. Das gesellschaftliche Umfeld für Familien bzw. Erziehungsberechtigte hat sich grundlegend verändert. Dies hat zur Erweiterung der Formen des Zusammenlebens geführt. Grundsätzlich gilt jedoch, dass die Erziehungsberechtigten die Hauptverantwortung für die Erziehung ihrer Kinder tragen. Aufgabe des Staates ist es, dies im Rahmen seiner Möglichkeiten durch ein vielfältiges Angebot zu unterstützen. Inwieweit und in welcher Form von diesem Angebot Gebrauch gemacht wird, entscheiden mit Ausnahme der Schulpflicht die Erziehungsberechtigten. Hierbei ergänzen sich die Erziehungstätigkeit zu Hause und die der Einrichtungen. Einen Bildungsplan für die Krippen lehnen wir ab, ebenso die Einführung einer gebundenen Ganztagsschule gegen den Willen der betroffenen Eltern.
Das ÖDP-Konzept:
l Die ÖDP vertritt ein ganzheitliches Bildungskonzept, welches das Lernen mit allen Sinnen beinhaltet und die Entfaltung des Einzelnen im Rahmen seiner Möglichkeiten zum Ziel hat. Dabei geht es um eine Chancengleichheit, deren Ziel nicht darin besteht, möglichst viele Kinder zum Abitur zu führen, sondern vielmehr darin, jedem die Möglichkeit zu geben, seinen Begabungen entsprechend gefördert zu werden und so seinen Weg zu gehen. Musische Fächer und kreative Angebote sind in allen Bildungseinrichtungen aufzuwerten, um das Empfindungsvermögen und die Vielschichtigkeit der Welterfahrung zu steigern.
l Dementsprechend soll die Schullandschaft möglichst vielfältig sein. Dazu gehören sowohl ein dreigliedriges, durchlässiges Schulsystem als auch Gesamtschulen bzw. Gemeinschaftsschulen und Modelle freier Träger. Staatlich anerkannte und genehmigte private Schulen sind staatlichen Schulen gleichzustellen. Ganztagesschulen und Ganztagesbetreuungsangebote sollen bedarfsgerecht das bisherige Schulangebot ergänzen.
l Die ÖDP fordert die verstärkte Integration von Kindern aus anderen Sprachbereichen und Kulturen, die gezielte Förderung lernschwacher Kinder durch zusätzliche Maßnahmen außerhalb des regulären Unterrichts, aber auch die Förderung besonders begabter Kinder im Rahmen selbst gewählter Projekte. Die Integration von behinderten Kindern in den Regelunterricht ist im Rahmen des Möglichen anzustreben.
l Um die sprachlichen Grundlagen für den späteren Schulbesuch zu festigen, ist ein Anspruch auf kostenfreien Besuch eines Kindergartens im 5. Lebensjahr bundesweit zu gewährleisten.
l Während der ersten 6 Schuljahre soll der Unterricht mit innerer Differenzierung für alle gemeinsam erteilt werden. Im dreigliedrigen Schulsystem erfolgt danach die äußere Differenzierung in Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Dies verbessert die Entscheidungsgrundlage für die Schulempfehlung erheblich und führt zu einer besseren Förderung lernschwacher Schüler. Die Durchlässigkeit zwischen den Schultypen ist in beiden Richtungen signifikant zu erhöhen.
l Die ÖDP tritt für eine Qualitätsoffensive durch kleinere Klassen und eine größere Selbstverantwortung der Schulen ein. Die Lehrerausbildung ist bundesweit stärker didaktisch auszurichten, ohne dass sich dabei die fachliche Ausbildung verschlechtert. Außerdem ist eine kontinuierliche Weiterbildung der Lehrkräfte sicherzustellen. Darüber hinaus soll im Unterricht Qualitätskontrolle durch externe Evaluation stattfinden.
l Die ÖDP fordert ein modulares Abitur nach 12 bis 13 Jahren - die betreffenden Schülerinnen und Schüler wählen die Dauer individuell, je nach persönlichem Leistungswillen. Ein für alle Bundesländer verbindliches, einheitliches Mindestniveau der Schulabschlüsse ist herzustellen. Die Möglichkeiten zur Weiterbildung und zu lebenslangem Lernen (z.B. an Volkshochschulen, Fachhochschulen, Universitäten) sind zu verbessern.
l Mitmenschlichkeit, soziale Sensibilisierung sowie Erfahrungen in der Arbeitswelt sind durch das Angebot von Sozial- und Betriebspraktika zu fördern. Je nach Schultyp ist dieses Angebot zu intensivieren.
l Die ÖDP will ein neues Hauptschulkonzept realisieren, bei dem Projektunterricht und häufige, ausgedehntePraktikaeinenbesonderspraxisorientiertenUnterrichtunterstützen.Dabei sollen neuartige Unterrichtsinhalte wie etwa Ökologie, technisch-kreatives Grundwissen, soziales Verhalten, Gesundheit und Umgang mit Geld eingeführt bzw. deutlich stärker vermittelt werden. Außerdem müssen in jeder Lerngruppe zusätzliche Tutoren eingesetzt werden, um auch auf Kinder aus schwierigem sozialen Umfeld eingehen zu können. Ein noch intensiverer Kontakt zu den lokalen Betrieben als bisher soll Zukunftsperspektiven eröffnen, die die anderen Schultypen so nicht bieten können.
l Zu einer umfassenden Schulbildung gehören das Erlernen grundlegender Arbeitsmethoden und der Erwerb guter Sozialkompetenz. Schulen sollen das Forum sein, wo Zusatzqualifikationen in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen erworben werden können, zum Beispiel mit Sportvereinen oder Musikschulen. Kooperationen mit solchen Trägern der Jugendarbeit sind daher zu unterstützen und auszubauen.
5.9 Hochschulen als Zukunftswerkstätten
5.9.1 Die Aufgaben der Hochschulen
Hochschulpolitik ist Zukunftspolitik. Hochschulpolitische Weichenstellungen von heute entscheiden über den Ausbildungs-, Wissen- und Forschungsstand von morgen. Damit bestimmen sie auch die zukünftigen ökonomischen und ökologischen, kulturellen und sozialen Standards. Eine zentrale Rolle nehmen die Hochschulen bei der Vermittlung berufsrelevanter Qualifikationen ein. Hier gilt es, die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Wirtschaft zu intensivieren und das theoretische Lernen mit Praktika und Trainee-Programmen zu verknüpfen. Eine klare Organisation des berufsbezogenen Studienanteils trägt zur Verkürzung der Studienzeiten und zur Reduzierung der Zahl der Studienabbrecher bei. Jedoch fassen wir Hochschulen nicht nur als Einrichtungen zur Vermittlung einer Berufsausbildung auf. Sie sind auch der bevorzugte Ort für wissenschaftliche Forschung, interdisziplinäres Denken, Lehren und Lernen. Im Kontext der Forderung nach lebenslangem Lernen stehen sie damit allen offen, die auch ohne spezielles Berufsziel ihren Horizont erweitern wollen. Insbesondere muss es möglich sein, aus rein fachlichem Interesse studieren zu können. Dies bedingt ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Breite und Spezialisierung, das bei den verschiedenen Hochschultypen durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein soll. Im Zuge der Harmonisierung der europäischen Studienabschlüsse und der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge wird auch das Verhältnis von (Fach)Hochschulen und Universitäten neu definiert. Jedoch soll die (Fach)Hochschule nach wie vor ihren Schwerpunkt eher berufsbildend und die Universität ihren Schwerpunkt bei der umfassenden akademischen Bildung setzen.
5.9.2 Gestaltung der Studiengänge
Eine ganzheitliche Schulbildung muss die Studierfähigkeit der künftigen Studierenden gewährleisten. Das ist zur Zeit nicht immer der Fall. Umgekehrt muss aber ebenso die Studierbarkeit der einzelnen Studiengänge von der jeweiligen Hochschule sichergestellt werden. Ein verschultes Studium allein nach starren Studienordnungen, wie sie die meisten Bachelor- und Master-Studiengänge aufweisen, wird den vielfältigen Anforderungen im Berufsleben nicht gerecht. Aufbaustudiengänge sollen im Sinne lebenslanger Lernprozesse weiter ausgebaut werden. Hochschulen müssen mehr als bisher zu Stätten berufs- und lebensbegleitender Aus- und Weiterbildung werden. Vor diesem Hintergrund befürworten wir einen gestuften Aufbau des Studiums, wobei jede Stufe mit einer klar dokumentierten Qualifikation abgeschlossen wird. Solche Stufen können sein: Zwischenprüfung, Bachelor, Master/Diplom/Staatsexamen, Weiterbildung/Promotion. Dabei soll jede Stufe mindestens den Umfang eines 2-jährigen Vollzeitstudiums haben. Die studienbegleitenden, schriftlichen Prüfungen müssen in jeder Stufe mit einer mündlichen Abschlussprüfung ergänzt werden, damit der Zusammenhang zwischen einzelnen Modulen nicht verloren geht. Ab der 2. Stufe tritt jeweils eine schriftliche Abschlussarbeit hinzu. Während die 1. Stufe straff organisiert ist, bestehen die weiteren Stufen ausschließlich aus Wahlpflichtmodulen.
5.9.3 Hochschul- und Studienfinanzierung
Um ihren vielfältigen Aufgaben in Zukunft gerecht werden zu können, bedürfen unsere Hochschulen einer solideren Finanzausstattung. Nur bei einer bedarfsgerechten Hochschul- und Studienfinanzierung sind die Studierbarkeit der Studiengänge und eine qualitativ hochwertige Forschung überhaupt erreichbare Ziele. Die Hochschulen bedürfen einer Grundfinanzierung, die an die Studierendenzahl gekoppelt ist. Darüber hinaus sollen die Hochschulen mit zusätzlichen Mitteln für exzellente Forschung und Lehre belohnt werden. Eine Beteiligung der Studierenden an den eigenen Ausbildungskosten soll nur in Sonderfällen erfolgen, etwa bei einer erheblichen Überschreitung der Studienzeit. In jedem Fall muss der erste, qualitativ dem Diplom oder Magister vergleichbare Abschluss gebührenfrei bleiben. Allgemeine Studiengebühren würden bestimmte soziale Schichten vom Hochschulstudium ausgrenzen und die Studienzeiten verlängern, da häufig zeitintensive Nebenjobs zur Erwirtschaftung der Studiengebühren angenommen werden müssten. Mit den immer stärkeren Versuchen der Länder, sich aus der Finanzierung der Hochschulen zurückzuziehen, kommt es zu einer Abwertung der Geisteswissenschaften. Die Einwerbung von Drittmitteln darf nicht das entscheidende Kriterium für die Bewertung des Nutzens von Forschung und Ausbildung sein. Im Gegenteil: die Unabhängigkeit insbesondere der Forschung von Partikularinteressen aus Wirtschaft und Politik muss gestärkt werden. Beispielsweise sollen an staatlich finanzierten Forschungseinrichtungen erzielte Forschungsergebnisse immer zuerst vom Auftragnehmer der Öffentlichkeit vorgestellt werden, selbst dann, wenn die konkrete Studie industriefinanziert ist. Die Diskussion über Wissenschaftsethik wollen wir verstärkt führen und geführt sehen. Eine Berücksichtigung der Bedürfnisse der Wirtschaft ist zwar sinnvoll, darf aber nicht zur Ausgrenzung von Forschungsthemen oder zu Gefälligkeitsgutachten führen, wie das heute schon vielfach geschieht.
5.9.4 Hochschulreform
Im Zuge der gegenwärtigen Hochschulreformen werden oftmals Sparmaßnahmen als Strukturreform getarnt. Beispielsweise scheinen die in den letzten Jahren eingeführten Juniorprofessuren auf den ersten Blick ein Schritt zur Demokratisierung und Modernisierung der Lehre, gleichzeitig auch zur rascheren Qualifikation von Nachwuchskräften zu sein. Praktisch bedeutet die Juniorprofessur jedoch, dass junge Wissenschaftler bereits während ihrer Qualifikationsphase mit der vollen Aufgabenfülle eines Professors in der Lehre betraut werden, dann aber nach wenigen Jahren nur weiterbeschäftigt werden, wenn sie sich in der Forschung hinreichend qualifiziert haben. Vor diesem Hintergrund wird eine große Zahl der Juniorprofessoren sich wissenschaftlich nicht hinreichend qualifizieren können. Zugleich wird die Eignung für die Lehre bei Berufungsverfahren nach wie vor nicht angemessen berücksichtigt. Auf jeden Fall müssen wieder mehr Dauerstellen geschaffen werden, die jungen Akademikern eine berufliche Perspektive bieten, auch wenn sie keine Professur erreichen. Der Abbau des akademischen Mittelbaus in einigen Bundesländern wirkt sich für den Lehrbetrieb äußerst negativ aus. Ohne materielle Sicherheit ergreifen die besten Absolventen keine Hochschullaufbahn. Ein wesentlicher Nachteil des jetzigen deutschen Hochschulsystems ist es, dass Spitzenleistungen nicht angemessen belohnt werden. Bei der Berufung von Professoren besteht weder beim Gehalt noch bei den Forschungsmitteln ein hinreichender Verhandlungsspielraum. Beispielsweise gibt es in der gegenwärtigen W-Besoldung befristete Leistungszulagen. Da diese Besoldung aber gegenüber der früheren C-Besoldung aufkommensneutral eingeführt wurde, haben die Universitäten viel zu geringen Spielraum bei der Gewährung der Zulagen; de facto wird die W-Besoldung von Seite der Universitätsverwaltungen als Sparmaßnahme genutzt. Das hat zur Folge, dass die besten Wissenschaftler meist ins Ausland abwandern. Ein weiterer schwerwiegender Nachteil des jetzigen Hochschulrechts ist, dass starre Altersgrenzen für Berufungen bestehen. Daher lohnt es sich für ältere deutsche Wissenschaftler nicht, durch besondere Leistungen einen Ruf auf eine Professorenstelle anzustreben.
Das ÖDP-Konzept:
l Angemessene Finanzausstattung der Hochschulen im Zuge einer Steuerreform zugunsten der Bildung, bei gleichzeitigem Abbau der bürokratischen Reglementierung.
l Klare Gliederung des Studiums durch gestuften Aufbau.
l Verbesserung des Unterrichts durch Aufwertung der Lehre.
l Keine Studiengebühren für das erste Studium mit substantieller Qualifikation.
l Stärkung des akademischen Mittelbaus.
l Rechte des Forschers an seinen Forschungsergebnissen auch bei Finanzierung durch Drittmittel.
l Aufhebung beamtenrechtlicher Besoldungsvorschriften, die zur Folge haben, dass hoch qualifizierte Wissenschaftler abwandern bzw. deutschen Universitäten fernbleiben.
5.10 Verbraucher und Verbraucherinnen schützen
Trotz vielerlei negativer Begleiterscheinungen wird das Konsumieren für immer mehr Menschen zum Lebensmittelpunkt. Die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen steigt ständig. Gleichzeitig werden Produktionsabläufe und Marktstrukturen zunehmend weniger überschaubar und die Informationen über Gefahrenpotentiale für den Verbraucher schwerer zugänglich. Das Überangebot an Waren und Dienstleistungen erschwert Qualitäts- und Preisvergleiche. Dies erklärt auch, warum die Verbraucher und Verbraucherinnen in der Vergangenheit eine Wirtschaftsweise der Vergeudung, Vernichtung und Fehlsteuerungen fast widerspruchslos mitgemacht haben. Bei möglichst niedrigen Preisen wurde stillschweigend eine gleich bleibend hohe Qualität und Sicherheit z.B. bei Lebensmitteln vorausgesetzt. Die BSE-Krise hat diese Illusion gründlich zerstört. In der Folge gewann das Thema Verbraucherschutz wesentlich an Bedeutung. Allerdings wurde allein durch die Umbenennung eines Ministeriums die wirklich notwendige Umorientierung noch längst nicht erreicht, die sicherstellen muss, dass die fünf Grundrechte des Verbrauchers die von der EG bereits 1975 in einer Charta festgelegt wurden, auch garantiert werden:
l Recht auf Schutz der Gesundheit und Sicherheit,
l Recht auf Schutz der wirtschaftlichen Interessen,
l Recht auf Wiedergutmachung erlittenen Schadens,
l Recht auf Unterrichtung und Aufklärung sowie
l Recht auf Vertretung.
Angesichts des riesigen Aufgabengebietes kann Verbraucherpolitik nicht weiterhin nur ein Anhängsel der Wirtschaftspolitik sein, sondern muss zum eigenständigen Politikfeld werden. Hauptziel muss dabei sein, bei Produktion, Handel und Dienstleistungen den kurzfristigen Wirtschaftsinteressen, den ökonomischen Prinzipien maximaler Arbeitsteilung, der rücksichtslosen Gewinnoptimierung, der Ausdehnung der Märkte und weltweitem Wettbewerb entgegen zu treten, sobald erkennbar wird, dass die Entwicklung zu Lasten der Verbraucher und Verbraucherinnen und kommender Generationen geht. Die Verbraucherpolitik muss alle Bereiche wie z.B. Agrar-, Wirtschafts-, Verkehrs-, Medien-, Gesundheits- Bildungs- und Forschungspolitik umfassen. Sie muss den Schutz der Verbraucher/innen vor defekten oder gefährlichen Produkten, unlauteren Vertriebsmethoden, unseriösen Geschäftsbedingungen und überhöhten Preisen gewährleisten. Prävention ist auch auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes der beste Weg, um Schäden von vornherein zu verhindern. Die in mehreren Bereichen vom Gesetzgeber bereits geschaffenen Kontrollsysteme sind noch keineswegs ausreichend (z.B. bei Chemikalien und im Mobilfunkbetrieb). Die Schutzerwartungen sind begründet in der staatlichen Schutzpflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, die derzeit keinesfalls ernst genug genommen wird. Zu erreichen sind die nötigen Veränderungen sicher nur, wenn alle Verbraucherschutzaktivitäten koordiniert und das Verbraucherschutzrecht weiterentwickelt und durchgesetzt wird. Das setzt vor allem hoheitliche Befugnisse und damit die Existenz einer zentralen Behörde voraus.
Das ÖDP-Konzept:
l Verbraucherpolitik als eigenes Politikfeld.
l Schaffung einer eigenen zentralen Verbraucherschutzbehörde (z.B. durch Ausbau des Bundeskartellamts), die sich deutlich von dem jetzigen Konzept eines einheitlichen Ministeriums für Verbraucherschutz, Landwirtschaft, Ernährung unterscheidet und als Sachwalterin der Verbraucherinteressen bei allen Gesetzesentwürfen und Vorhaben die Auswirkungen auf den Verbraucherschutz mit einbringt.
l Einrichtung der Stelle eines Verbraucherschutzbeauftragten analog dem Datenschutzbeauftragten.
l Abschaffung der Ministererlaubnisse bei Kartellgenehmigungen.
l Bessere Ausstattung und Stärkung der Rechte der Datenschutzbeauftragten.
l Einführung eines leistungsfähigen Wettbewerbsrechts, in dem der Schutz vor täuschender, unsachlich beeinflussender, verschleiernder, diskriminierender und belästigender Werbung festgeschrieben ist.
l Klagerecht der Verbraucherschutzbehörde, um z.B. den Schutz vor unlauteren Vertriebsmethoden und Geschäftsbedingungen durch Unternehmen besser unterbinden zu können. Urteile in Sachen Verbraucherschutz müssen verbindlich werden.
l Gewährung eines erweiterten Vertragsauflösungsrechts und Einführung eines Schadensersatzanspruchs bei Schäden, die durch unlautere Handlungen oder Werbung entstanden sind.
l Schaffung eines Bundestagsausschusses für Verbraucherfragen (vgl. Europäisches Parlament), um die derzeit auf zahlreiche Ausschüsse verteilte Kontroll- und Kritikfunktion sinnvoller zu bündeln.
l Verbot von offener und verdeckter Tabak- und Alkoholwerbung. Beschränkung des Vertriebes von Tabakprodukten auf Fachgeschäfte, zu denen Minderjährige keinen Zugang haben dürfen. Verabschiedung eines bundeseinheitlichen Nichtraucherschutzgesetzes unter Einbeziehung des Mitarbeiterschutzes, denn kein Mensch darf zum Mitrauchen gezwungen werden! Die Kosten der Schäden durch Tabak- und Alkoholgebrauch müssen entsprechend dem Verursacherprinzip wie in den USA von den jeweiligen Industrien getragen werden. Exportverbote für Tabakprodukte.
l Verstärkte Forschung und Aufklärung über die Gefahren des Elektrosmogs.
l Senkung der Strahlengrenzwerte für Mobilfunkanlagen und Handys (Grenzwert von 100µW/m2 bzw. von 10µW/m2 in reinen Wohngebieten und Aufenthaltsorten von Kindern und Jugendlichen, z.B. Kindergärten und Schulen, sowie Krankenhäusern).
l Schutz vor einer Vielzahl von chemischen Stoffen, die unsere Gesundheit bedrohen, durch strenge Zulassungsverfahren, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen (z.B. Substanzen zur Haltbarmachung und Geschmacksverstärkung in Lebensmitteln, zahlreiche Wohngifte wie Formaldehyde, Holzschutzmittel, Lacke, die die Luft in unseren Wohnungen verpesten, Schadstoffe im Trinkwasser).
l Anlegung strengerer Maßstäbe an die Unbedenklichkeit von Lebensmittelzusatzstoffen und gründlichere laufende Überwachung auf schädliche Rückstände. Inhaltsstoffe und Hilfsmittel in Lebensmitteln müssen vollständig und gut erkennbar deklariert werden.
l Einführung des Gütesiegels „Gentechnikfrei“ oder zumindest eine vollständige Deklaration bestrahlter oder gentechnisch erzeugter Lebensmittel auch unterhalb der derzeit vorhandenen Kennzeichnungsschwelle.
l Klare und restriktive gesetzliche Regelungen bezüglich Gentests in der Versicherungswirtschaft anstatt ungenügender Selbstverpflichtungserklärungen.
l Definitives Verbot der Tiermehlfütterung an Nutztiere.
l Generelle Umkehr der Beweislast in Verbraucherschutzfragen, auch bei Bankgeschäften.
l Weitgehende Streichung der Ausnahmeregelungen im Verbraucherinformationsgesetz und Begrenzung der Gebühren für Auskünfte auf maximal 50 €. Bei Genehmigungsverfahren, welche zumindest eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfordern, sind die Öffnungszeiten der betroffenen Behörden arbeitnehmerfreundlich zu erweitern.
l Nein zur Freisetzung gentechnisch manipulierter Lebewesen, weil die damit verbundenen Risiken für die Ökosysteme nicht abschätzbar sind. Insbesondere in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelindustrie lehnen wir den Einsatz der Gentechnik ab, da er zu einer weiteren Industrialisierung und Monopolisierung dieser Bereiche führt, einer Dezentralisierung und Extensivierung entgegenwirkt und den weiteren Verlust genetischer Vielfalt zur Folge hat. Eine deutliche Kennzeichnung entsprechend hergestellter Produkte, z.B. bei Importware, muss vorgeschrieben werden.
6. In Frieden leben
Außen- und Entwicklungspolitik müssen primär dem Schutz des Lebens und der Lebensgrundlagen auf der Erde dienen. Der Treibhauseffekt, der ökologische Raubbau, die Verschwendung nicht erneuerbarer Rohstoffe, der Kampf um wertvolle Ressourcen, Verkehrswege und Absatzmärkte sowie knapp werdendes Trinkwasser führen immer wieder zu Konflikten. Ökologische Stabilität, möglichst dezentral-demokratische Strukturen sowie die friedliche Durchsetzung der politischen, sozialen und kulturellen Menschenrechte sind unabdingbare Voraussetzungen für ein langfristig friedliches Zusammenleben der Menschen auf der Erde. Vorausschauende Politik zielt darauf ab, weltweit die natürlichen Lebensgrundlagen in all ihrer Vielfalt zu erhalten, demokratisches Bewusstsein und rechtsstaatliche Strukturen zu fördern, eine faire Weltwirtschaftsordnung zu etablieren, die Achtung der Menschenrechte voranzutreiben und den friedlichen Verfahren der Streitbeilegung bei zwischenstaatlichen Konflikten Geltung zu verschaffen. Diesen Zielen ist die deutsche Entwicklungspolitik im nationalen und internationalen Rahmen verpflichtet.
6.1 Frieden ermöglichen – Sicherheit schaffen
Friedens- und Sicherheitspolitik bedeutet für die ÖDP nicht nur die Abschaffung aller ABC-Waffen und eine möglichst weitgehende Reduzierung aller anderen Waffensysteme, sondern eine umfassende Politik der Konfliktvorbeugung mit friedenserhaltenden Maßnahmen. Künftig müssen ethnisch oder nationalistisch, ideologisch oder ökonomisch motivierte militärische Konflikte schon im Vorfeld vermieden werden. An der Aufrüstung vieler Länder, der Verbreitung militärischer Technologien und der Waffenherstellung sind der deutsche Staat und viele deutsche Firmen beteiligt. Waffenlieferungen in Krisengebiete haben bis heute Kriege mit Millionen Toten und zugleich den Raubbau an Bodenschätzen und Natur begünstigt. Waffenexporte in Krisengebiete sind als Beihilfe zum Krieg anzusehen. Während wenige hierdurch reich werden, werden die Kosten für die Flüchtlinge und den Wiederaufbau den Bewohnern der Kriegsgebiete und der Aufnahmeländer aufgebürdet. Kriege, bei denen die Zivilbevölkerung massiv geschädigt und bombardiert wird, verschärfen Konflikte, anstatt sie zu lösen. Nationale Alleingänge zerstören zudem die friedenserhaltende Wirkung des Völkerrechts und schwächen die UN. Dies gilt zugleich für den so genannten „Anti- Terror-Krieg“ der USA, der durch exzessive Gewalt und die Förderung undemokratischer Regime wie in Saudi-Arabien oder Pakistan die globale Verbreitung von Sicherheit, Demokratie und Menschenrechten nicht gefördert, sondern behindert hat. Die langfristige Abschaffung der Massenvernichtungswaffen, der Abbau konventioneller Waffensysteme sowie friedliche Konfliktvorbeugung und eine Politik sozialer Gerechtigkeit entziehen terroristischen Gruppen einen Großteil ihrer Handlungsmöglichkeiten. Die Handlungsfähigkeit der UN für friedenserhaltende Einsätze (Blauhelme) wird durch das Vetorecht im Weltsicherheitsrat und die ausstehenden Mitgliedsbeiträge selbst reicher Länder wie etwa der USA geschwächt. Nur die UN sind jedoch berechtigt, Beschlüsse über friedenserhaltende und friedensschaffende Maßnahmen zu fällen; nur die UN haben die politische Legitimität, langfristig für Frieden und Sicherheit zu sorgen.
Das ÖDP-Konzept:
Friedens- und Konfliktforschung, Förderung von Friedenskompetenz
l Einrichtung bzw. Förderung von Friedens- und Konfliktforschungsinstituten. Jährliche Anhörungen im Deutschen Bundestag mit Menschenrechts- und Entwicklungshilfe- Organisationen.
l Jährliche Organisation von Friedenskundetagungen durch die Bundesregierung.
l Feste Einbindung von Friedenspädagogik, Kommunikationsfähigkeit, Schulung der Eigenwahrnehmung und Gewaltfreiheit in Schule, Erwachsenenbildung und öffentlich- rechtliche Medien.
Ziviler Friedensdienst und Konfliktvorbeugung
l Ausbau des zivilen Friedensdienstes, der in Zusammenarbeit mit geeigneten Nichtregierungs-Organisationen zur Konfliktvorbeugung und gewaltfreien Lösung von Konflikten in Krisengebieten eingesetzt wird. Dabei sollen Vertreter aller Religionen und ethnischen Gruppen der betreffenden Gebiete eingebunden werden. Konfliktvorbeugung und friedliche Konfliktbeilegung besitzen absoluten Vorrang vor militärischer Gewalt.
Menschenrechte, Internationale Gerichtsbarkeit
l Unterstützung nationaler und internationaler Organisationen, die sich für Menschenrechte und den Schutz von Freiheits- und Selbstbestimmungsrechten der Völker im Rahmen der UN- Charta einsetzen.
l Auf Grundlage der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN sind die beiden darauf bauenden Abkommen über politische und bürgerliche Rechte sowie über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte gleichermaßen einzuhalten.
l Die Verletzung des Menschenrechts auf Nahrung muss ebenso weltweit geächtet werden wie der Einsatz von Kindersoldaten, Todesstrafe, Folter, Vergewaltigung und Verstümmelung.
l Zum Schutz von Völkerrecht und Menschenrechten ist die grenzüberschreitende juristische Zusammenarbeit sowie die Verrechtlichung der internationalen Beziehungen zu stärken.
l Deutschland muss daher weiterhin den Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag, der für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zuständig ist, den Internationalen UN-Gerichtshof (IGH) in Den Haag, der Streitigkeiten zwischen Staaten schlichten soll, sowie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg bestmöglich unterstützen.
l 2008 hat sich die Bundesrepublik Deutschland der obligatorischen Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs (IGH) unterworfen. Sie hat damit den IGH als Hauptrechtsprechungsorgan der UN gestärkt und damit zur Stärkung des Völkerrechts beigetragen.
l Der dabei gemachte doppelte Militärvorbehalt aber macht die deutsche Anerkennungserklärung für weite Teile des Völkerrechts wertlos. Mit ihm werden völkerrechtliche Streitigkeiten über den Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland und über die Nutzung deutschen Hoheitsgebiets für militärische Zwecke von der Zuständigkeit des IGH ausdrücklich ausgenommen. Dieser doppelte Militärvorbehalt ist umgehend zurückzunehmen.
Gerechte Verteilung und sparsamer Umgang mit knappen Ressourcen
l Zur Konfliktvorbeugung gehört auch die gerechte Verteilung knapper Ressourcen wie z.B.
der freie Zugang zu Trinkwasser, die Sicherstellung des Existenzminimums (Nahrung, Kleidung, Behausung) und eine flächendeckende Versorgung mit Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen.
l Ebenso wichtig sind die Einsparung von Energie und der Umstieg auf Erneuerbare Energieträger. Wie zuletzt Rohstoffkriege (z.B. Irakkrieg 2003) gezeigt haben, ist die Einsparung von Energie und der Umstieg auf Erneuerbare Energieträger ebenfalls entscheidend bei der Kriegsvorbeugung. Um den Staaten diese Maßnahmen zu erleichtern, sind marktbeherrschende Stellungen einzelner Firmen zu verhindern bzw. zu beenden.
Drastischer Abbau der Rüstungsexporte
l Die deutschen Rüstungsexporte sind drastisch zu reduzieren, die Anlagen auf zivile Produktion umzustellen. Rüstungsexporte dürfen generell nur noch in Mitgliedsländer der EU und der NATO erfolgen und sind strikt an die Einhaltung der international gültigen menschenrechtlichen Standards zu binden (v. a. UN-Charta und Europäische Menschenrechtskonvention).
l Falls ein Empfängerland diese Standards nicht einhält oder schon die Kontrolle dieser Standards verweigert, ist jegliche Rüstungskooperation - unabhängig von Mitgliedschaft in EU oder NATO - sofort einzustellen. Außerdem müssen die Endverbleibsnachweise endlich wirksam kontrolliert werden.
l Zu den Rüstungsexporten zählen auch die Lizenzvergabe und die Errichtung von Produktionsanlagen zur Herstellung von Waffen oder Waffenkomponenten.
l Die Strafen bei Zuwiderhandlungen sind deutlich zu verschärfen. Einnahmen, die nachweislich aus Waffenexporten in Kriegsgebiete und aus dem Verkauf oder der Verarbeitung von Rohstoffen aus Kriegsgebieten stammen und von Personen oder Firmen mit Sitz in Deutschland erzielt worden sind, sind in voller Höhe vom Staat abzuschöpfen und je zur Hälfte dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und der UN-Welternährungsorganisation (FAO) zur Verfügung zu stellen.
Abbau aller ABC-Waffen, Verbot von Landminen
l Schrittweiser Abbau aller ABC-Waffen mit dem Ziel ihrer Ächtung und ihres Verbots. Weltweite Kontrolle des Abbaus. Sofortiger Abzug der in Deutschland gelagerten Atomwaffen. Einstellung sämtlicher Versuche mit diesen Waffen.
l Keine Stationierung bzw. Neuentwicklung von Weltraumwaffen jeglicher Art. Konsequente Bekämpfung der Weitergabe von Atomwaffen und Exportverbot für atomtechnische Anlagen einschließlich deren Technologie.
l Das Verbot von Antipersonenminen und Streumunition ist besser durchzusetzen. Die Produzenten dieser Waffen müssen verpflichtet werden, in voller Höhe für die Kosten ihrer Beseitigung aufzukommen. Ein Verbot aller Landminen ist schnellstens zu erreichen.
l Die deutsche Außenpolitik soll die Staaten, von deren Zustimmung das Inkrafttreten des 1996 beschlossenen internationalen Atomteststoppabkommens (Comprehensive Nuclear-Test- Ban Treaty – CTBT – vgl. www.ctbto.org) abhängt und die es noch nicht ratifiziert haben, dringend auffordern, das zu tun, also das Abkommen durch ihr Parlament zu bestätigen, damit dieser Meilenstein der Friedenspolitik offiziell in Kraft tritt.
l Im Dezember 2015 waren das Ägypten, Iran, Nordkorea und vor allem die Atommächte USA, China, Indien, Pakistan und Israel.
Beschränkung der Rechte ausländischer Streitkräfte in Deutschland
l Die Überflugrechte und Militärbasen ausländischer Streitkräfte in Deutschland dürfen ausschließlich im Sinne des Völkerrechts genutzt werden.
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU
l Ziel der gemeinsamen Außenpolitik ist die Förderung friedlicher Konfliktlösung, der politischen, sozialen und kulturellen Menschenrechte, demokratischer Strukturen sowie des Umweltschutzes. Die EU handelt bei internationalen Konflikten in enger Absprache mit der UN; sie ist nicht legitimiert, an die Stelle der UN zu treten.
l Die im Vertrag von Lissabon vereinbarte Aufrüstung (Art. 42,3) aller Mitgliedsstaaten geht in die falsche Richtung; sie ist aufzukündigen.
Rolle der NATO
l Die ÖDP bekennt sich zur NATO-Mitgliedschaft Deutschlands. Der Auftrag der NATO muss aber auf die Verteidigung innerhalb des NATO-Vertragsgebietes beschränkt bleiben.
UN-Reform
l Wir fordern eine umfassende Reform der UN, damit diese im Auftrag aller Nationen zum Fundament und Garanten einer neuen, friedlichen und gerechten Weltordnung werden kann.
l Hierzu gehört eine tiefgreifende Demokratisierung der UN, insbesondere die Stärkung der Vollversammlung gegenüber dem Weltsicherheitsrat.
l Die UN einschließlich der UN-Sonderorganisationen wie Internationaler Währungsfonds und Weltbank müssen die friedliche Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten sowie eine gerechte Weltwirtschaftsordnung und Güterverteilung fördern. Auf Börsenspekulationen ist eine Finanztransaktionssteuer zu erheben. Diese Einnahmen stehen den UN für globale Entwicklungs- und Umweltaufgaben zur Verfügung.
l Die friedenserhaltenden Blauhelmeinsätze der UN sind finanziell zu stärken. Langfristig ist eine stehende UN-Einsatztruppe einzurichten, um Interventionen unabhängig von den Eigeninteressen der Staaten zu ermöglichen.
l Konfliktvorbeugung und friedliche Konfliktbeilegung besitzen absoluten Vorrang vor Sanktionen und militärischer Gewalt, um einen Aggressor zurückzudrängen. UN-Sanktionen dürfen sich nicht gegen die Zivilbevölkerung richten.
l Deutschland benötigt keinen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Wichtiger ist die konsequente Demokratisierung der UN.
Terrorismusbekämpfung, Geheimdienstkontrolle
l Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus muss ausschließlich mit politischen, polizeilichen und geheimdienstlichen Mitteln erfolgen. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag muss die Zuständigkeit auch für die juristische Aufarbeitung des internationalen Terrorismus erhalten. Es darf nicht mehr toleriert werden, dass Geheimdienste den Terrorismus fördern.
l Geheimdienste sind daher strikter parlamentarischer Kontrolle zu unterwerfen und auf die rein nachrichtendienstliche Tätigkeit aus öffentlich zugänglichen Quellen zu beschränken. Verdeckte Operationen u. ä. müssen unterbunden, Verstöße dagegen bestraft werden.
Verteidigung als staatliche Aufgabe, Schutz von Gefangenen und Zivilbevölkerung
l Die Privatisierung von Verteidigungsaufgaben muss verboten bleiben. Der Aufstieg privater Militärfirmen beschleunigt überall auf der Welt den Macht- und Steuerungsverlust der Staaten und heizt Konflikte an.
l Gefangene haben ausnahmslos Anspruch auf die Einhaltung der internationalen Vereinbarungen wie die Genfer Konvention und die Haager Landkriegsordnung.
l Übergriffe und Kriegsverbrechen durch Soldaten oder Söldner sind konsequent durch nationale Gerichte und den Internationalen Strafgerichtshof zu bestrafen.
l Bei militärischen Interventionen muss der Schutz der Zivilbevölkerung absoluten Vorrang haben. Falls die Bundeswehr oder ihre Bündnispartner diesen umfassenden Schutz der Zivilbevölkerung nicht gewährleisten wollen oder können, müssen alle deutschen Truppen aus diesen Interventionen umgehend abgezogen werden.
6.2 Die Rolle der Bundeswehr
Sicherheit ist ein wichtiges Gut. Auch nach dem Ende des Kalten Krieges spielt die Bundeswehr hierbei eine wichtige Rolle. Da Deutschland heute von befreundeten Nationen umgeben ist, konnten die Truppenstärke reduziert und so Haushaltsmittel gespart werden. Die weitere sicherheitspolitische Zusammenarbeit in Europa und die Vereinigung der nationalen Armeen zu einer EU-Armee ermöglicht weitere Umschichtungen zugunsten ziviler Zwecke. Für die Einsatzfähigkeit der UN, insbesondere für friedenserhaltende Blauhelmeinsätze, sind Truppen aus den UN-Mitgliedsstaaten erforderlich. Auch wenn die Einberufung zum Grundwehrdienst seit 2011 ausgesetzt ist, hält die ÖDP den allgemeinen Wehrdienst, zu dem alle Bevölkerungsschichten eingezogen werden, weiterhin für richtig. Er führt zu einer Kontrolle der Bundeswehr von innen. Wehrdienst ist ein Dienst für den Staat, eine Identifikation mit dem Staat und entspricht dem demokratischen Verständnis. Er macht alle Bürger für Sicherheit verantwortlich und sensibilisiert die Politik für die Einsatzrisiken. Die Umstellung der Verteidigungsarmee Bundeswehr auf verfassungswidrige Interventionen ohne UN-Mandat muss dringend gestoppt werden.
Das ÖDP-Konzept:
l Die Kosten für die weltweiten Einsätze der Bundeswehr sind im Bundeshaushalt getrennt auszuweisen und jährlich in einem gesonderten Bericht zu veröffentlichen.
l Die Bundeswehr ist eine Verteidigungsarmee. Für die Teilnahme deutscher Streitkräfte an Auslandseinsätzen müssen neben einem völkerrechtskonformen UN-Mandat und der mehrheitlichen Zustimmung des Bundestags folgende Bedingungen erfüllt sein: (a) Der Deutsche Bundestag muss in der Lage sein, sich vor und während des Einsatzes deutscher Kräfte unabhängig und frei Zugang zu Informationen zu beschaffen, um die Situation vor und während des Einsatzes möglichst genau beurteilen zu können. (b) UN-Kommissionen müssen jederzeit die faktische Möglichkeit haben, Vorwürfen über Kriegsverbrechen selbständig vor Ort nachzugehen. (c) Bei der Finanzierung der Auslandseinsätze sind gleichzeitig auch Rückstellungen für zivile Opfer zu treffen. (d) Jeder Auslandseinsatz wird durch das Bundesverfassungsgericht von Amts wegen auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft. Bei Verfassungsbruch sind die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
l Für die weltweite Anerkennung des Rechts auf Wehr- und Kriegsdienstverweigerung als Menschenrecht soll sich die Bundesregierung diplomatisch einsetzen. Den gleichen Schutz sollten Soldaten genießen, die sich ihrem Einsatz oder Befehlen in völkerrechtswidrigen Angriffskriegen widersetzen.
l Aus den Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehr sind die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt“ zu streichen.
l „Präventivkriege“ jeglicher Art sind durch Art. 26 GG und §80 StGB verboten. Das gilt auch
für die Auseinandersetzung mit weltweit operierenden Terrorgruppen.
l Sowohl der Besitz und erst recht der Einsatz von Kampfdrohnen durch die Bundeswehr sind abzulehnen.
6.3 Europa – demokratisch, ökologisch und dezentral
Dazu gibt es das seperate Europapolitische Programm
6.4 Chancen für Entwicklungsländer
Die große materielle Ungerechtigkeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, die fortgesetzte wirtschaftliche Ausbeutung der Entwicklungs- und Schwellenländer sowie die dort herrschenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse haben in diesen Ländern katastrophale Zustände verursacht. Nach fünf Jahrzehnten Entwicklungspolitik ist die Situation in den Entwicklungsländern keineswegs verbessert; oftmals ist sie sogar schlimmer als vor 50 Jahren. Versagen der Entwicklungspolitik. Die bisherige Entwicklungspolitik hat weitgehend versagt. Sie ist zu sehr ausgerichtet auf die Kooperation mit staatlichen Stellen, welche oftmals korrupt sind und einen großen Teil der Hilfsgelder veruntreuen, sowie auf die Unterstützung von zweifelhaften Großprojekten wie z.B. Staudämmen, welche Hunderttausende von Menschen aus ihrer Heimat vertreiben. Nur wenige Projekte der „offiziellen“ Entwicklungshilfe bringen Vorteile für die einfache Bevölkerung. Demokratiedefizit. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer werden von autoritären Regimen regiert und sind geprägt durch den Gegensatz zwischen einer kleinen, extrem reichen Oberschicht und der großen, armen Bevölkerungsmehrheit. Oft werden regionale, ethnische oder religiöse Minderheiten gewaltsam unterdrückt und Menschenrechte missachtet. Korruption ist in staatlichen Verwaltungen aufgrund der minimalen Gehälter in den öffentlichen Diensten weit verbreitet. Misswirtschaft. Die Wirtschaft der Entwicklungsländer ist in vielen Fällen von dirigistischen staatlichen Vorgaben und einer massiven Vernachlässigung der Landwirtschaft geprägt. Während in Gesundheit, Bildung und Ernährung der Bevölkerung vergleichsweise wenig investiert wird, zählen Entwicklungsländer zugleich zu den besten Kunden bei Waffenexporten. Dabei ist die Finanzverwaltung oftmals nicht in der Lage, die Vermögen der reichen Oberschichten zu besteuern. Während einige Wenige riesige Vermögen auf Konten im Ausland ansammeln, verelendet die ohnehin arme Bevölkerung und muss mit ihren Steuergeldern die Zinsen für Kredite (auch für Waffenkäufe und Luxusbauten) aufbringen. Nur zu oft werden solche Rahmenbedingungen von skrupellosen Regierungen und Geschäftemachern der Industrieländer rücksichtslos für ihre Zwecke ausgenutzt. Zerstörung der heimischen Wirtschaft. Die systematische Zerstörung der Wirtschaft in vielen Entwicklungsländern durch Firmen und Regierungen der Industrieländer verschärft die Probleme. Der ungehinderte Zugriff internationaler Großkonzerne auf den Markt der Entwicklungsländer zerstört vielfach deren einheimische Wirtschaft. Und der als Landgrabbing bezeichnete Aufkauf riesiger landwirtschaftlicher Nutzflächen durch fremde Staaten und ausländische Konzerne raubt ihnen die Basis für die Selbstversorgung der Bevölkerung und die Voraussetzung für eine eigenständige Entwicklung. Handelspolitik der Industrieländer. Die Industrieländer schotten ihre eigenen Märkte gegenüber Produkten aus Entwicklungs- und Schwellenländern ab und verzerren den internationalen Wettbewerb mit Milliardensubventionen; allein an Agrarsubventionen geben die OECD-Staaten jährlich 360 Milliarden US-Dollar aus. Hochsubventionierte landwirtschaftliche Überschussprodukte, welche zu Dumpingpreisen auf den Weltmarkt geworfen werden, untergraben die Existenzgrundlage von Bauern in Entwicklungsländern und führen dort zu Not und Elend. Gleiches gilt für die europäischen Fischereiflotten, welche die Küstengewässer von Entwicklungsländern leer fischen und damit die dort lebenden Fischer um ihre Existenz bringen. Schließlich ist es verantwortungslos, nur einige wenige Prozent der öffentlichen Haushalte für Entwicklungshilfe auszugeben und gleichzeitig aus den betroffenen Ländern unterbezahlte Produkte von viel höherem Gesamtwert herauszuholen. Entwicklungshilfe wird oftmals zur Exportförderung für die heimische Wirtschaft in Entwicklungsländer umfunktioniert, indem nur solche Projekte gefördert werden, für welche die nötigen Investitionsgüter bei der heimischen Wirtschaft bestellt werden. Geringe Entwicklungshilfe. Keines der Industrieländer kommt der gemeinsam beschlossenen Selbstverpflichtung nach, 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts für staatliche Entwicklungshilfe auszugeben. Deutschland liegt unter 0,3 Prozent. Teufelskreis aus Armut, Hunger und Bevölkerungswachstum. Der Teufelskreis aus Armut, Hunger und Bevölkerungswachstum, angetrieben und gefördert durch Verschuldung und strukturelle Fehlentwicklungen, stößt schon heute an globale Grenzen. Landlosigkeit, Brandrodung in den Regenwäldern und Verstädterung sind nur einige Symptome der Not und des unsagbaren Leids der in Entwicklungsländern lebenden Menschen. Unzählige Menschen sterben dort an Hunger und banalsten Infektionskrankheiten, kaum beachtet von den Industrieländern. Bevölkerungsexplosion und Wanderungen. Bevölkerungsexplosion und globale Umweltkatastrophen bedrohen das Leben auf der Erde. Deutlich gefährlicher als der Kinderreichtum der Armen ist hierbei der Lebensstil der Reichen! Allein die gedankenlose Verbrennung fossiler Energieträger wie Öl und Kohle durch die Industrieländer ist letztlich für die zunehmende Erwärmung der Erde und die dadurch zu erwartenden Wanderungsbewegungen verantwortlich; Millionen von Menschen werden in den nächsten Jahrzehnten allein durch den steigenden Meeresspiegel ihre Heimat verlassen und in andere Gegenden wandern müssen. Diese Völkerwanderung wird zwangsläufig einhergehen mit inneren und evtl. auch äußeren Konflikten bis hin zu Kriegen.
Das ÖDP-Konzept:
l Die Entwicklungspolitik muss sich endlich regional und am Prinzip der Nachhaltigkeit orientieren. Sie dient – unter Berücksichtigung von Demokratie und Menschenrechten – der Anhebung der Lebensqualität unserer Mitmenschen in aller Welt. Sie darf nicht etwa eigenen wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden.
l Die ÖDP setzt sich dafür ein, dass den Menschen in den Entwicklungsländern unter Bewahrung ihrer Kultur solidarische partnerschaftliche Hilfe geleistet wird. Diese kann nicht im Export umweltzerstörender und energieintensiver Industrien und Technologien in Länder bestehen, in denen Arbeitskraft im Überfluss zur Verfügung steht. Vielmehr sind Dienstleistungen, Waren sowie angepasste handwerkliche und mittlere Technologien auszutauschen, wobei die Förderung der Eigenständigkeit dieser Länder Vorrang haben muss (Hilfe zur Selbsthilfe).
l Es fehlt nicht so sehr an Mitteln, sondern es geht um deren sinnvolle Verwendung durch beschleunigte Planung und Umsetzung, möglichst an Ort und Stelle mit Hilfe regionaler EU- Büros und in Kooperation vor allem mit Nicht-Regierungsorganisationen. Subsidiarität heißt auch, dass Partner der Entwicklungspolitik nicht immer ein Staat sein muss, sondern auch kleinere Einheiten wie Familien und Dorfgemeinschaften sein können.
l Es dürfen keine Zuschüsse und keine Kredite (z.B. Hermes-Bürgschaften) für Regime vergeben werden, die die Menschenrechte nicht anerkennen.
l Verbot der Einfuhr von Produkten, die unter Umgehung ethischer und gesundheitlicher Mindeststandards, z.B. durch Zwangsarbeit oder Kinderarbeit, produziert wurden.
l Entwicklungspolitik muss sich länderspezifisch an den tatsächlichen Grundbedürfnissen der Menschen ausrichtet und nicht an den Bedürfnissen reicher Oberschichten oder den Wirtschaftsinteressen des Geberlandes. Dazu gehören die Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten, Bekämpfung von Korruption, autoritärer und feudaler Strukturen sowie die Produktionsförderung notwendiger Konsumgüter.
l Vordringlich sind die Förderung der medizinischen Grundversorgung, Alphabetisierungs- und Bildungsprogramme für breite Bevölkerungsschichten, insbesondere auch für Frauen, der Aufbau sozialer Sicherungssysteme, damit die hohe Kinderzahl als Basis der individuellen Alterssicherung entbehrlich wird, sowie Hilfe bei menschenwürdigen Maßnahmen zur Familienplanung.
l Frauen in Entwicklungsländern leisten einen großen Teil der materiellen Versorgung zusätzlich zur Familienarbeit; sie sind nicht nur auf vielfältige Weise benachteiligt, sondern als die „Trümmerfrauen der ökologischen Zerstörung“ häufig auch die Leidtragenden der Entwicklung. Sie bringen wesentliche Kompetenzen ein, um in allen gesellschaftlichen Bereichen, insbesondere auch bei der Planung von Projekten aller Art, mit zu entscheiden.
l Vor allem in den wachsenden städtischen Ballungsgebieten der Entwicklungsländer sind Programme zur Verbesserung der Müllentsorgung, der Wasserversorgung und Abwasserreinigung sowie der Luftreinhaltung nötig. Jegliche Müllexporte aus Industrieländern in Entwicklungsländer sind zu unterbinden.
l Wir streben gerechte Bedingungen auf dem Weltmarkt für den Handel mit Entwicklungsländern an. Die WTO soll zur ordnungspolitischen Institution fortentwickelt werden, die die Prinzipien einer ökologischen und sozialen Marktwirtschaft für den Welthandel durchsetzt. Sie soll eine Steuer auf internationale Kapitaltransfers erheben können, um damit die sozialen und ökologischen Folgekosten einer globalisierten Weltwirtschaft zu mindern - denn während Kapital frei transferiert werden kann, bleiben die Arbeitnehmer und die Natur vor Ort.
l Schuldenerlass für die ärmsten Länder ist zu gewähren, wenn diese ernsthafte Anstrengungen zur Beseitigung der Schuldenursachen unternehmen.
l Heimische Kleinbetriebe in Landwirtschaft und Handwerk sind unabdingbar für die örtliche Versorgung, arbeiten regional angepasst und nachhaltig, bzw. können sich flexibel in dieser Hinsicht entwickeln. Deshalb sind die WTO-Verträge und die geplanten Verträge zum Schutz der Investitionen internationaler Konzerne entsprechend abzuändern.
l Alle Politikbereiche (insbesondere die Wirtschaftspolitik, die Agrarpolitik und die Entwicklungspolitik) müssen darauf ausgerichtet werden, dass alle Länder der Welt ihr Recht auf Ernährungssouveränität uneingeschränkt wahrnehmen können. D.h. sie müssen frei in ihrer Entscheidung sein, wie sie die Ernährung ihrer Bevölkerung gewährleisten, ob durch den vorrangigen Anbau der benötigten Nahrungsmittel im eigenen Land oder durch Import oder durch ein frei gewähltes Verhältnis aus beidem. Einmischungen von außen – etwa durch Weltbank oder Internationaler Währungsfond (IWF) – z.B. mit der Verpflichtung, zum Schuldenabbau auf Teilen der zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Nutzfläche Produkte für den Weltmarkt anbauen zu müssen, haben zu unterbleiben.
Die in vielen Ländern vorherrschende Klein- und Mittelbäuerliche Landwirtschaft muss geschützt und gefördert werden. Das weltweite Landgrabbing, d.h. die Verjagung der einheimischen Bauern von ihren angestammten Flächen, um dort dann Landwirtschaft in industriellem Maßstab betreiben zu können, muss gestoppt werden.
l Die Landwirte in allen Teilen der Welt müssen das Recht auf Nachbau von selbst erzeugtem Saatgut bekommen, ohne Lizenzgebühren zahlen zu müssen.
l Patente auf Pflanzen und Tiere, Mikroorganismen eingeschlossen, müssen verboten werden.
l Für Nahrungs-, Genuss- und Futtermittel aus Entwicklungsländern sind nur dann Importbeschränkungen zu verhängen, wenn deren Anbau bzw. Export Ernährungsengpässe für die dortige Bevölkerung oder Naturzerstörung zur Folge hat. Es sind Programme zur drastischen Einschränkung der weltweiten Viehwirtschaft und des Fleischkonsums einzuleiten. Außerdem müssen die europäischen Fischereiboote die internationalen Regeln zur Erhaltung des Fischbestands befolgen.
l In großem Umfang sind Programme zur Wiederaufforstung und zur Rekultivierung der Trockengebiete zu fördern, um die Bodenerosion und das weitere Vordringen der Wüsten zu verhindern.
l Gezielte Hilfe zur wirtschaftlichen Umstrukturierung muss denjenigen Ländern und Menschen
zuteil werden, die wirtschaftlich vom Drogenanbau abhängig geworden sind.
l Zur Umstellung der Wirtschaft auf dezentrale Strukturen mit sanften und angepassten Wirtschaftsweisen und Technologien (z.B. Energieeinsparung und Aufbau dezentraler, regenerativer Energieversorgung, natürliche Landwirtschaft, Agroforesting) oder zur Wiederherstellung dieser Strukturen bzw. zu einer entsprechenden Weiterentwicklung ist den betroffenen Ländern Hilfe durch Know-how und nicht rückzuzahlende Gelder zu leisten.
l Für Katastrophenfälle wie z.B. Erdbeben, Vulkanausbrüche, Überschwemmungen und Stürme ist unter dem Kommando der UN eine ständige „zivile Eingreiftruppe“ in der Art des Technischen Hilfsdienstes zu schaffen. Diese muss personell und technisch in der Lage sein, innerhalb von maximal drei Tagen in jedem Teil der Welt zum Einsatz zu kommen.
7. Die ÖDP ist die ökologische Partei der demokratischen Mitte
Die Ökologisch-Demokratische Partei ist eine wertorientierte Partei der politischen Mitte. Die Beachtung ökologischer und sozialer Zusammenhänge, die Ehrfurcht vor dem Leben, die Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder und die Besinnung auf ethische Werte sind die Leitlinien unserer Politik. Mit unserem umfassenden und konsequenten Konzept sind wir die notwendige ökologische, soziale und demokratische Alternative zu den anderen Parteien, die heute alle von Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit – besonders auch von Familienfreundlichkeit – reden, ohne zu beachten, was das wirklich bedeutet. Die ÖDP geht nicht den Weg bequemer Kompromisse, sondern tritt konsequent für die streitbare Demokratie und die Erhaltung der ökologischen und sozialen Lebensgrundlagen ein und für Abwehrbereitschaft und -fähigkeit gegenüber den Zerstörern des freiheitlichen Rechtsstaates. Die große Aufgabe eines ökologischen und sozialen Aufbruchs und einer demokratischen Erneuerung zur Erhaltung der Lebensgrundlagen erfordert einen möglichst breiten, partei- übergreifenden Zusammenschluss aller verantwortungsbewussten Bürgerinnen und Bürger. Die ÖDP will daher, als politischer Arm der ökologischen Bewegung und sozial vernachlässigter Gruppen, vor allem Bürgerinnen und Bürger aus allen Bereichen der politischen Mitte ansprechen, die sich um die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft bemühen. Dagegen sind uns die Grundhaltungen rechts- und linksradikaler Gruppierungen fremd und mit unserem Grundsatzprogramm nicht vereinbar. Die ÖDP wendet sich entschieden gegen jegliche faschistische Tendenzen und verurteilt jede Gewalt gegen ausländische oder jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger oder deren Einrichtungen sowie gegen Minderheiten aufs Schärfste.
8. Aufruf zur Mitarbeit
Verantwortungsbewusstes politisches Denken und Handeln setzt ethische Wertmaßstäbe voraus. Dies gilt umso mehr angesichts des zunehmenden Werteverfalls in Gesellschaft und Politik. Die Sicherung des Überlebens von Mensch und Natur, der Schutz der Umwelt um ihrer selbst willen und für uns Menschen sowie gerechte Beziehungen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen müssen Vorrang vor allen privaten, wirtschaftlichen und öffentlichen Interessen haben. Vielfach stellen die derzeit politisch Verantwortlichen Wünsche und materielle Ansprüche einzelner Interessengruppen über das Gemeininteresse an einer Politik, die dem Überleben der Menschheit dient. Dabei betreiben sie auch weiterhin der kurzfristigen materiellen Gewinne wegen das Wirtschaftswachstum - um jeden Preis. Dieses allein am wirtschaftlichen Erfolg orientierte Denken prägt unsere gesamte Gesellschaft und ist Hauptursache für die Sinnkrise in unserer Gesellschaft mit all ihren sozialen Folgen wie Naturentfremdung, Niedergang der zwischenmenschlichen Beziehungen, Verarmung von Familien, Vereinsamung, Suchtkrankheiten, Hoffnungslosigkeit, Resignation und Selbstmord. Immer gibt es jedoch eine Möglichkeit, erkannte Fehlentwicklungen zu stoppen. Unser Land braucht dazu eine ökologische und sozial orientierte Partei, die für die Bewahrung der Lebensgrundlagen eintritt und die demokratische Erneuerung vorantreibt. Wir bitten Sie daher: Treten Sie der ÖDP als aktives oder förderndes Mitglied bei und bauen Sie eine neue konsequente politische Bewegung mit uns auf.
Geben Sie uns bitte bei den nächsten Wahlen Ihre Stimme!
Politisches Programm nach §1 Abs. 3 Parteiengesetz, entnommen aus der Partei-Satzung, die beim Bundeswahlleiter einsehbar ist.
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